Die Erwartungen an eine Nintendo Direct sind eigentlich grundsätzlich zu hoch. Es ist eine Erwartungshaltung, die Nintendo selbst geweckt hat und auf die man eigentlich stolz sein kann. Man hat das Format, an dem sich inzwischen die ganze Branche orientiert, geformt und geprägt. Man erfüllt die hohen Erwartungen nicht immer, aber am 18. Juni 2024 war es mal wieder soweit.
Wir stellen die Uhr erst einmal zurück. Februar 2023. Pikmin 4 und Zelda: Tears of the Kingdom mussten als die letzten Nintendo-Highlights der sterbenden Konsole gelten. Dass da noch viel kommt außer aufgemöbelte Legacy-Games, um die Wartezeit auf einen Switch-Nachfolger zu verkürzen, konnte eigentlich kaum jemand glauben.
Gerade war die Februar-Direct 2023 über die Bühne gegangen und Nintendo-Fans mussten sich mit dem Ausblick auf Remaster zu Baiten Kaitos und Ghost Trick über Wasser halten. „Füllmaterial“ und „eine Frechheit“ nannte man das damals in einer Kolumne bei der PC Games. Zuvor war auch das Weihnachtsgeschäft 2022 schon wenig aufregend. Das Jahresend-Line-up von Nintendo war Bayonetta 3 – das am 28. Oktober erschienen ist. Den Rest hatte mal wieder Pokémon besorgt. „Das verflixte siebte Jahr“, so titelte damals ein Meinungstext vom Autor. Die Switch schon am Ende?
Nicht so schnell!
Heute, im Juni 2024 sieht die Sache ganz anders aus. Nur mal zur Erinnerung: Seit Februar 2023 enthüllte und veröffentlichte (!) Nintendo in der Folge Super Mario Bros. Wonder, Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück, die Remakes zu Super Mario RPG und Mario vs. Donkey Kong, Endless Ocean: Luminous, ein Remaster zu Paper Mario, das neue WarioWare: Move It oder solche Überraschungen wie Princess Peach: Showtime und Another Code: Recollection. Luigi’s Mansion 2 HD und Nintendo World Championships: NES Edition kommen noch.
Na klar, abseits von Super Mario Bros. Wonder blieben die ganz großen First-Party-Kracher aus, aber damit war auch kaum noch rechnen, nachdem der Switch-Nachfolger gefühlt in den Startlöchern steht. Gewiss konnte man nun aber doch sagen: Nintendo lässt seine Fans nicht hängen. Jetzt jedoch wurde die Liste am 18. Juni 2024 bunter und länger in einer Form und Vielfalt, wie es wohl Nintendo-Fans nicht für möglich gehalten hätten. Und zwar eben nicht (nur) um schnöde Remaster.
Statt einem Remaster zu Wind Waker oder Twilight Princess gibt es mit Zelda: Echoes of Wisdom ein brandneues Zelda-Abenteuer. Statt noch einem Metroid-Remaster gab es endlich die Enthüllung von Metroid Prime 4: Beyond. Wer gedacht hatte, Nintendo hätte mit Super Mario Bros. Wonder wohl alle Mario-Ideen verschossen und würde nach Super Mario RPG und Paper Mario höchstens die nächste Neuauflage anschließen lassen, sieht sich mit einem brandneuen Mario & Luigi konfrontiert.
Mit 34 Millionen verkauften Mario-Party-Spielen auf der Switch (mit Super Mario Party und Mario Party Superstars) ist das Ende der Party-Fahnenstange erstmal erreicht? Wer das glaubte, sah sich auch eines Besseren belehrt: Mit Super Mario Party Jamboree möchte Nintendo mal eben noch das größte Mario Party aller Zeiten auf der alternden Switch abliefern. Klar, ganz ohne Remaster geht es dann doch nicht. Gegen Donkey Kong Country Returns HD gibt es aber wohl nichts vorzubringen.
Ein rundum stimmiges Paket
Dazu holte man sich diverse Games und Überraschungen von Partnern, die gut zur Switch passen, in die Show. Die HD2D-Remakes zu Dragon Quest, Farmagia von Marvelous und Fairy-Tail-Mangaka Hiro Mashima oder Fantasian Neo Dimension, das endlich aus seinem Apple-Arcade-Gefängnis befreit wird. Gewürzt mit ein bisschen Fan-Service in Form von Marvel vs. Capcom Fighting Collection oder neuen Games wie Perfect Dark für Nintendo Switch Online. Ein rundum stimmiges Paket, das im Anschluss zurecht in den sozialen Medien abgefeiert wurde.
Nintendo gibt nicht nur seinen Hardcore-Fans, sondern auch vielen Gelegenheitsspielern der 140 Millionen Geräte starken Hardware-Basis ein gutes Gefühl zum Abschluss einer spannenden und nach dem Flop der Wii U unerwartet starken Hardware-Generation. Wer sein Pulver so „großzügig“ auf den letzten Switch-Metern verschießt, muss sich ziemlich gut vorbereitet sehen für den Switch-Nachfolger.
Zurück bleibt somit der Eindruck eines starken und selbstbewussten Nintendo, dem offenbar all die Studioschließungen, Entlassungswellen und Skandale der Videospielbranche nichts anhaben können und das „sein Ding“ durchzieht und sich um seine Fans kümmert. Und auch wenn mal nicht alles rund läuft, wie ganz sicher mit Metroid Prime 4, so löst man am Ende die Versprechen doch noch ein. Das ist nicht die schlechteste Erinnerung für den Start in eine neue Konsolengeneration.
Und diesen Start gibt es gewiss, es ist nur eine Frage der Zeit. Wie der Switch-Nachfolger aussieht, ist heute noch vollkommen unklar. Evolution oder Revolution? Es sieht nach Evolution aus, wobei sich Argumente für beide Seiten finden lassen. Warum Nintendo doch bitte einfach nur eine „Switch 2“ machen sollte, darüber schrieb der Autor hier. Und warum Nintendo bloß nicht die Innovationsbremse einlegen sollte, darum ging es hier.
Bildmaterial: Ace Attorney Investigations Collection, Capcom