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Im Test! Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise

Titel Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise
Japan 10. Juli 2020
Toybox Inc.
Nordamerika 10. Juli 2020
Rising Star Games
Europa 10. Juli 2020
Rising Star Games
System Nintendo Switch
Getestet für Nintendo Switch
Entwickler Toybox Inc., White Owls Inc.
Genres Action-Adventure
Texte
Deutschland Nordamerika Japan
Vertonung Nordamerika 

Vor nunmehr zehn Jahren erschien mit Deadly Premonition ein Videospiel, das seinerzeit für ordentlich Furore sorgte und die Geister der Spielerschaft bis heute zu spalten weiß. Der Genre-Hybrid ließ uns in die Rolle des immerzu optimistischen FBI-Special-Agents Francis York Morgan schlüpfen, der in der US-amerikanischen Kleinstadt Greenvale einem obskuren Mordfall nachging.

Verfechter des Open-World-Mystery-Survival-Horror-Action-Adventures singen laute Lobeshymnen auf die umgreifende, skurrile und faszinierende Eigenart von Deadly Premonition. Sie loben denk-, merk- und liebenswürdige Charaktere, charmante, tiefgründige wie ulkige Dialoge und nicht zuletzt eine fesselnde Mystery-Geschichte und einnehmende Atmosphäre.

Was sie billigend in Kauf nehmen oder gar als zusätzliches Merkmal des Charmes von Deadly Premonition empfinden, strafen Gegner des Titels hingegen hart ab. Die Rede ist von der technischen Umsetzung. Schon 2010 wirkten viele Spielmechaniken angestaubt und die grobe Steuerung sowie schwache Performance wussten ein ums andere Mal zu frustrieren.

Auf eine Sache konnten sich beide Lager aber sicher einigen. Niemand rechnete mit einem Nachfolger zu diesem Ausnahmetitel. Umso überraschender gestaltete es sich also, als Nintendo „Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise“ im Rahmen einer Nintendo Direct im September letzten Jahres ankündigte.

Deadly Premonition 2
Wir schlüpfen wieder in die Rolle des gut gelaunten Spezialagenten Francis York Morgan, der im Jahr 2005 das schläfrige Städtchen Le Carré in Louisiana ansteuert.

Nun ist das zweite Mystery-Abenteuer von Francis York Morgan auch schon verfügbar und so viel sei schonmal verraten: Auch das zweite Deadly Premonition wird einmal mehr neben Kritikern sicher auch die Spielerschaft zu spalten wissen. In jedem Fall hat Hidetaka „SWERY“ Suehiro – in Zusammenarbeit mit den EntwicklerInnen von Tobybox Inc. – mit Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise erneut einen eigenwilligen Titel aus dem Boden gestampft.

Fortsetzung und Prequel in einem

Aber greifen wir nicht zu weit vor, sondern beleuchten erst einmal, wovon Deadly Premonition 2 handelt. Wir schlüpfen wieder in die Rolle des gut gelaunten Spezialagenten Francis York Morgan, der im Jahr 2005 das schläfrige Städtchen Le Carré in Louisiana ansteuert. Dort hat sich ein bizarrer Mord ereignet, der in Verbindung mit der neuartigen, halluzinogenen Droge „Saint Rouge“ in Verbindung zu stehen scheint. Nur logisch, dass York – wie er genannt werden möchte, weil alle es so tun – dem natürlich gleich auf den Grund geht. Schon bald stellt er dabei fest, dass die ruhige Kleinstadt viele weitere, dunkle Geheimnisse birgt.

»Wir schlüpfen wieder in die Rolle des gut gelaunten Spezialagenten Francis York Morgan, der im Jahr 2005 das schläfrige Städtchen Le Carré in Louisiana ansteuert.«

York stellt aber nicht den einzigen Protagonisten in Deadly Premonition 2 dar. Eine weitere Handlungsebene ereignet sich knappe 15 Jahre später im Jahr 2019, in der wir (weniger direkt) die Kontrolle über FBI-Special-Agent Aaliyah Davis übernehmen. Diese bearbeitet einen Fall, der eigentlich als abgeschlossen galt und eng mit den Ereignissen von Le Carré im Jahr 2005 verwoben ist.

Deadly Premonition 2 stellt weder ausschließlich Fortsetzung noch Prequel zum ersten Teil dar. Vielmehr vereint der Titel beides in sich und zieht hierbei auch einige Verbindungen zum Vorgänger, auf die an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden soll.

