Wir erinnern uns: Im Vorfeld der Veröffentlichung von Final Fantasy XVI bewarben Produzent Naoki Yoshida und sein Team das Spiel im Zuge verschiedener Medientouren. Im Februar wurde Yoshida dann mit der Frage konfrontiert, ob sich JRPGs nicht genauso wie Actionspiele weiterentwickelt hätten.
Eine harmlose Frage könnte man meinen. Yoshida nutzte die Gelegenheit aber, um seine Empfindung des Begriffs JRPG – und auch die vieler seiner KollegInnen – zu Wort zu bringen. Der Produzent ist nämlich kein großer Fan der Begrifflichkeit.
Yoshida nach, handle es sich bei „JRPG“ um einen Begriff, der lediglich zur Unterscheidung und Abgrenzung diene und der ausschließlich von westlichen Medien und nicht von SpielerInnen oder MedienvertreterInnen in Japan verwendet würde. „Es hängt davon ab, wen Sie fragen“, erklärte er seinerzeit: „Aber als der Begriff vor 15 Jahren zum ersten Mal auftauchte, empfanden wir EntwicklerInnen ihn als diskriminierenden Begriff.“
In einem kürzlichen Interview bat VGC nun ein weiteres Branchen-Schwergewicht zu Wort – PlatinumGames‘ Hideki Kamiya. Sie fragten ihn, wie er zu Yoshidas Ansicht stünde. Soviel vorweg: Kamiya sieht das alles ein wenig anders.
Unterschiedliche kreative Geschmäcker
„Ich habe dazu viel zu sagen“, erklärt Kamiya im Interview. „Um es zunächst einmal klarzustellen: Ich bin positiv eingestellt, wenn es um den Begriff ‚JRPG‘ geht. Tatsächlich denke ich, dass es etwas ist, worauf wir stolz sein sollten.“
Er führt weiter aus: „In meinem bisherigen kreativen Leben gab es zwei Dinge, die einen großen Eindruck bei mir hinterlassen haben und an die ich noch heute denke. Das erste davon war ein Lokalisierungsproblem beim Manga von Fist of the North Star.“
Kamiya erklärt, dass es in der ersten Ausgabe des Mangas eine Szene gab, in der eine Gruppe von Bikern auf der Spitze eines Hügels lauert und ein Dorf überblickt.
Im Hintergrund verwendet der Manga ein lautmalerisches „Dodododododo“-Geräusch, um den Druck der Szene darzustellen, und obwohl es kein wirklich hörbares Geräusch war, wurde es verwendet, um Spannung zu erzeugen. In der lokalisierten Version wurde dieser Sound jedoch geändert, um das wörtliche „Vroooooom“ der Motorräder zu ermöglichen, was laut Kamiya nicht der Absicht des ursprünglichen Künstlers entsprach.
„Die Verwendung von Sprache, um eine einzigartige Atmosphäre wie diese auszudrücken, ist in gewisser Weise etwas, das für den kreativen Geschmack Japans ziemlich einzigartig ist“, erklärte Kamiya. „Es ist etwas, das man in anderen Kulturen nicht so gut ausdrücken kann, wenn man es aus der Lokalisierungsperspektive betrachtet.“
Bayonetta statt God of War
Kamiya vergleicht dann God of War mit Bayonetta. „Wenn man sich God of War anschaut, hat man Kratos“, erklärt er. „Er ist muskulös, er ist riesig, er hat eine Glatze, er sieht im Grunde wirklich umwerfend aus. Also dachten wir: ‚Okay, wir haben Spiele wie dieses, die weltweit immer beliebter werden. Könnten wir aus japanischer Sicht etwas Ähnliches schaffen?’“
Er führt aus: „Wir haben das intern besprochen und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir das natürlich nicht können, denn das ist etwas, das nicht nur für uns als japanische Schöpfer gilt. Um also ein herausragendes Actionspiel zu machen, mussten wir etwas schaffen, das unsere einzigartigen Sensibilitäten als japanische EntwicklerInnen zum Ausdruck bringt, und Bayonetta war das Ergebnis.“
„Wenn man sich Bayonetta als Charakter ansieht, sieht sie nicht so stark aus wie Kratos – sie sieht nicht so aus, als könnte sie es mit diesen riesigen Dämonen aufnehmen. Aber sie war in der Art und Weise, wie sie erschaffen wurde, wie wir sie sehen, eine sehr einzigartige Actionspiel-Heldin aus einem einzigartigen japanischen Blickwinkel.“
J-Action? Kamiya wäre stolz
Kamiya kommt zum Schluss: „Wenn es also um den Begriff ‚JRPG‘ geht, dann ist das etwas, was damit zusammenhängt – das sind RPG-Spiele, die in gewisser Weise nur japanische EntwicklerInnen mit ihrer einzigartigen Sensibilität machen können, wenn es darum geht, diese Erlebnisse zu schaffen.“
Und weiter: „Ich denke, es ist auf jeden Fall etwas, das in Zukunft gefeiert werden sollte, und jemand sollte tatsächlich darauf abzielen, ein ‚King of JRPGs‘-Spiel zu entwickeln, um dies zum Ausdruck zu bringen. Als japanische SpieleentwicklerInnen sind wir sehr stolz auf den eigentlichen Begriff JRPG.“
VGC nutzt die Chance, Kamiya danach zu fragen, ob er denn beleidigt wäre, würden die Leute anfangen, den Begriff „J-Action“ zu verwenden, um Spiele wie Bayonetta zu beschreiben. Seine Antwort:
„Im Gegenteil – ich wäre sehr stolz, wenn Sie diesen Begriff verwenden würden. Es ist fokussierter als das breite Action-Genre und hebt die einzigartigen Elemente hervor, die nur japanische EntwicklerInnen schaffen können. Also ja, wenn Sie das tun wollten, dann machen Sie es, wir wären mehr als alles andere stolz.“

Wenn ich das so lese, sehe ich eindeutig einen Unterschied in den Interessen. Natürlich ist jeder Spiele-Entwickler darauf bedacht, mit seinen Werken Gewinn zu machen, jedoch zeigen uns die Aussagen von Kamiya-san, dass man nie seine Wurzeln vergessen sollte. Darüberhinaus auch noch Stolz darauf zu sein, ist natürlich noch einmal eine ganz andere Sache.
