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Kolumne: Der Fluch und Segen der Trophäen

Disclaimer: Ich verwende zwar den Begriff „Trophäen“ und nenne PlayStation-Titel als Beispiele, aber der Artikel widmet sich explizit dem gesamten Phänomen der „Errungenschaften“, nicht einer konkreten Plattform oder Implementierung.

PlayStation-Trophäen bringen Punkte

In den letzten Tagen erschien mir der Gedanke zunehmend attraktiver, ältere Final-Fantasy-Titel noch einmal zu spielen. Besonders auf Final Fantasy XII verspürte ich Lust, die durch die gelungene Portierung zusätzlich gesteigert wurde. Nur für welches System?

Die Vorstellung, abends im Bett noch ein wenig durch die Gegend zu laufen, Monster zu besiegen und Schatztruhen zu plündern, ließ die Switch-Fassung äußerst attraktiv aussehen. Doch plötzlich erschien es mir auch sehr verlockend, bei einem Spiel, das ich von früher so gut kenne, auf Trophäenjagd zu gehen. Dies war letztlich der Grund, weshalb ich zur PS4-Version griff.

Wer hat sich das ausgedacht?

Eigentlich sehe ich mich nicht als Trophäenjäger. Zwar kann ich mich dem Reiz nicht ganz entziehen und habe für wenig zeitintensive Errungenschaften auch mal ein paar zusätzliche Minuten investiert. Aber noch kein Spiel konnte mich bisher dazu bewegen, bis zur Platin-Trophäe zu spielen.

Im selben Atemzug habe ich auch nachgeschaut, welche Trophäen es für Final Fantasy VII, VIII, IX, X und X-2 für PlayStation 4 gibt. Während die meisten im Rahmen des Erwarteten waren, ließ mich eine Trophäe fast vom Glauben abfallen:

Final Fantasy IX Bronze-Trophäe „Ritter“: 10.000 Gegner besiegt. (Quelle: psnprofiles.com)

Ein Blick auf die Statistik verrät: Abgesehen von der Platin-Trophäe ist diese die seltenste. Das hat einen einfachen Grund. Im normalen Spieldurchlauf besiegt man vielleicht 1.000 bis 2.000 Gegner. Aber nie im Leben 10.000.

Nun denkt sich manch einer vielleicht: „Aber das Spiel hat doch einen Turbo-Modus! Damit sollte es doch schneller gehen.“ Es stimmt, schneller mag es schon gehen. Aber ein kurzer Abstecher in diverse Spieleforen im Internet zeigt: Man benötigt selbst bei dreifacher Spielgeschwindigkeit um die 20 Stunden.

20 Stunden! In dieser Zeit hätte ich gemütlich Gris, A Short Hike, Ico und Rakuen durchspielen können. Vier Spiele, die schon lange oben auf meiner To-play-Liste stehen. 20 Stunden, die ich mit hirnerweichendem Im-Kreis-Laufen-und-X-Drücken verbracht hätte.

Vielleicht hat sich jemand beim Einprogrammieren verschrieben und meinte in echt „1.000 Gegner“. Das wäre realistischer und dann wäre eine Bronze-Trophäe sicher angebracht gewesen. Im Spiel kann man die Zahl der aktuell besiegten Gegner übrigens auch gar nicht einsehen und anders als bei Errungenschaften auf Steam gibt es bei PlayStation-Trophäen auch keine Fortschrittsanzeige. Wie man es dreht und wendet, sich durch 10.000 Gegner zu prügeln ist eine Beschäftigungstherapie, da es um ein Vielfaches über die Zahl der Gegner hinausgeht, die man realistisch gesehen im normalen Spiel inklusive optionaler Inhalte mitnimmt. Die Trophäe verkommt also zum reinen Selbstzweck.

Natürlich ist das ein Extrembeispiel. Doch es ist nicht ungewöhnlich, dass Spiele mit uninspirierten Trophäen aufwarten, die erfordern, dass man eine hohe Zahl von XYZ erledigt.

Wie viel ist zu viel?

