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Im Test! Haven

TitelHaven
Japan3. Dezember 2020 / 4. Februar 2021 (nur PS4 und Nintendo Switch)
The Game Bakers
Nordamerika3. Dezember 2020 / 4. Februar 2021 (nur PS4 und Nintendo Switch)
The Game Bakers
Europa3. Dezember 2020 / 4. Februar 2021 (nur PS4 und Nintendo Switch)
The Game Bakers
System
Nintendo Switch, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series, PC
Getestet fürPlayStation 4
EntwicklerThe Game Bakers
GenresIndie-Adventure
Texte
Deutschland Nordamerika Japan
VertonungNordamerika

Das französische Entwicklerstudio The Game Bakers hat sich bei Indie-Fans mit „Furi“ bereits einen Namen gemacht. Statt knallharter Boss-Rush-Action gibt es mit „Haven“ jetzt aber ein gemütliches und romantisches Abenteuer im Weltraum, das vor allem auf die Chemie zwischen den Hauptcharakteren Yu und Kay setzt. Ob es den EntwicklerInnen gelungen ist, deren Beziehung authentisch darzustellen und das gleichzeitig mit gutem Gameplay zu unterlegen, erfahrt ihr in unserem Test.

Flitterwochen auf der Flucht

Die beiden jungen Erwachsenen Yu und Kay fliehen von ihrem Heimatplaneten, um einer Zwangsheirat mit anderen PartnerInnen zu entgehen. Auf dem weit entfernten und unbesiedelten Planeten Source versuchen die beiden nun, ihr Glück auf eigene Faust zu finden. In ihrem Raumschiff, dem Nest, das kurz nach der Landung einen Totalschaden erleidet, verleben die beiden einen ungewohnten Alltag, in dem sie ganz auf sich allein gestellt sind. Obwohl Source zunächst wie eine Idylle wirkt, bringt der unbekannte Ort doch einige Probleme mit sich. Und auch die Verantwortlichen ihres Heimatplaneten haben noch ein Wörtchen mit den beiden zu reden.

Haven von The Game Bakers

Die Geschichte um Yu und Kay entfaltet sich nach und nach und nimmt sich Zeit, um Einzelheiten in den Dialogen aufzudecken. Weil auf ihrem Heimatplaneten eine Dystopie herrscht, spielt Gesellschaftskritik eine nicht unwesentliche Rolle. Glücklicherweise gelingt es den EntwicklerInnen, diese nachvollziehbar und reflektiert zu vermitteln. Dabei spielen insbesondere Themen wie Partnersuche, Liebe und Freiheit eine Rolle, aber auch die Ausbeutung der Natur und der „Wert“ des Individuums für die Gesellschaft wird angeschnitten.

Grundsätzlich erzählt „Haven“ eine gute und durchaus spannende Geschichte. Getragen werden die Ereignisse aber besonders von Yu und Kay. Deren Beziehung ist nämlich das Herzstück des Spiels. Wer ausschließlich rosaroten Romantik-Überdruss befürchtet, liegt jedoch falsch. Natürlich hat „Haven“ seine schnulzigen Momente, in denen sich die Turteltäubchen in den Armen liegen oder verträumt die Sterne beobachten und „Ich liebe dich“ flüstern. Es geht aber auch viel um den Beziehungsalltag der beiden. Haare im Abfluss, Sex (nach dem das dauergeile Duo dauernd dürstet und welches damit schmerzlich an den isolierten Lockdown-Lifestyle erinnert) oder gemeinsames Kochen: „Haven“ schafft es, eine authentische Beziehung darzustellen, in der auch mal gestritten oder einen über den Durst getrunken wird.

»Getragen werden die Ereignisse aber besonders von Yu und Kay. Deren Beziehung ist nämlich das Herzstück des Spiels.«

Dies funktioniert vor allem, weil Yu und Kay eine Beziehung führen, bei der die rosarote Brille nicht unter dem Schuhabsatz des Langzeitalltags zerbricht, sondern höchstens ein paar Sprünge bekommt. Damit ist das Indie-Abenteuer vielen Spielen einen Schritt voraus: Die Charaktere sind keine Plot-Werkzeuge und ihre Interaktion beschränkt sich auch nicht darauf, sich während des Kämpfens Befehle zuzugrunzen. Stattdessen erleben SpielerInnen ihre intimen Momente hautnah und können diese auch wegen der authentischen und hervorragend geschriebenen Dialoge genießen.

