Titel | Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes |
23. April 2024 | |
505 Games | |
23. April 2024 | |
505 Games | |
23. April 2024 | |
505 Games | |
System | Alle modernen Systeme |
Getestet für | PlayStation 5 |
Entwickler | Rabbit & Bear Studios |
Genre | Rundenbasiertes RPG |
Texte | |
Vertonung |
2020 ließ eine Kickstarter-Kampagne die Herzen von Suikoden-Fans höherschlagen: Suikoden-Schöpfer Yoshitaka Murayama (möge er in Frieden ruhen) sammelte Geld für ein Projekt namens „Eiyuden Chronicle“, das zwar den Markennamen Suikoden nicht trug, doch offensichtlich ein spiritueller Nachfolger war.
Wie Suikoden
Eiyuden Chronicle handelt wie die Suikoden-Spiele vom Kampf einer Gruppe von Rebellen gegen ein machthungriges Imperium. Als Protagonist einer zunächst kleinen Truppe liegt es an euch, Mitstreiter zu rekrutieren, eine Armee aufzubauen und Schlachten zu schlagen. Die Handlung ist denkbar klassisch, glänzt aber durch viele charismatische Figuren.
Da wäre etwa Perielle, die einen persönlichen Groll gegen den Anführer des Imperiums hegt, oder Seign, der in den Reihen des Imperiums die Richtigkeit seiner Handlungen zu hinterfragen beginnt.
Im Gegensatz zu vielen Suikoden-Spielen fehlt allerdings eine gewisse Tragik. Obwohl Krieg ein zentrales Thema ist, werden die Konsequenzen eher seicht dargestellt. Verlust und Entbehrung werden thematisiert, doch selten wird es dabei wirklich persönlich oder dramatisch.
Sehr gut wiederum wird das Gefühl des Miteinanders und Zusammenhalts im Angesicht einer verzweifelten Situation vermittelt. Nach einer Weile fühlt sich das Hauptquartier wie ein Zuhause an und die Charaktere wie eine große Familie.
In einer Handvoll ausgewählter Szenen kann Eiyuden Chronicle zudem absolut überzeugen – sowohl inhaltlich als auch durch die audiovisuelle Präsentation. Größtenteils wird die Geschichte durch Dialoge erzählt, doch hin und wieder gibt es spektakuläre Actionszenen, die erstaunlich cineastisch sind. Vor allem das Finale kann hier voll überzeugen.
Übrigens: Im Gegensatz zur Suikoden-Serie spricht der Hauptcharakter in Eiyuden Chronicle und besitzt eine Persönlichkeit. Definitiv ein gutes Novum!
Schnapp sie dir alle!
Insgesamt 120 Charaktere gibt es zu finden und die Vielfalt könnte kaum größer sein. Es gibt Kinder und Alte, Stadtmenschen und Wüstenvölker, Krieger und Künstler und wohl die größte Auswahl von Fantasiewesen, die ich je in einem Spiel gesehen habe: Bäume, Oger, Kängurus, Wölfe, Haie und viele mehr gesellen sich in eure Reihen.
Viele davon schließen sich im Rahmen der Geschichte an, doch weit mehr noch müsst ihr selbst rekrutieren. Zum Teil genügt es, sie einfach nur zu finden, doch für viele der Figuren gilt es, Nebenaufgaben abzuschließen, die mitunter durchaus komplex sein können. Auch einige optionale Dungeons existieren nur zu diesem Zweck.
Es ist eine einzige Freude zu sehen, wie die eigenen Reihen wachsen und nach und nach mehr Auswahl bei der Gestaltung der eigenen Gruppe zu haben.
Sechs gegen sechs
Die größte Besonderheit des klassisch rundenbasierten Kampfsystems ist, dass bis zu zwölf Akteure zugleich auf dem Feld stehen – sechs auf jeder Seite. Charaktere sind zudem in Nah-, Mittel- und Fernkämpfer aufgeteilt, wobei Nahkämpfer nur in der ersten Reihe kämpfen können. Defensiv schlechter aufgestellte Charaktere sollten hinten positioniert werden.
