Titel | Life is Strange 2 |
26. März 2020 | |
Square Enix | |
03. Dezember 2019 | |
Square Enix | |
03. Dezember 2019 | |
Square Enix | |
System | PlayStation 4, Xbox One, PCs |
Getestet für | PlayStation 4 |
Entwickler | Dontnod Entertainment |
Genres | Adventure |
Texte | |
Vertonung |
Verteilt über das Jahr 2015 erschien die erste Staffel von Life is Strange, welche sich schon bald zu einem Projekt mit vielen Theorien und einer treuen Anhängerschaft entwickelte. Nun legte Dontnod Entertainment mit Life is Strange 2 nach, wobei die Veröffentlichung wiederum zunächst rein digital in fünf einzelnen Episoden erfolgte. Dieses Mal dauerte es sogar noch ein wenig länger, bis die Staffel komplett war, wodurch Spieler der ersten Stunde sich in Geduld üben mussten.
Die Protagonisten und Schauplätze sind dabei neu, der Life-is-Strange-Stil ist jedoch unverkennbar. Auch Life is Strange 2 wird stark von der Narrative und den Protagonisten getragen, welche mit einer Situation zurechtkommen müssen, von der sie heillos überfordert sind. Zudem kehrt der Comic-Grafikstil zurück und lizenzierte Musik sorgt für den akustischen Rahmen. Die beiden wichtigsten Elemente, nämlich übernatürliche Kräfte und das Treffen von Entscheidungen, bilden wiederum den Kern des Spiels.
Allerdings spielt sich die Geschichte immer noch im selben Universum ab. Dies zeigt sich alleine daran, dass der Spieler zu Beginn nach seiner Endwahl aus der ersten Staffel gefragt wird, wobei durch die veränderte Ausgangslage keine Vorkenntnisse nötig sind. Mehr als einige wenige Bezüge zur ersten Staffel wird man nicht antreffen, auch wenn diese Kenner bestimmt aufhorchen lassen. Auf mehr als Anspielungen und Easter Eggs sollte man jedoch nicht hoffen. Während man diesem Umstand durchaus nachtrauern kann, ergibt sich hier ein Vorteil für Neueinsteiger, welche auch ohne die erste Staffel loslegen können. Auch die Entwickler erhielten so Freiheiten und konnten quasi auf einem leeren Blatt Papier beginnen.
Eine Erzählung zweier Brüder
In Life is Strange 2 schlüpfen wir in die Rolle von Sean Diaz, einem 16-jährigen Teenager, der in Seattle ein ziemlich gewöhnliches Leben führt. Er lebt zusammen mit seinem Vater und Daniel, seinem jüngeren Bruder, welcher neun Jahre alt ist. Sein Vater arbeitet hart als Automechaniker. Das Geschäft scheint zu laufen, wodurch seine beiden Söhne eine unbeschwerte Jugend genießen können. Seans beste Freundin Lyla ist gerade dabei, ihn mit Jenn zu verkuppeln, auf welche er ein Auge geworfen hat. In Liebesdingen ist er jedoch unerfahren und unbeholfen, weswegen Lyla kurzerhand die Initiative ergreift und der potentiellen Liebe auf die Sprünge zu helfen versucht. Dies soll bei einer abendlichen Party geschehen, also gilt es für Sean, die nötigen Vorkehrungen zu treffen.
Doch leider bricht über die Familie Diaz eine Katastrophe herein und ab sofort ist für Sean und Daniel nichts mehr so, wie es war. Gezwungen zur Flucht ist das Brüderpaar fortan ganz auf sich alleine gestellt. Auf einem abenteuerlichen und gefährlichen Roadtrip begegnen Sean und Daniel verschiedenen Charakteren mit unterschiedlichen Absichten. Während Sean versucht, die harte Realität für Daniel zu lindern und wenigstens so etwas wie Normalität zu schaffen, geraten die beiden dennoch von einer gefährlichen und dramatischen Situation in die nächste. Aber auch humorvolle Auflockerungen und entspannte Momente haben einen Platz.
Episodischer Charakter
Während moralische Entscheidungen, deren Konsequenzen und eine übernatürliche Kraft wiederum im Zentrum von Life is Strange 2 stehen, hat sich die ganze Erzählstruktur ein wenig verändert. Sean ist der spielbare Protagonist, welcher auf seinen Bruder Daniel aufpassen muss und dadurch eine große Verantwortung trägt. Ihre Beziehung ist das durchgängig bestimmende Element. Jede Episode startet mit einem Zeitsprung, was den episodischen Charakter des Spiels verstärkt. Wenn man also zur jeweiligen Veröffentlichung gespielt hat, gab es somit einen etwas leichteren Einstieg, da man sich quasi mit Sean und Daniel gemeinsam wieder in die neue Situation einfügen musste. Dies geht immer auch mit neuen Charakteren und Orten einher.