Oft nur lustloses Mittel zum Zweck

Den überwiegenden Teil des Spiels verbringen wir in Le Carré und in der Rolle von York. Wie auch schon Greenvale im Vorgänger, steht uns auch das sonnengeflutete Südstaaten-Städtchen in bekannter Open-World-Manier offen. Die Handlung treiben wir durch Hauptmissionen voran, die uns Botengänge ausführen und neue Stadtbewohner kennenlernen lassen.

Ersteres gestaltet sich dabei leider zumeist recht träge. Die – nennen wir es wohlwollend – simplen Fetch-Quests sind nämlich allenfalls lustlose Mittel zum Zweck. Ein Umstand, der sich verschmerzen ließe, würden solche Passagen nicht teils mehrere Stunden in Anspruch nehmen, die wir mit der lethargischen Suche nach Items verbringen. Das frustriert insbesondere dann, wenn man völlig ratlos durch die Stadt stolpert, ohne Hinweis darauf, wie es wo weitergeht.

Erledigen wir gerade nicht öde Besorgungen für die Bewohner der Stadt, gehen wir im Rahmen unserer Ermittlungen Hinweisen nach, die uns in regelmäßigen Abständen in die sogenannte Anderswelt führen. Hier wird es dann übernatürlich. Wir treffen in grotesk verwinkelten und zugewucherten Gebäuden auf paranormale Gestalten, die uns an den Kragen wollen. Zum Glück sind wir dabei mit einer… bizarren Handfeuerwaffe ausgestattet, die bei York auch gleich einen bekannten Film von David Cronenberg in Erinnerung ruft.

Diese Action-Passagen bieten die nötige Abwechslung zum oft drögen Ermittlungsalltag – zumindest anfangs. Die Schussmechanik fühlt sich im Vergleich zum Vorgänger etwas dynamischer an, wenn auch immer noch steif. Zusätzlich haben wir nun die Möglichkeit, Angriffen per Dash auszuweichen und ganze Lock-on-Salven feurigen Bleis in Richtung unserer Feinde zu entladen. Das weiß kurzzeitig zu amüsieren, wiederholt sich aber stetig und ohne nennenswerte Variation. Bei unseren Besuchen in die Anderswelt streifen wir nämlich immer wieder durch visuell identische Gemäuer und treffen auf die immer gleiche Handvoll Gegnertypen, die kaum eine Herausforderung bieten. Auch die Boss-Begegnungen spielen sich im Grunde wie von selbst.

Bunte Charaktere und ein herausragender Protagonist

Umso belohnender stellen sich dafür die Begegnungen mit den Charakteren heraus, auf die man im Verlauf der Handlung trifft. Einmal mehr reicht die bunte Riege der Stadtbewohner von skurril bis ominös. In unserem Hotel lernen wir etwa gleich den Tausendsassa David Jawara kennen. Der ist nicht nur Inhaber des Casa Pineapple, sondern übernimmt auch gleich die Rolle des Pagen, Rezeptionisten und Kochs.

Dass jede Rolle dabei ihren eigenen Kopf hat, versteht sich im Kontext der surrealen Welt von Deadly Premonition sicher von selbst. Der örtliche Priester stellt sich ferner auch als der örtliche Arzt heraus, der die verlorenen Schafe von Le Carré in seiner Kirche/Klinik lautstark willkommen heißt. Wir treffen aber auch auf Sheriff Melvin Woods, der zu jeder Situation mit einem Spruch bewaffnet ist, wie man ihn sonst höchstens im Trailer zu einem alten Trashfilm hören würde.

Deadly Premonition 2
Der Protagonist stellt auch in Deadly Premonition 2 das goldene Herzstück des Titels dar.

Besonders sticht aber Melvin Woods’ Adoptivtochter Patricia aus dem Figurenaufgebot heraus. So scharfsinnig wie sie jung ist, formt sie einen Pakt mit York und steht ihm künftig bei seinen Ermittlungen zur Seite. Aus dieser Paarung resultieren im Verlauf zahlreiche (auch optionale) Dialoge, in denen einmal mehr eine Vielzahl von Filmbesprechungen Platz finden, wenn Patricia nicht gerade Yorks Ermittlungsmethoden logisch in Frage stellt. Die Dynamik der „ungleichen Ermittler“ unterhält, amüsiert und rührt.

Dass Agent York nicht zwingend auf die Interaktion mit seinen Mitmenschen angewiesen ist, um interessante Unterhaltungen zu führen, wissen vor allem Kenner des Vorgängers. Natürlich zieht er nämlich wieder regelmäßig seinen „Partner“ Zach zu Rate, bespricht mit ihm den nächsten Filmabend oder erkundigt sich nach seiner Meinung zu Fragen aus den unterschiedlichsten Themenfeldern. Besonders in Kombination mit Yorks unverwüstlicher Heiterkeit, schrulliger Offenheit und seiner Gabe, in allem das Positive zu sehen, stellt unser Protagonist auch in Deadly Premonition 2 das goldene Herzstück des Titels dar.