Neu ist, dass Nicht-Kämpfer als Unterstützer mitgenommen werden können. Dabei sorgen sie für eine Vielzahl passiver Boni wie doppelte EXP oder Komfortfunktionen wie schnelleres Laufen. Leider steht durchgehend nur ein Unterstützer-Slot zur Verfügung.
Skills erhalten Charaktere über sogenannte Runen, die ausgerüstet werden können. Neben physischen und magischen Angriffen gibt es auch eine ganze Reihe von Runen, die Statuswerte erhöhen oder passive Effekte besitzen. Jeder Charakter hat andere Runen-Slots mit je eigenen Einschränkungen, deshalb lohnt es sich, mit einer Vielzahl von Setups zu experimentieren.
Weitere Synergien ergeben sich durch Teamangriffe, die bestimmte Konstellationen von Charakteren gemeinsam durchführen können. Die Vielfalt dieser Angriffe motiviert zusätzlich, sich nicht vorschnell auf eine Gruppe festzulegen.
Der Schwierigkeitsgrad ist auf „Normal“ zumeist moderat. Einige Bosskämpfe können allerdings durchaus gefährlich werden und in Dungeons sollte man seine Heilressourcen im Auge behalten.
Im Großen und Ganzen funktioniert das Kampfsystem gut. Einige Aspekte jedoch wirken nicht komplett durchdacht. So ist beispielsweise der MP-Verbrauch von Zaubern so hoch, dass Magier ständig auf Sparflamme laufen müssen, denn MP-Heilmittel sind rar.
Zudem kostet es Zeit, jedes Mal sechs Charakteren Befehle zu erteilen, weshalb eine Auto-Funktion zur Verfügung steht, die im Menü umfangreich konfiguriert werden kann. Das ist ein tolles Feature und weniger geduldige Spieler werden abseits von Bosskämpfen vermutlich größtenteils darauf zurückgreifen.
Altvertraut oder angestaubt?
Eiyuden Chronicle macht keinen Hehl daraus, modernen Gepflogenheiten bewusst zu trotzen. So setzt das Spiel auf Zufallskämpfe, verzichtet auf einen Questlog oder Marker und versteckt viele Komfortfunktionen wie schnellere Fortbewegung hinter optionalen Charakteren.
Diese bewussten Designentscheidungen sind oft willkommen. Zum Beispiel ist es schön, die Schnellreise-Funktion nach den ersten paar Spielstunden durch einen Charakter freizuschalten. Bisweilen fordern sie einem aber auch Geduld ab. Der größte Wermutstropfen sind hier vor allem die Zufallskämpfe, die nicht zu vermeiden sind.
Durch die Art, wie Erfahrungspunkte skalieren, findet schon nach einigen Kämpfen in einem neuen Gebiet kaum noch Wachstum statt. Trotzdem ist man gezwungen, die oft langen Kämpfe über sich ergehen zu lassen. Das ist vor allem bei der Charaktersuche störend, wo man oft Backtracking betreiben muss.
In der zweiten Spielhälfte eröffnen sich glücklicherweise Optionen, die Kämpfe zu reduzieren oder ganz abzustellen. Bis dahin jedoch hat man schon 20 Stunden gespielt.
Die Menüs sind ausgesprochen hübsch, doch bisweilen behäbig – so gibt es im Hauptmenü beim Wechseln zwischen den Punkten kurze Ladezeiten. Und überhaupt: Für ein modernes Spiel hat Eiyuden Chronicle ziemlich oft Ladezeiten, die zwar allesamt recht kurz ausfallen, in der Frequenz aber dennoch etwas stören. Alles fühlt sich ein wenig langsamer an, als es sein könnte.
Guter Spagat zwischen Erkundung und Handholding
Neu ist, dass man stets eine Karte hat, die einem auch sagt, wo das nächste Ziel in der Hauptquest ist. Bei Nebenaufgaben ist man jedoch gänzlich auf sich selbst gestellt, denn es gibt kein Questlog und keine Marker.
