Einige der besten, wenn nicht die besten Videospiele des noch jungen Jahres sind: Dead Space, Resident Evil 4 und Metroid Prime. Wir befinden uns aber nicht in den Nullerjahren, sondern wir schreiben 2023. Und die am besten rezipierten Spiele sind Remakes und Remaster.
Teilweise sang- und klanglos untergegangen sind in den letzten Monaten Spiele, die etwas probiert haben und viel Geld gekostet haben: The Callisto Protocol und Forspoken beispielsweise.
Sind Remakes und Remaster nun gut oder schlecht?
Intuitiv möchte man sagen: schlecht. Gern wird das Argument bemüht, dass Remakes und Remaster wichtige Ressourcen für innovative Spiele-Entwicklung stehlen. Besonders gern wird das behauptet, wenn ein Remaster oder ein Remake in den Augen der Fans „nicht notwendig“ ist. The Last of Us Part I ist da beispielhaft zu nennen. Warum diese Neuauflage für Fans und vor allem Naughty Dog trotzdem Sinn ergibt, hatte ich hier mal erörtert.
Aber vermutlich ist es eher so, dass es diese Ressourcen für innovative, neue Spiele gar nicht gibt und Publisher stattdessen eben sehr gern Ressourcen für Remaster und Remakes bereitstellen. Denn sie kosten natürlich weitaus weniger Geld als eine neue Marke und sie sind erfolgversprechend.
Denn wer legt schon unbeliebte Spiele neu auf? Natürlich gibt es viele Ausnahmen, aber die meisten sehr erfolgreichen Remaster und Remakes gibt es zu Klassikern, die schon damals beliebt waren. Resident Evil 4, Metroid Prime und Dead Space eben. Aber dass die Ressourcen für diese Neuauflagen stattdessen gleichermaßen auch in eine neue AAA-Marke gesteckt werden würden, ist vermutlich einfach nicht der Fall.
Immer teurer, immer mehr Risiko
Die AAA-Entwicklung wird immer teurer und Publisher sind immer weniger risikobereit. Es gibt sie natürlich, die ganz großen Singleplayer-Blockbuster. Aber die allermeisten sehr erfolgreichen Spiele basieren auch auf erfolgversprechenden Marken. Safe bets. Elden Ring – ein Soulslike von FromSoftware. Hogwarts Legacy – Harry Potter. God of War Ragnarök – na ja, God of War. Horizon, Zelda, Diablo, Final Fantasy … ihr wisst schon. Ja, sie sind auch wirklich gut. Aber es war auch vergleichsweise einfach, viel zu investieren.
Überraschungshits wie Hi-Fi Rush oder großangelegte – und sich rechnende – neue Marken kann man im Kalenderjahr wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Aber auf wie viele Remaster und Remakes müsste ein Publisher wohl verzichten, um eine neue AAA-Marke zu erschaffen? Und warum sollte er das tun? Eine Rechnung, die sich nicht trägt. Dass es weniger neue IPs gibt, liegt vermutlich nicht vorrangig daran, dass es mehr Remaster und Remakes gibt.
Es ist eine Rechnung aus vielen Faktoren. Neben den risikoarmen Remastern und Remakes ist das natürlich die risikobehaftete und teure Entwicklung neuer Marken, aber auch, dass anderes schlicht lohnenswerter ist. Live-Service-Games und Mikrotransaktionen, das sind die Antreiber hinter größeren Investitionen. Dass auch das danebengehen kann, hat sich oft genug gezeigt. Aber Square Enix tat Forspoken vermutlich weitaus mehr weh als Babylon’s Fall.
Ein Spiel, das nur einmal verkauft werden kann, aber ganz viel Geld kostet – auch dafür ist der Markt da, aber es ist weitaus schwieriger als noch vor einigen Jahren, hier große Sprünge zu machen. Und ohne die fest eingeplante DLC-Erweiterung geht schon mal gar nichts. Ja, der Trend geht sicher dahin, dass uns in Zukunft noch mehr Neuauflagen erwarten.