Mit dem Skateboard auf der Jagd nach dem Nutzlosen

Sollte euch übrigens mal nicht der Sinn danach stehen, die Handlung voranzutreiben, ist das völlig okay. Auch FBI-Agenten brauchen mal eine Pause. Stattdessen könnt ihr auf eurem Skateboard durch die Stadt düsen, je nach Tageszeit verschiedene Etablissements aufsuchen, euch an Minispielen wie Bowling und Skateboard-Parcours versuchen oder Bürger-Anfragen vom schwarzen Brett im Sheriff-Büro nachkommen. Allerdings stellen sich diese Nebenaufgaben, ähnlich wie ein Großteil der Hauptmissionen, als banal und zum Teil auch fragwürdig heraus. In der Regel gilt es für euch nämlich, mit Gummigeschossen bewaffnet verschiedene Wildtiere niederzustrecken.

»Sollte euch übrigens mal nicht der Sinn danach stehen, die Handlung voranzutreiben, ist das völlig okay. Allerdings stellen sich die Nebenaufgaben als banal und zum Teil auch fragwürdig heraus.«

Belohnt werdet ihr dafür mit unterschiedlichen Materialien, die ihr entweder verkaufen oder zu The Mirror bringen könnt. Dieser spirituelle Geselle fertigt euch im Austausch für Glaskugeln, Tierhäute und Stoffe nämlich sogenannte Fetische an, mit denen ihr euren eigenen Voodoo-Altar aufhübscht – ja, wirklich. Daraus resultiert je nach Fetisch-Typ die Aufwertung eurer Statuswerte oder Verbesserung eurer Fertigkeiten mit Handfeuerwaffe und Skateboard.

Was auf dem Blatt nach einer netten Spielmechanik klingt, stellt sich als überwiegend überflüssig heraus, da uns das Spiel ohnehin keine großen Herausforderungen in den Weg wirft, die sich nicht auch mit der standardmäßigen Handfeuerwaffe lösen ließen. Aber einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich nicht ins Maul.

Eine befremdlich marode Technik

»Deadly Premonition 2 weist zum Teil enorme technische Defizite auf. Die inkonsistente Framerate und zu lange Ladebildschirme sind nur einige der Mängel.«

Den Elefanten im Raum hingegen müssen wir dann doch ansprechen. Deadly Premonition 2 weist zum Teil enorme technische Defizite auf. Sämtliche Bewegungs- wie Gesichtsanimationen sind hölzern, Texturen ploppen selbst auf kürzester Distanz aus dem Nichts auf und verkommen in der Ferne zu detailarmem Matsch. Dazu gesellen sich noch penetrantes Kantenflimmern und auch der Sound lässt mit eintöniger und lustloser Geräuschkulisse zu wünschen übrig. Besonders nervenzehrend: Wann immer ihr von einem Gebäude hinaus in die Stadt treten möchtet, starrt ihr bis zu einer ganzen Minute auf den Ladebildschirm – jedes Mal.

Deadly Premonition 2
Die marode Technik ist befremdlich. Verständlich, wer sich dem sperrt.

Während sich einige dieser technischen Unzulänglichkeiten als verschmerzbar hinnehmen ließen, stößt einem insbesondere ein gravierendes Defizit regelmäßig vor den Kopf: die Performance. Deadly Premonition 2 kämpft am laufenden Band mit einer mangelhaften und inkonsistenten Framerate. Was sich innerhalb von Gebäuden und Räumlichkeiten noch im Zaum hält, eskaliert bei der Erkundung von Le Carré völlig. Hier bricht die Framerate konstant ein und fällt nicht selten in den einstelligen Bereich. Selbst der zehn Jahre alte Vorgänger lief in seiner schwächsten Version sauberer, was durchaus zum Stirnrunzeln einlädt. Ob ihr im Handheld- oder Docked-Modus spielt, macht übrigens keinen Unterschied.

Einen Titel in diesem Zustand im Jahr 2020 veröffentlicht zu sehen, wirkt seltsam befremdlich. Nicht selten fragte ich mich beim Spielen, ob manche „Schwierigkeiten“ gar bewusst im Zuge gestalterischer Entscheidungen beibehalten wurden – absurd, ich weiß. Aber es fiel mir schlichtweg schwer, solch eine technische Präsentation allein auf das Unvermögen der EntwicklerInnen oder mangelndes Budget zurückzuführen. Immerhin verkündete Rising Star Games kürzlich, dass an den technischen Problemen gearbeitet wird und in Zukunft mit entsprechenden Patches gerechnet werden darf. Was ich jedenfalls klar sagen kann, ist, dass ich Deadly Premonition 2 dennoch genossen habe.