Interplanetares Staubsaugen

Da es sich bei der Story beziehungsweise den Charakteren um den mit Abstand stärksten Teil von „Haven“ handelt, fällt der Rest des Spiels im Vergleich unglücklicherweise ab. Sowohl das Erkunden als auch das Kampfsystem leiden unter mangelnder Komplexität und balancieren auf der Grenze zwischen Entspannung und Langeweile.

Um Source besser kennenzulernen, machen sich die beiden natürlich auf, die Flora und Fauna des Planeten in Augenschein zu nehmen. Schnell stoßen sie dabei auf eine verschmutzende Substanz, die sie „Rost“ betiteln. Weil der dunkelrote Glibber die Tiere von Source anscheinend aggressiv und angriffslustig werden lässt, wollen Yu und Kay den Rost schnellstmöglich entfernen und die davon befallenen Kreaturen wieder freundlich werden lassen. Damit wäre dann auch der Haupt-Gameplay-Loop etabliert: das Erkunden der Planeten per Antigravitations-Stiefel und das Kämpfen und Beruhigen der kecken Krabbler. Zum Glück müsst ihr dank eurer Stiefel aber keine Wander-Affinität mitbringen: Stattdessen gleitet ihr mithilfe der Energie „Flut“ über Täler und Hügel und entfernt durch den Flutausstoß eurer Stiefel auch gleich den überall verteilten Rost. Die daraus resultierenden Rostkristalle könnt ihr wiederum für die Reparatur eures Raumschiffes benutzen oder daraus nützliche Items generieren.

Allerdings handelt es sich bei Flut um eine endliche Ressource: Damit euch unterwegs nicht der Sprit ausgeht, müsst ihr ab und an auf sogenannten Flutlinien gleiten, die es euch auch ermöglichen, an höhergelegene Orte zu gelangen. Die Steuerung beim Gleiten ist zunächst etwas hakelig, sobald ihr euch das Driften angeeignet habt, funktioniert das Säubern des Planeten aber größtenteils reibungslos. Auch wenn das Reinigen des Rosts zwar stumpfes Hin- und Herfliegen ist und irgendwann repetitiv wird, ist es dafür so befriedigend wie eines dieser Werbevideos, bei dem verdreckte Textilien durch einen Staubsauger wieder in glänzendem Weiß erstrahlen. An dieser Stelle noch eine Warnung an SpielerInnen, die schnell unter Motion Sickness leiden: Die Kamera beim Gleiten spielt gerne mal verrückt und hat einige blitzartige Wendungen drauf. Besonders bei einer Kehrtwende kommen die Augen kaum mit.

Vier Fäuste für den Weltraumfrieden

Wenn Yu und Kay nicht gerade als Putzkolonne Planetenreinigung betreiben, prügeln sie sich mit den wildgewordenen Weltraumviechern, um diese wieder zur Besinnung zu streicheln. Während eines Kampfes steuert ihr die beiden gleichzeitig: Yu bedient sich der einen Controller-Hälfte, während Kay Befehle durch die andere erhält. Komplexität wird hier leider vergeblich gesucht. Beide haben dabei die gleichen vier Optionen: Zum einen kann ein Schild beschworen werden, der auch den jeweils anderen schützt. Zum anderen kann ein Energieball verschossen oder physisch draufgehauen werden. Ist die Lebensleiste leer, kann das grantige Getier beruhigt werden und ist dann bereit, Streicheleinheiten entgegenzunehmen.

Auch wenn das gleichzeitige Steuern in Sachen Augen-Hand-Koordination einiges abverlangt, so laufen die Kämpfe doch stets nach dem gleichen System ab: Einer blockt, der andere attackiert. Je nach Gegnerart sind entweder der Energieball oder ein physischer Angriff effektiv, herauszufinden ist das nur durchs Ausprobieren. Gerade weil einige Gegner aber eine Sonderbehandlung brauchen, bei der es gilt, bestimmte Angriffe abzuwarten, ist es umso verwunderlicher, dass das Kampfsystem nicht erklärt wird. Stattdessen gibt es am Anfang ein unnötig langes Tutorial zur Steuerung der Fortbewegung.

