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Das neue PlayStation Plus ist attraktiver als ihr denkt und es ist noch viel Luft nach oben

Sony PlayStation hat das „neue“ PlayStation Plus endlich einigermaßen konkret vorgestellt. Einigermaßen konkret, weil die Liste der Spiele zwar lang ist, aber eigentlich länger sein müsste. Etwa 400 PS4- und PS5-Spiele sowie 340 Spiele-Klassiker hatte man uns zu Beginn versprochen.

Doch der Anfang ist gemacht. Die Meinungen sind gemischt, doch insgesamt dürfte das neue PlayStation Plus attraktiver sein, als es auf den ersten Blick erscheint. Die PlayStation-Plus-Abos stagnierten zuletzt. 47,4 Millionen Abos verkündete Sony zuletzt, das waren sogar 200.000 weniger als vor einem Jahr.

Und trotzdem: In Subscription-Services sehen viele die Zukunft. Die aktuellen Zahlen von NPD untermauern das. Das Unternehmen weist Abo-Services als das einzige Gaming-Segment aus, das im ersten Quartal auf dem US-Markt Zuwächse verzeichnen konnte. Alle anderen Bereiche sanken: Software, Virtual Reality, Hardware, Cloud-Inhalte, Mobile-Inhalte oder Zubehör.

Mit über 47 Millionen Abonnenten hat Sony dennoch eine unglaublich gute Basis und die gilt es nun, zum Abschluss einer höheren Abo-Stufe zu bewegen. Und das könnte durchaus gelingen, denn während das neue PlayStation Plus auch viel Luft nach oben und Platz für Verbesserungen bietet, so scheint es ein durchaus gelungener Anfang zu sein.

Hochkarätige und viele First-Party-Erlebnisse

Das Herzstück der höheren Abo-Stufen sind die vielen PS4- und PS5-Games. Fast alle hochkarätigen First-Party-Games der letzten Jahre sind hier enthalten, das ist schon aller Ehren wert. Death Stranding, Demon’s Souls, Ghost of Tsushima, God of War, Horizon Zero Dawn, Spider-Man: Miles Morales, The Last of Us, Uncharted 4 – es ist das Who’s Who der PlayStation Studios.

Ergänzt wird das Line-up von etlichen Spielen von Drittanbietern, gestützt vor allem durch ein Mega-Line-up von Ubisoft. Der französische Publisher steuert mit Ubisoft+, das in den Stufen Extra und Premium inklusive ist, gleich zum Start 27 weitere Games bei. Insgesamt 50 sollen es noch bis Jahresende werden.

Ich wollte Vergleiche eigentlich meiden, aber PlayStation Plus hat hier ein extrem starkes Line-up, das dem Xbox Game Pass nur in einem Punkt nachsteht: Aktualität. In Sachen Quantität liegt PlayStation Plus sogar vorne, in Sachen Qualität wohl auch, auch wenn man hier natürlich vortrefflich streiten kann. Abonnenten bekommen bei PlayStation Plus aber auch Einzelspieler-Abenteuer im Gesamtpaket, wohingegen beim Game Pass hier und da noch versucht wird, auch First-Party-Games zu monetarisieren. Kein Vorwurf – aber ein Fakt. Die Ergänzung um Ubisoft+ ist mit den Bethesda-Games vergleichbar. Dickes Ding.

Nicht vergessen darf man nämlich auch den Preispunkt. Alles Vorgenannte gibt es für 99,99 Euro im Jahr mit der Extra-Stufe. Das ist in etwa der UVP-Preis einer neuen Digital Deluxe Edition eines einzigen AAA-Spiels. Wer nochmal 20 Euro mehr hinlegen möchte, der ist fortan Premium-Kunde von PlayStation Plus.

Dafür gibt es dann noch die Spiele-Klassiker, deren Line-up mit Spannung erwartet wurde. 340 zusätzliche Games soll das bedeuten, darunter PSone-Klassiker, PS2- und PSP-Spiele und PS3-Games. Von den PlayStation Studios gehören als PSone- und PSP-Games zu Beginn Ape Escape, Syphon Filter oder Super Stardust Portable dazu. Drittanbieter steuern Mr. Driller, Tekken 2 und Worms-Spiele bei.

Es ist Luft nach oben

Die Spiele-Klassiker zeigen dann auch die ersten Schwächen der neuen Abo-Stufen. Zunächst mal liegt die in der Kommunikation. Ich verstehe, dass man die Leute nicht mit seitenlangen Listen überfordern will. Aber wenn man zum Start mehr Klassiker zu bieten hat, dann hätte man das durchaus schon jetzt auf einer Unterseite kommunizieren können. Ich bin nicht überrascht, dass das (erste) Klassiker-Line-up einige enttäuscht zurücklässt.

