PlatinumGames, eigentlich ein Name wie ein Sommerlied. Ein Versprechen. Da hat man Bock drauf, da ist man neugierig. Babylon’s Fall – das klingt doch nach etwas. Dazu ein Publisher wie Square Enix und ein bisschen Plattform-Exklusivität.
Babylon’s Fall startete zur ersten Enthüllung im Jahre 2018 mit hohen Erwartungen, doch seitdem ging es stetig bergab. Den vorläufigen Tiefpunkt erreichte das Spiel mit der Veröffentlichung am Donnerstag. Am Abend der Veröffentlichung verzeichnete Babylon’s Fall bei Steam in der Spitze um die 650 gleichzeitigen SpielerInnen.
Diese Zahlen der gleichzeitigen Steam-SpielerInnen werden gerne herangezogen, wenn man dem Hype zu Spielen einige absolute Zahlen zuschreiben will. Sie eignen sich aber auch zur Einordnung von Babylon’s Fall.
650 gleichzeitige SpielerInnen zum Launch für ein Spiel, das auf Online-Koop und Live-Service ausgelegt ist. Das ist natürlich nicht weniger als ein Desaster und auch in dieser drastischen Wortwahl wohl keine Übertreibung. Was ist passiert?
Scheitern mit Ansage
Es war ein Scheitern mit Ansage. Der erste Teaser-Trailer von 2018 war spannend, keine Frage. Den falschen Weg schlug man 2019 mit dem ersten Gameplay-Trailer ein. PlatinumGames-Fans konnten nach dem Video der Annahme sein, es würde sich um ein Singleplayer-Action-RPG handeln. 2021 stellte man Babylon’s Fall als Online-Koop-Game mit Live-Service-Elementen neu vor. Die Überraschung war ebenso groß wie die Enttäuschung, denn das ist nicht die Erfahrung, die sich der typische PG-Fan von PlatinumGames erhofft.
Dabei sei Babylon’s Fall von Beginn an als Live-Service-Game geplant gewesen, wie uns Junichi Ehara in einem Interview vor der Veröffentlichung des Spiels versicherte. „Schon zu Beginn des Projekts stand fest, dass Babylon’s Fall die Elemente High Fantasy, Hack-and-Slash und Live-Service enthalten würde“, so der Producer. Man habe dann experimentiert und aufgehört, das Spiel zu bewerben.
Ein Fehler, wie sich herausstellte. Es bedeutete nämlich, „dass es einen längeren Zeitraum als erwartet gab, in dem Spieler den falschen Eindruck hatten, dass es ein Einzelspieler-Spiel sein würde.“ Producer Ehara gibt zu: „Im Nachhinein betrachtet, hätten wir das besser handhaben können.“
„Wir hatten von Anfang an beschlossen, dass es ein Online-Multiplayer-Live-Service-Spiel sein würde, aber während wir intern experimentierten, war das, was wir enthüllen konnten, begrenzt. Ich glaube, das Missverständnis kam daher, dass wir den Online-Multiplayer nicht zeigen konnten“, schiebt Director Kenji Saito nach.
Probleme bei der Entwicklung
Ursprünglich nannten die Entwickler „2019“ als Veröffentlichungszeitraum. Dann kam die Pandemie, die ganz sicher auch ihre Auswirkungen hatte und erhebliche Probleme mit sich brachte, keine Frage. Aber dass Babylon’s Fall kein PlatinumGames-Gefühl bietet, das ist offenbar nicht nur für PlatinumGames-Fans ein Problem.
„COVID-19 hatte einen ziemlichen Einfluss, aber abgesehen davon, als wir an der Entwicklung des Spiels arbeiteten, unterschieden sich andere Faktoren wie das System und die Vorkehrungen für die Zeit nach der Veröffentlichung erheblich von den Spielen und dem Stil, an denen PlatinumGames in der Vergangenheit gearbeitet hatte“, so Director Kenji Saito.
„Eine Umgebung zu schaffen, in der das PlatinumGames-Action-Gameplay im Online-Multiplayer und auch ständig als Live-Service-Spiel erlebt werden konnte, war viel schwieriger, als wir dachten. Es hat auch mehr Zeit in Anspruch genommen, als wir dachten“, so Takahisa Sugiyama.
Wenn Entwickler in einem Interview derart offen kommunizieren, dann weiß man, dass wohl wirklich einiges im Argen lag. Die Beta-Phase, in der es zahlreiche Korrekturen gab, unter anderem am kontroversen Pinselstrich-Filter, konnte das Kind nicht mehr vor dem Brunnen retten.
Weitere ungünstige Faktoren
Dass es am Veröffentlichungstag nicht einmal genug Reviews für einen Score bei OpenCritic gab, ist vielsagend. Vier Reviews standen dort zur Verfügung, als dieser Artikel entstanden ist. Gab es keine Review-Keys? Gab es sie viel zu spät? Oder haben sich Medien einfach nicht für Babylon’s Fall interessiert? Egal welche Frage man davon mit Ja beantwortet, alles wäre nicht gut.
Dazu kommen weitere ungünstige Faktoren wie eine Veröffentlichung gemeinsam mit Horizon Forbidden West und Elden Ring und natürlich auch die Ukraine-Krise – derzeit haben viele Menschen einfach auch andere Sorgen. Aber man muss wohl annehmen, dass es auch ohne diese Faktoren ungünstig für Babylon’s Fall gelaufen wäre.
Das ist insofern schade, als dass die Vorzeichen 2018 eigentlich sehr gut standen. Am Freitagnachmittag kletterten die Spielerzahlen auf etwa 1.100 bei Steam, bevor sie am frühen Abend wieder sanken. Selbst ELEX II, dem man angesichts der aktuellen Konkurrenz auch einen Flop nachsagt, hatte zu dieser Zeit fast 4.500 gleichzeitige SpielerInnen. Elden Ring spielen derzeit allein bei Steam übrigens bis 890.000 Fans.
Eine Perspektive?
Gibt es eigentlich nicht. Wenn ein Online-Spiel derart schlecht startet, steht es nur schwer wieder auf. Dass das nicht unmöglich ist, zeigte freilich einst Square Enix selbst: mit Final Fantasy XIV. Für ein Online-Spiel sind Online-SpielerInnen wichtig. Ein schneller Start im Xbox Game Pass wäre eine Möglichkeit – allerdings ist Babylon’s Fall nicht für Xbox erschienen.
Am Abend des Entstehungstags dieses Artikels gibt es dann doch noch zwei Reviews von prominenten Medien. VGC attestiert Babylon’s Fall Langeweile pur, veraltete Technik und nur durchschnittliche PlatinumGames-Kämpfe. RockPaperShotgun findet, dass man für 60 Pfund ein Spiel erhält, das an ein Free-to-play-Erlebnis erinnert.
Und jetzt erinnern wir uns nochmal. Februar 2022, so lange ist es also nicht her. Da erklärte der neue PlatinumGames-Präsident Atsushi Inaba, um Live-Service-Games würde auch seine Firma in Zukunft nicht mehr herumkommen. Vielleicht bewegt der Sturz von Babylon’s Fall zum Umdenken.
Bildmaterial: Babylon’s Fall, Square Enix, PlatinumGames