Dynasty Warriors erfreut sich gerade in Japan seit jeher an einem gesunden Publikum. Koeis traditionsreiche Action-Marke brachte seit Startschuss im Jahr 1997 neun Hauptspiele in zig Ausführungen hervor. Darüber hinaus Ableger-Serien und diverse Crossover-Abenteuer mit beliebten Marken wie The Legend of Zelda, One Piece oder Persona.
Im Westen scheiden sich in Bezug auf das sogenannte Musou-Genre allerdings die Geister. Auf der einen Seite gibt es eine übersichtliche Fanbase, die ihre Nische mit großem Enthusiasmus ausfüllt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch jede Menge Spieler, die in den 1-vs.-1000-Keilereien nicht mehr als stumpfe Kloppereien sehen können oder wollen.
Ein Umstand, dessen sich auch Serien-Produzent Tomohiko Sho bewusst ist. Der findet nämlich selbst, dass sich die Hauptserie im Laufe der Jahre von ihren taktischen Wurzeln verabschiedet hat, um stattdessen den Fokus auf brachiale Action zu legen. Ein Fakt, den diverse beinharte Fans bedauern.
Für den neuesten Ableger haben die Experten von Omega Force also in die Hände gespuckt, um Dynasty Warriors quasi neu zu denken. Das selbstbewusste Ergebnis: „Origins“ schmeißt kurzerhand die Nummerierung aus dem Titel; besinnt sich auf die Serienwurzeln; wagt erzählerisch, inszenatorisch wie spielerisch neue Schritte; und macht nicht zuletzt auch technisch einen satten Sprung vorwärts.
Wir hatten die Gelegenheit, ganze vier Stunden mit Dynasty Warriors: Origins zu verbringen. So viel vorweg: Der Titel hat das Zeug zu einem Meilenstein in der Seriengeschichte.
Die Geschichte der Drei Reiche neu aufgerollt
Wie viele Serienteile zuvor, widmet sich auch „Origins“ der Geschichte der Drei Reiche, basierend auf dem gleichnamigen Roman des chinesischen Autors Luo Guanzhong. Wenn es hier nicht gleich klingelt, macht Euch nichts draus. Auch Produzent Sho weiß, dass der Roman aus dem späten 14. Jahrhundert im Westen weitgehend für fragende Gesichter sorgt.
Dem Untertitel entsprechend, beginnt „Origins“ also wieder bei null und lässt Euch erstmals in die Rolle eines namenlosen Protagonisten schlüpfen, der an Amnesie leidet. Die Voraussetzungen könnten also kaum besser sein, um Schritt für Schritt an die Handlung herangeführt zu werden.
Der Titel zeichnet das Bild eines von Korruption und Hungersnöten gebeutelten Chinas der späten Han-Dynastie. In dieser turbulenten Zeit streiten charismatische Offiziere um Macht und Vorherrschaft. Schon bald findet Ihr Euch inmitten dieses Chaos wieder, während Ihr nach Antworten auf Eure eigenen Fragen sucht. In hübsch inszenierten Dialogen und Zwischensequenzen lernt Ihr nach und nach die wichtigsten Akteure der Geschichte kennen und leiht den Verbündeten Eurer Wahl Euer Talent auf dem Schlachtfeld. Das passiert eingangs noch weitgehend geführt – schon bald entscheidet Ihr aber selbst, welche Fraktionen Ihr in den Schlachten der Drei Reiche unterstützen möchtet.
Ihr könnt es Euch schon denken: Dieser Umstand sorgt für zahlreiche Abzweigungen und Ausgänge in Eurem Abenteuer. Wie man uns versichert, soll das aber nicht bedeuten, dass Ihr jedes Mal ganz von vorn beginnen müsst, wenn Ihr einen anderen Pfad anstrebt. Stattdessen sollt Ihr an diversen Schlüsselpunkten erneut einsteigen können, um die weitere Geschichte nach Eurem Belieben zu formen. Sicherlich eine sinnvolle Funktion, gerade für Kriegsherren mit wenig Zeit.