»Wenn Yu und Kay nicht gerade als Putzkolonne Planetenreinigung betreiben, prügeln sie sich mit den wildgewordenen Weltraumviechern, um diese wieder zur Besinnung zu streicheln.«

Da Yu und Kay auf einem unbesiedelten Planeten gelandet sind, müssen sie sich natürlich selbst versorgen. Daher heißt es, Kandisbeeren und Boba-Nüsse zu sammeln, um den Hunger zu stillen und Wunden zu versorgen. Neben der Regeneration von Lebenspunkten steigern die selbstgekochten Gerichte auch das Beziehungslevel. Ist die entsprechende Leiste voll, muss dies gefeiert werden. Dafür interagiert ihr mit dem selbst hergestellten Kandisbräu neben dem Kühlschrank und lasst die Gläser klingen, wodurch die Statuswerte des Pärchens verbessert werden. Tiefgang sollte man in Sachen Rollenspiel-Elementen aber nicht erwarten: Andere Optionen außer mehr Schaden oder mehr Lebenspunkte gibt es beim Aufsteigen kaum und selbst auswählen, was sich erhöht, könnt ihr auch nicht.

Cel-Shading-Optik und ein gefährlicher Soundtrack

Insgesamt kommt „Haven“ in einer gelungenen, wenn auch nicht herausragenden Cel-Shading-Optik daher. Vor allem Yu hat in ihrer Erscheinung nicht unwesentliche Ähnlichkeit zu Kat aus Gravity Rush, die allgemeine Grafik ist aber deutlich detailärmer. Gerade weil auf Source bis auf ein paar Kreaturen und Pflanzen nicht viel los ist, gibt es nicht besonders viel zu sehen. Grundsätzlich sieht aber alles grundsolide aus und die Lichteffekte verleihen durchaus eine schöne Atmosphäre. Besonders hervorzuheben sind dafür die 2D-Charaktermodelle von Yu und Kay. Die sehen nicht nur toll aus, sondern schaffen es durch die Vielzahl an unterschiedlichen Gesichtsausdrücken auch sehr gut, die Gefühle der jeweiligen Figur darzustellen.

Nachdem er bei Furi bereits einige Songs beigesteuert hat, war der französische Musiker Danger bei „Haven“ für den gesamten Soundtrack zuständig und hat sich vom vorherigen Spiel der EntwicklerInnen nochmal um einiges gesteigert. „Haven“ besitzt einen insgesamt sehr froh gestimmten und entspannten Sound, der die Atmosphäre unterstreicht und Raum für die Beziehung der beiden Hauptcharaktere lässt. Egal ob im Nest oder beim Gleiten über den Planeten: Die elektronischen Synthwave-Klänge, die sich mit Genres wie Vaporwave und Funk verbinden, erzeugen beinahe eine hypnotische Wirkung, die es SpielerInnen leicht macht, sich zurückzulehnen. Auch die Freiheit, die ein zentrales Thema der Geschichte ist, wird durch den Soundtrack von Danger musikalisch vermittelt.

»Die elektronischen Synthwave-Klänge, die sich mit Genres wie Vaporwave und Funk verbinden, erzeugen beinahe eine hypnotische Wirkung, die es SpielerInnen leicht macht, sich zurückzulehnen.«

Zum Abschluss hat noch die Synchronisation ein dickes Lob verdient. Die SprecherInnen geben sich sichtlich Mühe, die Emotionen von Yu und Kay überzeugend rüberzubringen. Egal ob Wut oder Glück, egal ob beim Essen oder unter der Dusche: Die authentische Synchronisation trägt viel dazu bei, dass die Charaktere so lebensecht und nachvollziehbar wirken. Weil sich die EntwicklerInnen außerdem die Mühe gemacht haben, Yu und Kay unter der Dusche oder am Funkgerät anders klingen zu lassen, macht die Detailverliebtheit beim Ton die eher detailarme Optik allemal wett.

