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Im Test! Lost Records: Bloom & Rage – Tape 1 ist ein narratives Meisterwerk

Titel Lost Records: Bloom & Rage (Teil 1)
Japan 18. Februar 2025
Don’t Nod
Nordamerika 18. Februar 2025
Don’t Nod
Europa 18. Februar 2025
Don’t Nod
System PS4, PS5, Windows
Getestet für PS5
Entwickler Don’t Nod
Genres Narrative Adventure
Texte Deutschland Nordamerika 
Vertonung Nordamerika 

Lost Records ist nach einigen Jahren Wartezeit das neuste Abenteuer von Don’t Nods Life-is-Strange-Team. Findet Don’t Nod nach einigen Experimenten zurück zu alter Stärke?

Stranger Things meets Stand by Me

Lost Records handelt von einer Freundesgruppe von vier Mädchen, die im Sommer 1995 zusammenfand – und auseinanderbrach. Das Spiel beginnt im Jahr 2022, mitten in der Corona-Pandemie, als ein ominöses Paket die nun erwachsenen Frauen nach 27 Jahren wieder zusammenführt. Diese müssen sich nun schweren Herzens ihrer Vergangenheit stellen und daran erinnern, was damals wirklich passiert ist.

Eldenring Rectangle

Von der Stimmung erinnert Lost Records etwa an Stranger Things oder Stephen-King-Geschichten wie Stand by Me oder auch Es. Es ist ein nostalgischer Ausflug in die Vergangenheit, zugleich liegt ein dunkler Schatten über allem.

Es beginnt damit, dass die Protagonistin Swann in einer Bar eine der damaligen Freundinnen wieder trifft. Von dort an wechselt das Spiel immer wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, wobei vergangene Ereignisse von den gegenwärtigen Frauen oft kommentiert werden.

Einfühlsam und liebevoll erzählt

Die Handlung des ersten Teils ist größtenteils bodenständig. Der Mikrokosmos einer amerikanischen Kleinstadt wird wunderbar eingefangen. Ein verstaubter Movie Park, ein heruntergekommener Spielplatz, eine ranzige Bar – besonders lebendig geht es nicht zu. Doch als die vier Außenseiterinnen zusammenfinden, ist von Langeweile keine Spur mehr. Sie hängen abends auf dem Spielplatz ab, durchstreifen die Wälder, bauen sich eine Geheimbasis und gründen eine Garagenband.

Es ist eben durch und durch eine Coming-of-Age-Geschichte – und zwar eine überaus einfühlsam und liebevoll erzählte. Die Unsicherheit Swanns wird stets glaubwürdig vermittelt. Ebenso glaubwürdig sind die Eigenheiten und Probleme der anderen Mädchen dargestellt.

Ein großes Highlight ist die Dynamik zwischen den vieren. Die Interaktionen sind sehr lebendig, manchmal aber auch ein wenig angespannt und unangenehm. Auf künstliches Drama wird gänzlich verzichtet. Die Sprache wirkt deutlich glaubwürdiger als in Life is Strange, das mit seinem Jugendslang gelegentlich übers Ziel hinausgeschossen ist.

Ein dunkles Mysterium?

Im Handlungsverlauf rückt ein dunkles Mysterium immer weiter in den Vordergrund. Übernatürliche Elemente werden angedeutet, aber die erste Episode gibt noch keine klaren Antworten über die tatsächliche Tragweite davon. Zumindest sind sie aber weniger präsent als etwa die Zeitreisemechanik in Life is Strange – zugleich aber doch sehr prägend für die Stimmung.

Dass es diesmal nur zwei Episoden sind, merkt man am Spannungsbogen. Zwar gibt es immer wieder intensiv inszenierte Momente, doch erst zum Ende der ersten Episode findet eine Eskalation statt. Das Spiel nimmt sich viel Zeit für den Aufbau und das Etablieren der Figuren und erinnert vom Erzähltempo her vielleicht eher an Tell Me Why statt an Life is Strange.

Das ist durchaus eine Stärke, denn dank der hervorragend geschriebenen Figuren und der tollen Inszenierung kommt selbst dann nie Langeweile auf, wenn nichts Dramatisches passiert.