Sonnenschein Francis York Morgan hält am Ball

Trotz aller technischer und spielmechanischer Unzulänglichkeiten zog es mich dann doch immer wieder interessiert an die Konsole, um herauszufinden, wie sich das Mystery-Abenteuer weiter entfaltet. Die Geschichte wusste durchaus ein ums andere Mal mit meinen Erwartungen zu spielen, sie zu schüren und auszuhebeln – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Auch wenn es Deadly Premonition 2 nicht gelang, eine ähnliche Sogwirkung wie sein Vorgänger herzustellen, fühlte ich mich dennoch – auf narrativer Ebene – zumindest über weite Strecken gut unterhalten. Schade nur, dass ich nicht dasselbe vom Gameplay behaupten kann.

Die große Stärke dieses zweiten Abenteuers stellt aber wieder einmal Protagonist York dar. Sämtliche seiner Interaktionen mit seinen Mitmenschen (oder sich selbst) unterhielten und amüsierten mich so sehr, dass es mir immer aufs Neue gelang, meine Ratlosigkeit und meinen Frust über diverse Spielsysteme und die marode Technik beiseitezuräumen.

Kann ich den Titel also empfehlen? Nur bedingt. Für viele SpielerInnen dürften sich diverse spielmechanische Entscheidungen zu frustrierend gestalten und die technische Umsetzung einen zu großen Stolperstein darstellen. Kennern und Verfechtern des ersten Teils hingegen sollte es gelingen, viele Makel ausblenden oder gar hinnehmen zu können, um Agent York einmal mehr in ein surreales Abenteuer zu begleiten.

Es bedarf durchaus Frustresistenz und Geduld

Ich freute mich im Vorfeld auf die Veröffentlichung von Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise. Der ungelenke Vorgänger konnte mich seinerzeit trotz zahlreicher, teils frustrierender Makel in seinen Bann ziehen. Grund dafür waren eine einzigartig einnehmende und surreale Atmosphäre und eine fesselnde Geschichte, die von ihren skurrilen Charakteren, vor allem aber vom charmanten Protagonisten Francis York Morgan lebte.

Mit seiner unverwüstlich positiven Ader trug er mich durch ein seltsames Mystery-Abenteuer, das sich mir mit all seinen Tugenden und Fehlern in den Kopf brannte. Im Nachfolger, zehn Jahre später, hat sich daran nichts geändert – York ist auch in Deadly Premonition 2 das Herzstück des Titels. Sei es durch die Interaktionen mit seinen Mitmenschen oder jenen mit sich selbst – der schrullige FBI-Agent unterhält, amüsiert und es fühlt sich gut an, wieder mit ihm unterwegs zu sein.

Schade nur, dass die meisten Spielmechaniken nicht über lustlose Mittel zum Zweck hinausgehen und eine befremdlich marode technische Umsetzung den Eindruck weiter trübt.

Wer die Bereitschaft, Geduld und Frustresistenz mitbringt, der es bedarf, um sich durch manch eine Passage im Spiel zu beißen, wird durchaus mit einer soliden Geschichte belohnt, die genauso von ihrer surrealen Atmosphäre wie von skurrilen Charakteren und einem abermals herausstechenden Protagonisten lebt.

 

Story

FBI-Agent Francis York Morgan verschlägt es nach Le Carré, Louisiana. Dort geht er einem bizarren Mordfall nach, der mit dem Auftauchen der halluzinogenen Droge „Saint Rouge“ in Verbindung zu stehen scheint.

Gameplay

Beherrscht von Lethargie und Ratlosigkeit streifen wir auf der Suche nach Hinweisen von A nach B. Größtenteils Mittel zum Zweck, um von einer zur nächsten Zwischensequenz zu gelangen. Die Action-Passagen amüsieren eingangs, verlieren sich aber schnell in Eintönigkeit.

Grafik

Grundsätzlich ansprechender Cel-Shading-Look leidet unter Kantenflimmern, matschigen Texturen und hölzernen Animationen.

Sound

Solide Synchronarbeit, wenn die Dialoge auch oft ulkig hölzern klingen – das unterstreicht aber nicht selten den Charme der Charaktere. Weniger ansprechend: eine lustlose und variationsarme Geräuschkulisse.

Sonstiges

Eine extrem marode Technik, angeführt von einer nicht selten einstelligen Framerate.

Bildmaterial: Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise, Rising Star Games / Toybox, White Owls

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