Alles geschafft: Platin-Trophäe in Final Fantasy XII (Bild: Square Enix)

In den letzten Tagen habe ich sehr intensiv Final Fantasy XII gespielt – und tatsächlich nach ca. 80 Stunden meine erste Platin-Trophäe erlangt. Meiner Meinung nach besitzt das Spiel sehr faire Trophäen, für die man die meisten Dinge im Spiel erledigen muss, aber sich ansonsten nicht groß zu verbiegen braucht. Keine Grind-Orgien, keine verpassbaren Nebenaufgaben, keine völlig willkürlichen Bedingungen, die man vorher recherchieren muss.

Dennoch habe ich mich am Ende gefragt, ob es das wert war. Und ich tendiere zu einem Nein. Ich hatte viel Spaß an Final Fantasy XII, doch wenn man alles im Spiel erledigen will, muss man sich unweigerlich mit den frustrierenderen Spielmechaniken auseinandersetzen.

Beispielsweise erscheinen einige Monster nur unter sehr speziellen Bedingungen und einige Schätze spawnen nur mit einer geringen Chance. Man verbringt oft viele Minuten damit, dasselbe Gebiet im Wechsel zu betreten und zu verlassen, um darauf zu hoffen, dass das Glück es gut mit einem meint. Das ist ab und zu okay. Wenn man aber Stunden damit zubringt, wird es ermüdend bis frustrierend.

Unterschiedliche Implementierungen

Ich finde das Konzept hinter den Errungenschaften, das mit der letzten Konsolengeneration populär wurde, eigentlich ziemlich cool. Gerade dass man auf verschiedenen Plattformen auch die Möglichkeit hat, sie mit Freunden und ganzen Communitys zu vergleichen, ist ein tolles Feature. Aber bei recht wenigen Spielen finde ich die Umsetzung restlos gelungen.

In Final Fantasy XV gilt die Platin-Trophäe als relativ leicht zu erreichen (Bild: Square Enix)

In Final Fantasy XV erhält man die Platin-Trophäe recht einfach. Selbst wenn man einen beträchtlichen Teil des Spiels, darunter auch ganze Dungeons, nicht gespielt hat, kann man sie bekommen. Das widerspricht für mich irgendwie dem Gedanken dahinter.

Dann gibt es Spiele wie Tales of Xillia 2. Das habe ich damals zur Veröffentlichung durchgespielt und in den ca. 40 Stunden, die ich mit dem Spiel verbracht habe, habe ich durchaus auch einige Nebenaufgaben mitgenommen. Das Ergebnis: Zwei Bronze- und zwei Silbertrophäen oder 8 %.

Schlussgedanken

Das Gefühl der Vervollständigung sorgt für simple Genugtuung. Es fühlt sich gut an, wenn das Trophäen-Icon mit dem ikonischen Soundeffekt aufploppt und einem mitteilt, dass man etwas erreicht hat. Etwas, das im PSN-Profil verewigt wird. Aber es ist für mich – trotz aller Verlockung – eine hohle Befriedigung, die nicht lange währt. Nüchtern betrachtet muss ich zu dem Schluss kommen, dass die zusätzlich investierte Zeit und Mühe es für mich meist nicht wert sind.

Ich kenne aber auch viele Spieler, denen kein Aufwand zu schade ist, um jede letzte Trophäe zu ergattern. Es gibt sogar solche, denen die Errungenschaften wichtiger sind als die Spiele selbst. Einmal fragte mich auf einer Verkaufsplattform jemand, ob ich auch japanische Visual Novels abzugeben hätte. Er könne zwar kein Japanisch, aber die Spiele wären die besten, um in kurzer Zeit viele Trophäen zu sammeln. Auch auf Steam bin ich bereits mehrfach auf Kommentare gestoßen, in denen Spieler offen zugaben, Spiele ohne Errungenschaften nicht zu kaufen.

Zu welcher Sorte von Spieler zählt ihr euch? Macht euch die Trophäenjagd Spaß? Geht sie ganz an euch vorbei? Oder siedelt ihr euch irgendwo im Mittelfeld ein?

Artikelbild: Sony