Dass Sony endlich PlayStation Now und PlayStation Plus verschmilzt, ist natürlich zu begrüßen. Dass PS3-Games immer noch nur per Cloud-Gaming realisiert werden, ist aber ein bisschen enttäuschend. Dafür überrascht Sony mit einer anderen Ankündigung, die nur am Rande wahrgenommen wird:

Spieler, die bereits ausgewählte digitale Versionen von Spielen der ersten PlayStation- und PSP-Generation erworben haben, müssen keine separaten Käufe tätigen oder sich bei PlayStation Plus anmelden, um diese Titel auf PS4 oder PS5 spielen zu können. Wenn diese Titel für PS4 und PS5 veröffentlicht werden, können Spieler im PlayStation Store eine Version für die jeweilige Konsole ohne zusätzliche Kosten herunterladen, wenn sie bereits ausgewählte digitale Versionen des Titels besitzen. Einige der Titel werden auch zum Einzelkauf verfügbar sein.

In einer Kampagne, die eigentlich PlayStation-Plus-Abos verkaufen soll, sagt man euch, dass ihr für bestimmte Dinge gar kein PS-Plus-Abo benötigt. „Ausgewählte“ Klassiker der PSone- und PSP-Generationen werden auch außerhalb von PlayStation Plus auf PS4 und PS5 verfügbar sein. Wer die Spiele bereits digital gekauft hat, kann sie sogar ohne zusätzliche Kosten erneut herunterladen. Obendrein werden „einige“ Titel zum Einzelkauf verfügbar sein. Sony wird also einen Teil – ich würde nicht darauf wetten, dass es die Mehrheit ist – der Klassiker auch ohne Abo-Bezahlschranke anbieten. Das ist eine gute Nachricht, es ist fair und es ist ein großer Unterschied zu Nintendo Switch Online.

Es fehlen: bunte Indies

Aber eigentlich waren wir ja bei den Schwachpunkten des Service, also zurück dazu. Eine bunte Indie-Auswahl sucht man bei PlayStation Plus vergebens. Dafür ist der Xbox Game Pass inzwischen bekannt und ein Großteil der Indies schafft es dort auch an Tag eins rein. Das kostet Xbox vermutlich kumuliert auch eine Menge Geld. Sony PlayStation verzichtet (wohl auch deshalb) darauf. Man vertraut auf das große First-Party-Line-up, Ubisoft+ und ausgewählte Drittanbieterspiele.

Ein bisschen Kritik muss man sich wohl auch für die Komplexität der Modelle gefallen lassen. Drei Stufen, eine weitere „Deluxe“-Stufe, von der die meisten wahrscheinlich nicht wissen, warum es sie gibt, und etliche Plattformen, mal Download, mal Streaming. Wo ist Ubisoft+ nun dabei? Wenn es Infografiken gibt, gibt es in der Regel auch Bedarf an Infografiken. Das ist eigentlich keine Auszeichnung.

Die auf den ersten Blick valide Kritik, dass einige doch schon alle diese Games gekauft hätten, ist am Ende ein persönliches Unglück, aber nicht relevant für den Erfolg von PlayStation Plus. Es dürften insgesamt Ausnahmefälle sein und mal ehrlich. Was hätte Sony diesen Fans denn sonst bieten können? Spiele, die es noch nicht gibt?

Neben der langen Liste an noch nicht bekannten Games ist die zweite große Unbekannte vor allem, wann die großen First-Party-Titel in der Folge ins Line-up kommen. Gran Turismo 7 und Horizon Forbidden West werden hier die Gradmesser sein und ich würde nicht darauf wetten, dass sie in den nächsten Monaten folgen. Sony hat mehr als einmal deutlich gemacht, dass First-Party-Games ihr Geld als Vollpreisspiele wieder einfahren müssen und das mit einem Abo-Modell nicht vereinbar sei. Nach kurzem Überfliegen sind Ghost of Tsushima (Juli 2020) und Spider-Man: Miles Morales (November 2020) die jüngsten First-Party-Games der Liste. Unter einem Jahr wird da wohl nichts gehen.

Andere Schwerpunkte, anderer Service

Insgesamt scheint das neue PlayStation Plus auf den ersten Blick weniger konsequent als der Xbox Game Pass, aber das Modell setzt einfach andere Schwerpunkte. Ein „Netflix für Videospiele“ hält Sony PlayStation nicht für wirtschaftlich und in der Konsequenz setzt man auf bereits verfügbare Spiele und nicht auf neue. Und Sony PlayStation hat inzwischen eine großartige Bibliothek an bereits verfügbaren und alten Spielen. Das neue PlayStation Plus ist keine Konkurrenz für den Game Pass, weil es auch keine Konkurrenz sein möchte. Muss es auch nicht, weil beide Modelle auf unterschiedlichen Plattformen laufen, wenn wir mal bei den Konsolen bleiben.

Die Washington Post weiß, dass das Start-Angebot an Games trotzdem größer ist als es jenes des Xbox Game Pass bei seinem Debüt im Jahr 2017 war. Auch wenn die Listen (unglücklicherweise) noch nicht vollständig sind, so sind sie doch schon prall gefüllt. Und unter Abwägung des Preises eines Jahresabos dürfte sich wohl doch der ein oder andere gewogen fühlen, hier aufzustufen. Dass trotzdem noch so viel Platz für Verbesserungen ist, macht allen anderen Hoffnung.

Bildmaterial: God of War, Sony