Lebendige Interaktionen

Lost Records fühlt sich interaktiver an als bisherige Spiele Don’t Nods. In Konversationen kann man ständig in Echtzeit Antworten geben, von denen einige zunächst verdeckt sind und erst im Laufe des Gesprächs enthüllt werden – oder erst, wenn man die Kamera auf ein bestimmtes Objekt richtet.

Ständig beeinflussen Antworten das Verhältnis zwischen Swann und den anderen Mädchen. Das verändert den Handlungsverlauf zwar nicht maßgeblich, wirkt sich jedoch auf viele kleine und ein paar größere Momente aus.

Und Action!

Swann will ihre letzte Zeit vor dem Umzug als Memoiren festhalten, deshalb ist es an euch als Spieler, möglichst viel mit dem Camcorder zu filmen.

Die nur wenige Sekunden langen Filmchen werden dabei vom Spiel automatisch kategorisiert. Hält man die Kamera auf ein relevantes Ziel, wird dieses hervorgehoben. Die Kategorien sind dabei vielfältig – ob eure Freundinnen, Vögel in der Natur, denkwürdige Orte oder bedeutungsvolle Momente: Alles kann auf Video festgehalten werden.

Gibt es genug Videos in einer bestimmten Kategorie, erstellt das Spiel daraus automatisch einen von der Protagonistin kommentierten Film. Doch ihr könnt euch auch selbst auf den Regiestuhl schwingen und Auswahl und Reihenfolge des Zusammenschnitts anpassen.

Dieses Feature motiviert, die Umgebung genau unter die Lupe zu nehmen. Es gibt dem Spiel zudem eine interaktive Komponente, die perfekt zur Narrative passt. Diese Segmente laufen meist Seite an Seite mit Konversationen zwischen den Figuren, die das ganze Miteinander umso lebendiger erscheinen lassen.

Walking Simulator mit Vorzügen

Darüber hinaus ist Lost Records hauptsächlich ein Walking Simulator. Man läuft umher und interagiert mit der Umgebung. So kann man Swanns Zimmer intensiv erkunden, um mehr über ihre Lebensumstände und Vorlieben herauszufinden.

In ein, zwei Szenen bin ich länger umhergeirrt, als es mir lieb war, weil ich den Gegenstand nicht gefunden habe, mit dem ich interagieren musste. Generell ist die Steuerung und Kameraführung in diesen Segmenten aber deutlich besser als in vergleichbaren Titeln.

Man merkt Lost Records an den durchdachten Komfortfunktionen an, dass das Team schon viel Erfahrung in diesem Genre sammeln konnte. So zeigt das Menü etwa an, wie viele Minuten der letzte Checkpoint her ist.

Audiovisuell erstklassig

Visuell ist Lost Records womöglich Don’t Nods bester Titel. Bereits Tell Me Why war sehr ausgereift, doch Lost Records setzt neue Maßstäbe.

Während die Umgebungsgrafik durchaus ansehnlich ist, glänzt das Spiel vor allem durch sein hervorragendes Motion Capturing in allen Situationen. Auch die Beleuchtung wirkt natürlich und bringt beispielsweise Unreinheiten der Haut gut zum Ausdruck. Besonders beeindruckt haben mich die Lichtreflexionen der Augen, die beispielsweise sehr glaubwürdig vermitteln, wenn ein Charakter den Tränen nahe ist.

Beim Filmen kann man sehr nah an alles heranzoomen. Aus nächster Nähe werden die Grenzen der Grafik zwar schnell deutlich, aber dafür überzeugt Lost Records beispielsweise bei Tieren mit schönen Animationen.

Die englische Vertonung ist wieder einmal hervorragend gelungen. Alle Protagonistinnen wirken lebendig und glaubwürdig vertont. Hinzu kommt der serientypisch jugendliche Soundtrack mit vielen Liedern, die mal wehmütig, mal besinnlich, mal rebellisch sind und die Stimmung signifikant prägen. Stellenweise empfand ich es jedoch als leicht unangenehm, wie sich die Lieder z. B. aus einem CD-Player mit anderer Hintergrundmusik überlagert haben.