1 vs. 1000
Eure Erinnerungen habt Ihr zwar verloren, nicht aber Eure Fähigkeiten im Kampf. Als versierter Kampfkünstler unterstützt Ihr Eure Lieblingsoffiziere also natürlich vorrangig auf dem Schlachtfeld. Die missionsbasierten Keilereien steuert Ihr auf einer frei begehbaren Weltkarte an. Das können große, für die Handlung relevante Schlachten, oder auch kleinere Scharmützel sein.
Fans der Serie fühlen sich in den groß angelegten Schlachten gleich wohl. Zum Einstieg bekommt Ihr die grundlegende Strategie im Rahmen einer Besprechung nahegelegt. Hier wählt Ihr dann auch einen Unterstützer, der mit Euch in den Kampf zieht. Vor allem passt Ihr aber Eure Waffen und Ausrüstung an, die Ihr im Spielverlauf regelmäßig aufwertet. Ihr wählt aus einem umfangreichen Pool an Kriegswerkzeugen – das können einfache Schwerter, Kampfstäbe, Äxte, eiserne Fäuste und mehr sein. Ihr passt aber auch mitgeführte Edelsteine und Accessoires für praktische passive Effekte und Statusboni an. Das ergänzt die bewährte Formel um ein erfrischend motivierendes RPG-Element.
Stichwort „bewährte Formel“: Im Kampf selbst empfangen Euch dann weitläufige Schauplätze mit jeder Menge Kanonenfutter. Beeindruckend gestaltet sich hier vor allem der technische Sprung, den Dynasty Warriors: Origins ganz klar im Vergleich zu seinen Vorgängern macht. Suggerierten diese nämlich schon immer, dass es um gewaltige Schlachten der Marke 1 vs. 1000 geht, ließen technische Limitierungen seinerzeit allenfalls vereinzelte größere Gegnergruppen zu. Die Gefechte in „Origins“ hingegen begrüßen Euch mit schier unzähligen – verbündeten und feindlichen – Soldaten, die wild umherstürmen, brüllen und sich bekriegen. Die angestrebte Atmosphäre einer wuseligen Schlacht kommt damit so gut auf wie in keinem Ableger zuvor.
Zurück zu den Serienwurzeln?
Wie gesagt: Alte Serien-Hasen fühlen sich im Gedränge der Keilereien gleich wohl. Aber auch Neulinge finden flott ins Spiel, führt Euch „Origins“ doch behutsam an alle Kernmechaniken heran. Im Kampf verlasst Ihr Euch auf einfache und schwere Angriffe und pariert oder weicht eingehenden Angriffen auf Knopfdruck aus. Das reicht in der Regel schon, um sich konsequent durch die Gegnermassen zu prügeln.
In regelmäßigen Abständen bekommt Ihr es aber mit hartnäckigeren Feinden zu tun. Aber auch für diese Fieslinge seid Ihr gewappnet: Im Kampf lädt sich nämlich Euer Mut auf, der dann verheerende Kampfkünste möglich macht. Habt Ihr die Deckung Eures Feindes einmal durchbrochen, könnt Ihr dann zum fiesen Finisher ansetzen. So bewegt Ihr Euch von einem Brandherd zum nächsten, um Stück für Stück das Schlachtfeld für Euch zu gewinnen.
So weit, so bekannt. Produzent Sho betont jedoch, dass man mit „Origins“ wieder mehr Wert auf den taktischen Aspekt der Spielerfahrung legen möchte – ganz so, wie es in frühen Spielen der Serie der Fall war. In den Schlachten soll entsprechend der Einsatz von einfachen und großen Taktiken sowie die Moral Eurer Streitmächte eine entscheidende Rolle spielen. Davon konnten wir uns im Rahmen der Anspielrunde allerdings noch kein allzu klares Bild machen.
Es stand zwar die Möglichkeit zu kleineren Manövern offen, wenn wir von genügend Soldaten aus den eigenen Reihen umgeben waren. So ließen sich Feinde etwa mit einem praktischen Pfeilhagel bombardieren. Außerdem verfügt Ihr über eine Fähigkeit, die das Kampfgeschehen einfriert und die vielen Soldaten auf dem Schlachtfeld entsprechend ihrer Fraktion einfärbt. Das alles ist durchaus praktisch, wirkte aber zumindest in den ersten Kapiteln nicht, als wäre es von elementarer Bedeutung. Das muss natürlich nichts heißen: Gut möglich, dass der Titel Euch im Spielverlauf zu komplexerem Taktikeinsatz ermuntert oder gar zwingt. Das wird aber die Vollversion zeigen müssen.