Ein offensichtlicher Nachteil dieses Ansatzes ist, dass interessante Nebencharaktere so schnell wieder weg sind, wie man sie kennengelernt hat. So entsteht kein komplexes Beziehungsnetz und auch allfällige Charakterentwicklungen – abgesehen von Sean und Daniel – bleiben weitestgehend buchstäblich auf der Strecke, wenn der Roadtrip die nächste Station erreicht. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Nebencharaktere schlecht geschrieben wären, denn Life is Strange 2 macht hier durchaus einen guten Job, aber es bleibt bei kurzen Begegnungen auf einer längeren Reise. Vergangenheit und Zukunft bleiben oftmals im Dunkeln. Auch das hat seinen Reiz und man muss nicht unbedingt jede Nebengeschichte zu Ende erzählen, aber der Unterschied zur ersten Staffel ist offensichtlich.
Brüder halten zusammen
Die Entwicklung von Sean und Daniel ist hingegen augenfällig. Dabei obliegt es dem Spieler, in der Rolle von Sean auf den kleinen Bruder einzuwirken. Daniel wird ebenfalls die Gegend erkunden und Sean auf Dinge aufmerksam machen, manchmal Hilfe benötigen, eine Frage stellen oder andere Anliegen haben. Oder auch einfach mal andere Charaktere anquatschen, wo man dann je nach Situation einschreiten kann. Viele dieser Interaktionen sind optional, helfen jedoch dabei, die Beziehung der Brüder zu vertiefen. Es ist ebenfalls möglich, ein gutes oder schlechtes Vorbild zu sein. Die Angst vor einer Eskort-Mission in Überlänge ist übrigens unbegründet. Man sollte zwar immer ein Auge auf Daniel haben – wie es sich für einen verantwortungsvollen großen Bruder gehört –, aber dies geschieht in einem angemessenen Rahmen.
Vom behüteten Leben zu Beginn bis zum Ende wird dem Teenager und seinem kleinen Bruder so einiges zugemutet. Um die Geschichte spannend und konfliktreich zu halten, kommen auch einige recht extreme Figuren vor. Während Daniel mit der Zeit reifer, eigenwilliger und damit auch etwas schwieriger zu kontrollieren wird, gilt es zahlreiche Entscheidungen zu treffen. Dem Spieler steht die Wahl offen, wie er gewisse Aufgaben angehen will – es gibt fast immer verschiedene Möglichkeiten. Bei kleineren Rätseleinlagen können verschiedene Herangehensweisen gewählt werden, welche auf unterschiedlichen Wegen wieder auf den Hauptpfad der Geschichte führen.
Der moralische Kompass
Dabei gibt es in Schlüsselszenen Entscheidungen, welche einen größeren Einfluss haben und entsprechend in einem Standbild getroffen werden. So bleibt genug Zeit, welche auch nötig ist, da man sich oft in einem Dilemma befindet und die Konsequenzen abzuwägen versucht. In eine Sackgasse gerät man jedoch nicht, die Geschichte endet nie in einem Game Over. So gesehen gibt es kein Richtig und kein Falsch, jeder Spieler kann seiner Intuition oder seinem moralischen Kompass folgen. Aber auch in Dialogen hat man Antwortoptionen zur Verfügung und die Erkundung der Umgebung kann ebenfalls neue Möglichkeiten eröffnen. Die Art und Weise, wie man mit verschiedenen untersuchbaren Objekten interagiert, erinnert an ein Point-and-Click-Adventure. Neben wichtigen Informationen gibt es auch lustige Sprüche zu hören. Es können durch Interaktionen mit der Umgebung zudem ganze Dialoge entstehen.
Bisher noch nicht eingegangen sind wir in diesem Text auf die übernatürlichen Kräfte, welche auch in Life is Strange 2 eine sehr zentrale Rolle einnehmen. Da sich die wahre Natur davon erst gegen Ende der ersten Episode aufklärt, wollen wir diese auch nicht vorwegnehmen. Allerdings kann festgehalten werden, dass diese Kräfte der dominierende Aufhänger des Plots sind und ab der zweiten Episode auch einen wichtigen Gameplay-Aspekt mit sich bringen. Dies führt zusammen mit den restlichen Entscheidungen schließlich zu verschiedenen möglichen Enden, welche in Form eines Epilogs präsentiert werden.
Augen und Ohren auf!