Von Koop, Ladezeiten und einem wunderschönen Intro

„Haven“ wirbt unter anderem mit seinem Koop-Modus, bei dem SpielerInnen das Spiel gemeinsam mit der besseren Hälfte erleben können. Das Abstimmen beim Kämpfen und das Betreiben der Konversationen zwischen Yu und Kay bieten auf den ersten Blick zumindest eine solide Grundlage. Das Gleiten durch die Spielwelt macht zu zweit aber nur mäßig Spaß: Es kann sich nämlich nur einer der SpielerInnen frei bewegen. Der jeweils andere Charakter fliegt stumpf hinterher, kann aber immerhin mit dem rechten Stick ein bisschen Staubsauger spielen.

Etwas immersionsbrechend sind außerdem die doch happigen und oft auftretenden Ladezeiten. Zwischen 20 und 30 Sekunden müsst ihr beim Betreten und Verlassen des Nests beziehungsweise bei jedem Ortswechsel auf Source warten. Da das Planetenhopping und Aufsuchen des kuscheligen Raumschiffs integrale Bestandteile des Spiels sind, machen sich Ladebildschirme schnell bemerkbar. Die dort abgebildeten Bilder von Yu und Kay sind zwar süß, aber nach dem zehnten Mal ist der Griff zum Handy dann eben doch vorprogrammiert und dies reißt aus der Immersion.

Abschließend noch ein besonderes Lob zum Intro des Spiels. Der einem Musikvideo gleichende Vorspann kann nicht nur durch den poppigen Song von Danger, sondern vor allem aufgrund seiner tollen Visuals begeistern. Wie mit Wasserfarben gemalt, bewegen sich Yu und Kay über den Bildschirm, vereinigen und spalten sich wieder. Obwohl Animation und Stil sich grundlegend vom eigentlich Spiel unterscheiden, passt das harmonische Intro wie die Faust aufs Auge. Solche künstlerischen „Experimente“ sollte es eindeutig öfter geben.

Source: Immer eine Reise wert. Oder?

„Haven“ ist ein entspanntes Spiel zum Runterkommen und lässt sich mit seinen circa 10 bis 15 Stunden Spielzeit perfekt zwischen zwei größere Titel einschieben. Die berührende Geschichte von Yu und Kay bedient sich Thematiken wie Partnersuche und Freiheit und vermittelt diese nachvollziehbar und nicht überzogen. Sowieso ist die größte Stärke des Spiels die authentische Liebesbeziehung der Hauptcharaktere, die durch witzige und hervorragend geschriebene Dialoge die emotionale Seite weckt, ohne ein rein romantisiertes Bild zu zeichnen. Der Fokus liegt zwar auf dem Beziehungsalltag, dennoch langweilen die Interaktionen von Yu und Kay an keiner Stelle.

 

Leider fußen die gute Story und die exzellenten Charaktere auf einem sehr seichten Gameplaygerüst. Das Erkunden des Planeten und Beseitigen des Rosts ist repetitiv und aufgrund mangelnder Spieltiefe langweilen auch die Kämpfe früher oder später. Durch lange Ladezeiten beim Bewegen zwischen den Planetenteilen und dem Nest leidet außerdem ein wenig die Immersion. Das Ganze ist in eine nette, wenn auch nicht herausragende Cel-Shading-Optik gehüllt, die 2D-Charaktermodelle stechen aber eindeutig heraus. Außerdem kann der Synthwave-Soundtrack des französischen Musikers Danger klar begeistern, weil er für eine durchweg stimmige und entspannende Atmosphäre sorgt. „Haven“ ist demnach ein ruhiges Abenteuer für all diejenigen, die sich nach authentischen Charakteren sowie einer guten Liebesgeschichte in Zeiten eines isolierenden Lockdowns sehnen und über die Eintönigkeit und fehlende Komplexität beim Gameplay hinwegsehen können.

Story

Berührende Geschichte mit nachvollziehbaren Charakteren und einer authentischen Darstellung von Beziehungen.

Gameplay

Eher ein seichtes, wenig komplexes Gameplaygerüst.

Grafik

Solide, nicht herausragende Cel-Shading-Optik; 2D-Sprites der Charaktere sind äußerst gelungen.

Sound

Tiefenentspannter Synthwave-Soundtrack vom französischen Künstler Danger.

Sonstiges

Leider recht lange und häufige Ladezeiten.

Bildmaterial: Haven, The Game Bakers