Auch wenn die ursprüngliche Abgrenzung durch das "J" eine etwas andere Bedeutung hatte, sollte man doch gerade heutzutage, wo es immer schwieriger ist, bestimmte Abgrenzungen zu erkennen, darauf achten, dass ein JRPG ein solches bleibt. Ich finde ehrlich gesagt auch die Idee von J-Action nicht verkehrt, eben weil die generellen Unterschiede doch sehr groß sind.
Dass man im Hause Square Enix sich lieber der "Verwestlichung" hingibt und sich dann noch versucht rauszureden, wenn es Kritiken hagelt, dass Final Fantasy kein JRPG mehr ist, zeigt doch nur, dass diesem Entwickler eigentlich nicht mehr zu helfen ist. Wenn Gewinn über allem steht und man dafür klassische, mit einem bestimmten Genre verbundene, Serien vergewaltigt, um etwas ganz anderes daraus zu machen, in der Erwartung, dass die Leute es schon wegen des Titels kaufen werden, ist doch irgendwas verdammt falsch. Da würde wahrscheinlich nur ein absoluter Einbruch der Verkaufszahlen, der in Verlusten endet, zum Nachdenken anregen. Leider gibt es aber genug Leute, die sich entweder vom Titel blenden lassen oder denen egal ist, dass das was sie vorgesetzt bekommen, nicht ist, was es eigentlich sein sollte.
Unterm Strich bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass andere Entwickler dem Beispiel von Kamiya-san folgen.
Mich stört bei der Hinterfragung von Begrifflichkeiten und Abkürzungen, dass es im aktuellen Zeitgeist immer darum geht, ob es positiv oder negativ aufgefasst werden könnte. Diese Frage sollte man nur da diskutieren, wo es angebracht oder notwendig ist und nicht grundsätzlich.
Bevor vor einigen Wochen das Thema des Begriffs "JRPG" aufkam, habe ich diesen Begriff einfach ohne Nachdenken verwendet, wenn es passte. Jetzt muss ich immer vor der Verwendung des Begriffs kurz nachdenken, ob ich vielleicht ein Spiel damit herab würdige. Derlei Diskussionen bauen im Kopf Schranken auf, die den Zugang zum Wesentlichen versperren.
Irgendwann kommen dann (selbsternannte?) Philosophen und erfinden Konstrukte wie "BJRPG" und "GJRPG" (für bad und good) um das Problem zu lösen, aber hilft das weiter?
Find auch das sie das sein können. Hat zumindest eine eigene Identität statt sich zu sehr den westlichen Begebenheiten an zu passen. Nichts gegen witcher und co. Find westliche auch super, aber finde besonders toll wenn es so eine Vielfalt gibt, wo jeder seine Niesche finden kann. Beobachte daher schon lange den weg von z.b. SE skeptisch sich dem westlichen Markt mehr und mehr an zu biedern. Klar ein FFxvi war genial aber fühlte sich schon sehr viel westlicher an als viele andere ff teile, was zb auch vielen missfallen hat. Und hinzu kommt dann zb sowas wie „forspoken“. Gerade das jrpg‘s oft andere Qualitäten und Schwerpunkte verfolgen mag ich sehr und hoffe auch das das nicht zu sehr „verwestlicht“ wird aufgrund von Markterschließungsstrategien oder Umsatzgeilheit der heutigen BWL‘er die schon so einige Studios durch solche „Optimierungen“ zu Grabe getragen haben
In einem JRPG fließen halt Kultur, Humor und herangehensweisen an Themen ein die, nun ja, nur aus Japan kommen können. Das kann man auch gar nicht imitieren von daher stimme ich Kamiya schon zu das man darauf stolz sein kann so etwas etabliert zu haben.
Hab letztens Trails into Reverie gespielt und das ist ganz klar ein JRPG in all seinen Facetten. Wie soll man es auch anders beschreiben?
Von daher.
Ich finde, dass beide Ansichten richtig sind
Yoshida-san sagt aus, dass früher das J-RPGs im Westen eher belächelt wurden und das mochte er nicht.
Was ich irgendwie nachvollziehen kann. In meiner Jugend musste ich mir auch oft anhören, warum ich mir "das komische japanische Spiel" antue.
Nur weil ein Rollenspiel aus Japan kommt, heißt es noch lange nicht, dass es "komisch" oder "seltsam ist.
Zumindest interpretiere ich die Aussagen von ihm so.
Er möchte, dass ein japanisches Produkt dieselbe Anerkennung erhält wie ein westlicher Titel.
Kamiya-San sagt aus, dass man trotzdem darauf stolz sein sollte, dass sie ihr eigenes Genre quasi vertreten.
Er sieht kein Problem darin, dass ein Rollenspiel den Zusatz J erhält.
Für ihn ist das ein Qualitätszeichen.
Vielleicht ist es ihm auch egal, wie die Leute die Spiele im Ausland sehen, da er sie für das sieht, was sie sind.
Werke aus Japan.
Im Großen und Ganzen sind beide Aussagen richtig.
Für mich steht das J für Qualität, aber auch für klischees.
Ich mag sie trotzdem :3