Dynasty Warriors sinnvoll weitergedacht
Fest steht schon jetzt: Es bereitet großen Spaß, sich in die wuseligen Schlachten zu stürzen. Das liegt zum einen natürlich daran, dass sich das Kampfsystem schön dynamisch und direkt anfühlt.
Zum anderen gestalten sich die RPG-Elemente sehr motivierend. Ihr werdet für jede gewonnene Schlacht mit Punkten belohnt, die Ihr in neue Fertigkeiten investiert. Außerdem steigen Eure vorrangig genutzten Waffen parallel zu Euch in der Stufe auf und eröffnen so mit der Zeit neue Manöver. Stichwort „Waffen“: Die findet und erwerbt Ihr genauso regelmäßig wie sonstige Ausrüstung. Schon in der Anspielrunde stellte sich entsprechend ein toller Spielfluss mit beachtlicher Sogwirkung ein.
Und dann profitiert „Origins“ natürlich – gerade im Vergleich zu seinen Vorgängern – von einer deutlich aufgebohrten audiovisuellen Präsentation. Die Dichte an Figuren auf den Schlachtfeldern habe ich weiter oben bereits angesprochen. Die Liebe zum Detail zieht sich aber auch durch zahlreiche andere Aspekte, seien es die hübschen Lichteffekte, schick präsentierten Zwischensequenzen oder – und vor allem – die treibende Musik in Zusammenspiel mit der üppigen Soundkulisse. „Origins“ lief zudem mit einer bombenfesten Bildrate; dazu sei allerdings gesagt, dass wir den Titel auf einem stabilen Rechner angespielt haben. Ob das dann auch für die Konsolenversionen gilt, wird sich zeigen müssen.
Aber ist Dynasty Warriors: Origins nun etwas für Neulinge? Schwer zu sagen. Der Titel bemüht sich in jedem Fall, interessierte Musou-Debütanten mit offenen Armen zu empfangen – diverse Schwierigkeitsgrade ermöglichen Euch einen sanften Einstieg. Konntet Ihr Euch bis dato aber so gar nicht für die Serie begeistern, könnte es durchaus sein, dass Euch auch „Origins“ nicht abholt.
Ich für meinen Teil war immer eher Fan der Crossover-Titel. Trotzdem hat mich „Origins“ über die gesamte Anspielzeit gefesselt und auf baldigen Nachschub hoffen lassen. Beim Spielen kam mir nicht zuletzt der Vergleich zu Monster Hunter: World in den Sinn, welches Capcoms Serie im Westen bekanntlich großgemacht hat. Vielleicht gelingt Dynasty Warriors: Origins ja ein ähnlicher Meilenstein für die eigene Reihe – ich würde es mir wünschen.
Das Zeug zum Serienhöhepunkt
Vier Stunden mit Dynasty Warriors: Origins beweisen, dass das Team um Tomohiko Sho seit Veröffentlichung des letzten Spiels alles andere als auf der faulen Haut gelegen hat. „Origins“ ist zweifellos ein einschneidender Punkt in der Seriengeschichte des Musou-Klassikers. Das beweist nicht nur der frische Untertitel, sondern sämtliche überarbeiteten Aspekte des Spiels.
Die ikonischen 1-vs.-1000-Schlachten werden ihrem Namen endlich auch audiovisuell gerecht und bieten die bis dato atmosphärischste Musou-Spielerfahrung. Neue RPG-Elemente und eine Rückbesinnung auf die taktischen Serienwurzeln versprechen frischen Wind, wenngleich sich letzterer Aspekt noch mit der Vollversion beweisen muss. Trotzdem: „Origins“ hat das Zeug zum großen Serienhöhepunkt, der dann hoffentlich auch hierzulande ein größeres Publikum für die Marke erschließen kann.
Bildmaterial: Dynasty Warriors: Origins, Koei Tecmo, Omega Force
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