Grafisch bleibt man dem Comic-Stil treu, welcher die an sich realistisch gestalteten Umgebungen und Charaktere leicht abstrahiert. Bei der Qualität hat man allerdings eine große Schippe nachgelegt. Die Umgebungen bieten viele Details und schöne Kulissen, am meisten hat sich aber im Vergleich zur ersten Staffel in den Gesichtern der Charaktere getan. Diese wirken nun deutlich lebendiger und Emotionen werden dadurch viel besser transportiert. Auch die Animationen wirken natürlich.
Ein besonderes Lob verdient die Akustik des Spiels. Neben Serien-Komponist Jonathan Morali, welcher mit ruhigen und melancholischen Klängen die Schlüsselszenen stimmig untermalt, kommt wiederum lizenzierte Musik zum Einsatz, welche vor allem in jenen Momenten zum Zug kommt, wo die Charaktere im Spiel Musik hören. Mit dabei sind namhafte Bands wie The Streets, Phoenix und Bloc Party. Die lizenzierte Musik ist dabei vor allem in den ersten drei Episoden zu hören, danach nur noch sehr spärlich. Dies ist etwas schade, weil damit ein Merkmal von Life is Strange in der Mitte der zweiten Staffel etwas auf der Strecke bleibt.
Zusätzlich können die englischen Sprecher überzeugen, allen voran Gonzalo Martin (Sean) und Roman George (Daniel) haben mit viel Text die Aufgabe, das Spiel in einigen emotionalen Szenen zu tragen. Dies gelingt mit Bravour! Vor allem die Besetzung des jungen Daniel hätte potentiell ein Stolperstein sein können, aber die Chemie zwischen den beiden Spiel-Brüdern wurde sehr gut eingefangen und bleibt positiv in Erinnerung. Leider überdeckt Seans innerer Monolog schon mal ein Gespräch, was zwar nicht das generelle Verständnis beeinträchtigt, aber dennoch ärgerlich ist.
Liebe zum Detail
Die deutschen Texte sind mehrheitlich gelungen, einige Schnitzer haben sich jedoch leider eingeschlichen. Dies betrifft vor allem einige Chat-Nachrichten auf Seans Smartphone, welche teilweise hölzern und unbeholfen wirken. So wird auf einen „Papawitz“ schon einmal mit einer „Gesichtspalme“ reagiert, was nun nicht gerade gängigem deutschen Sprachgebrauch entspricht. Das englische Original wirkt hier mit Slang und dem einen oder anderen Meme jedoch definitiv stimmiger.
Als zusätzliches Feature besitzt Sean ein Tagebuch, welches er selbstständig führt und immer wieder aufdatiert. Dieses ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet und mit vielen Skizzen versehen. Sean besitzt nämlich eine künstlerische Ader und auch während des Spiels können an festgelegten Punkten neue Zeichnungen für das Tagebuch angefertigt werden. Dies ist vergleichbar mit den Fotografien aus dem Erstling. Zudem kann man so die Ereignisse, welche man in den Zeitsprüngen zwischen den Episoden als Spieler verpasst hat, nachvollziehen.
Auch sonst haben sich die Entwickler viel Mühe gegeben, der Welt Leben einzuhauchen. Viele kleine Details und Interaktionen gibt es zu entdecken, welche man jedoch auch weglassen kann, wenn man nur an der Hauptgeschichte interessiert ist. Die fünf Episoden liefern so ungefähr 20 Stunden voller Drama, aber auch ruhige und entspannte Momente. Ein paar wenige Sammelgegenstände runden das Ganze noch ab.
Das Leben ist unfair – aber nicht unser Fazit!
Life is Strange 2 nimmt den Spieler auf eine emotionale Achterbahnfahrt mit. Dramatische und schockierende Szenen wechseln sich mit ruhigen, lustigen und herzerwärmenden Momenten ab, wobei Sean und Daniel dem Spieler schnell ans Herz wachsen. Positiv ist auf jeden Fall, dass die Entscheidungen des Spielers Auswirkungen haben, auch wenn sich gewisse Dinge unvorhersehbar entwickeln können. Manchmal ist das Leben halt einfach unfair. Dies wird angereichert mit einer übernatürlichen Kraft und teils extremen Charakteren.
Wer auf eine starke Geschichte mit zahlreichen moralischen Entscheidungsmöglichkeiten und Zwickmühlen Lust hat, kann sich problemlos auf Life is Strange 2 einlassen.
Story
Gameplay
Grafik
Sound
Sonstiges
Bildmaterial: Life is Strange 2, Square Enix / Dontnod Entertainment
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