Fluch oder Segen?
Und nein, das ist natürlich (nicht immer) schlecht. Remaster und Remakes haben ihre Daseinsberechtigung, nicht nur aus Nostalgie-Gründen. Es spricht überhaupt nichts dagegen, Spiele wie Metroid Prime auf der jeweils aktuellen Plattform verfügbar zu machen. Im Sinne der Spiele-Konservierung sind insbesondere Remaster natürlich wertvoll.
Es gibt noch viel zu viele Spiele, die viel zu schwer zugänglich sind. Crisis Core: Final Fantasy VII war vor der Reunion-Neuauflage nur für PSP erhältlich. Es gibt unzählige Beispiele von Spielen, die nach wie vor auf ihrer Originalplattform „gefangen“ sind. Jede Portierung und jedes möglichst originalgetreue Remaster hilft dabei, dass Spiele zugänglich bleiben. Speziell im Hinblick auf die immer wieder auf uns zukommenden Schließungen von digitalen Stores.
Es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine Überraschungen und innovativen Ideen mehr. Aber schon lange springen hier natürlich Indie-Spiele in die Bresche, oft genug braucht es selbst dafür potente Geldgeber. Dass ein AAA-Singleplayer-Spiel noch einmal irgendein Rad neu erfindet, damit ist schlicht nicht mehr zu rechnen. Aber daran sind wohl nicht in erster Linie Remaster und Remakes schuld.
Und jedes Remake ist auch eine Chance. Sie bieten oft genug die Gelegenheit, ihre Vorbilder sogar zu übertreffen und ganz für sich zu stehen, überhaupt erstmals Geschichten spielbar zu machen oder neue Geschichten zu schreiben. Final Fantasy VII Remake ist da natürlich ein Paradebeispiel, auch wenn das nicht jedem gefällt. Link’s Awakening für Nintendo Switch mit seiner ganz eigenen Diorama-Optik ist ein neues Erlebnis. Dem HD2D-Remake von Live A Live haben wir die erstmalige Lokalisierung des Spiels zu verdanken.
Kein Selbstläufer
Dabei sind Remaster und insbesondere natürlich Remakes kein Selbstläufer. Auf den ersten Blick ein sicheres Unterfangen ohne großen Aufwand. Aber wie viel hätte Capcom beim Remake von Resident Evil 4 auch falsch machen können? Man kann nicht mal eben „Gameplay modernisieren“ – denn das hat erheblichen Einfluss darauf, wie ein Spiel funktioniert und ob es noch funktioniert.
Es ist nicht das Gleiche, ob man mit einer Über-die-Schulter-Kamera oder der klassischen Kamera durch Silent Hill läuft. Das macht etwas mit Silent Hill 2 und ich bin hier beispielsweise sehr gespannt, ob Bloober Team das auch realisiert. Ganz besonders mit den Remakes solcher beliebten Klassiker kann man auch verdammt viel falsch machen.
Es wird immer wieder Kontroversen um Remakes und Remaster geben, speziell bei der Preisgestaltung und das ist auch gut so. Natürlich müssen wir Publisher nicht 60 Euro für lieblose, vielleicht nicht einmal technisch einwandfreie Portierungen in den Rachen werfen. Aber Remaster und Remakes sind bestimmt nicht per se schlecht und aller Voraussicht nach wird es ohnehin eher mehr als weniger davon geben.
Bildmaterial: Zelda: Link’s Awakening, Nintendo; Live A Live, Square Enix, Nintendo, Historia; Crisis Core: Final Fantasy VII Reunion, Square Enix; Hi-Fi Rush, Bethesda, Tango Gameworks; The Last of Us Part I, Sony, Naughty Dog; Metroid Prime Remastered, Nintendo, Retro Studios; Silent Hill 2, Konami, Bloober Team