 

Ein narratives Meisterwerk

Die erste Episode von Lost Records: Bloom & Rage überzeugt auf ganzer Linie. Die Coming-of-Age-Geschichte über vier Außenseiterinnen nimmt sich Zeit für ihre Figuren. Sie ist zugleich mitreißend und einfühlsam erzählt und baut dabei eine extrem dichte Atmosphäre auf. Zahlreiche Dialogoptionen und die Kamerafunktion gestalten das Geschehen zudem merklich interaktiv. Ein großes Highlight unter den narrativen Spielen, das nicht bloß blind den Trends folgt – ich kann die zweite Hälfte kaum erwarten!

 

Story

Vier Außenseiterinnen freunden sich im Amerika der 90er-Jahre an – nostalgisch und einfühlsam erzählt.

Gameplay

Viele DIalogoptionen und eine Kamerajagd auf Tiere & Co. gestalten das Erlebnis interaktiver.

Grafik

Exzellentes Motion Capturing und tolle Lichteffekte sorgen für ein immersives Erlebnis.

Sound

Typisch jugendlich-wehmütiger Soundtrack à la Life is Strange, ausgezeichnete englische Vertonung.

Sonstiges

6–10 h Spielzeit für den ersten Teil; Entscheidungen können mit anderen Spielern verglichen werden.

Bildmaterial: Lost Records: Bloom & Rage, Don’t Nod

6 Kommentare

  1. Danke für den Test. DAs freut mich doch sehr das es so gut wegkommt. Ich werde es mir definitiv kaufen wenn alle Episoden erschienen sind.

  2. Freut mich, wenn Don't Nod mal wieder was gebacken bekommt.


    Ich habe noch das letzte Life is strange nicht ganz durch und derzeit gibt es eh jede menge Zeug. Von daher warte ich wohl zumindest bis das Ding komplett released wurde.

  3. Hab heute schon viele Seiten nach Ersteindrücken gesucht - und ihr seid die Ersten :) Mehr Worte des Lobes brauch ich nicht. Wird geholt!

  4. 6–10 h Spielzeit für den ersten Teil; Entscheidungen können mit anderen Spielern verglichen werden.


    Das ist ne recht starke Diskrepanz, wenn man 6-10 Stunden Spielzeit bei so einem Titel angibt. Aber wenn ich den Test so lese, kommt es wohl sehr auf den eigenen Spielstil an.

    Ja, also das Review zu lesen hat mich schon sehr heiß gemacht. Natürlich warte ich nun auf die zweite Hälfte und somit auch auf die Retail-Version. Bin mir nicht ganz sicher, ob man sich damit nun nen Gefallen getan hat. Wobei es darauf wohl auch nicht ankommt. Das neue LiS wurde als komplettes Spiel veröffentlicht und hat auch keine Bäume ausgerissen.

    Lost Records ist medial unter meinen YouTube Abos heute noch gar nicht relevant aufgetaucht. Klar, Launch-Trailer für verschiedene Plattformen aber in Sachen Reviews nur ein einziges mal bisher. Auf Metacritic ist Lost Records auch noch nicht da. Falls es überhaupt auf die Startseite schaffen wird. Dabei braucht Don't Nod unbedingt die mediale Aufmerksamkeit. Für mich klang das zuletzt alles sehr nach "Do or Die" weil man mit den vorherigen Titeln, die nicht einmal schlecht bewertet waren, aber in eine finanzielle Schieflage geraten ist. Man hat echt Probleme, seine Titel unter die Leute zu bringen und Lost Records wird sich da wohl leider einreihen. Auch, wenn ich mir gerne gegenteiliges wünschen würde.

  5. Na, ich warte erst mal ab. Ich will eine Story erst dann endgültig beurteilen, wenn sie vollständig ist, nicht erst bei der Hälfte.
    Ich schau auch (meistens) Anime erst dann, wenn sie vollständig veröffentlicht wurden.
    Selbst wenn die erste Hälte grandios ist kann sie in der zweiten Hälfte oder vielleicht auch erst auf der Zielgeraden in sich zusammen fallen und eine bittere Note hinterlassen.
    Bevor ich mir das Spiel genauer anschaue, will ich erst wissen, ob die zweite Hälfte auch gut ist. Vorher haben gute Rezensionen der ersten Episode für mich... na ja, nur halb so viel Gewicht.

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