Manchmal gibt es überhaupt keine Hinweise, was überhaupt zu tun ist, und man ist dazu angehalten, selbst zu suchen. Das entschleunigt das Spiel bisweilen, gestaltet die Erkundung jedoch auch belohnend, denn an allen Ecken und Enden findet man etwas und es lohnt sich, Orte mehrfach zu besuchen.
Ebenfalls neu ist eine Funktion, durch die man sehen kann, welche Charaktere es aktuell zu rekrutieren gibt. Dabei werden nur die Silhouetten dargestellt und die Hinweise über ihren Verbleib sind oft schwammig, sodass man durchaus selbst suchen muss.
Dies ist ein schöner Kompromiss, der die Erkundung nicht trivialisiert, den Spieler aber auch nicht komplett im Dunkeln tappen lässt. Auch erfreulich: Im Gegensatz zu den Suikoden-Spielen kann man bedenkenlos ohne Guide spielen, denn kein Charakter mit Ausnahme des allerletzten ist permanent zu verpassen.
Und überhaupt kann man wenig verpassen, denn alle Orte im Spiel können jederzeit aufgesucht werden. Insgesamt fühlt sich Eiyuden Chronicle von seiner Machart wie ein leicht modernisiertes PS2-Spiel an – mit all den Stärken der klassischen RPGs jener Zeit, aber auch den gelegentlichen Frustrationen.
Spielerische Vielfalt und viel Charme
Die Dungeons in Eiyuden haben alle kleine Rätseleinlagen, die das Geschehen auflockern. Neben normalen Kämpfen gibt es zudem opulente Armeeschlachten in SRPG-Manier und Duelle, bei denen man in Reaktion auf das, was der Gegner sagt, zwischen Offensive und Defensive entscheiden muss. Allzu viel Tiefe bietet beides nicht, doch die Inszenierung profitiert sehr von diesen spielerischen Einlagen.
Darüber hinaus bietet das Spiel zahlreiche Nebenaktivitäten und Minispiele, die für Abwechslung sorgen. Kreiselkämpfe à la Beyblade, Kochduelle, ein Kartenspiel, Chocobo-Rennen (nur ohne Chocobos), Theatervorführungen, Angeln – an Minispielen mangelt es Eiyuden Chronicle keineswegs.
Einige davon sind denkbar simpel, mit anderen wiederum kann man Stunden verbringen. Der Mix macht’s. Besonders schön ist, dass diese Spiele alle mit der Rekrutierung von Charakteren verbunden sind. Da kann man auch verzeihen, dass sie selten nennenswerte Belohnungen darüber hinaus einbringen.
All diese Aktivitäten sind zudem mit sehr viel Humor und Charme verbunden. Die Hauptgeschichte bleibt größtenteils ernst, doch bei den Minispielen und der Rekrutierung kommt es zu allerlei absurden und überzeichneten Momenten, die überaus unterhaltsam sind. Hier haben sich die Entwickler kreativ ausgetobt, und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Schaffe, schaffe, Schlössle baue
Der Ausbau des Hauptquartiers war in jedem Suikoden Programm. Eiyuden Chronicle setzt hier ganz neue Maßstäbe: Durchs Sammeln von Ressourcen und Mitstreitern kann man das Schloss in einer Art riesigem Skillbaum immer weiter ausbauen.
Das sorgt für ein konstantes und motivierendes Gefühl des Fortschritts. Spielerisch und visuell merkt man stets, dass sich etwas tut, und es ist ein schönes Gefühl, die anfänglichen Ruinen zu einem prachtvollen Schloss aufzubauen. Schmied, Bauernhof, Markt und sogar mysteriöse Räume lassen sich bauen.
Durchs Errichten einer Gilde kann man Charaktere zudem auf Missionen schicken, in denen sie Ressourcen besorgen, die wiederum für den weiteren Aufbau und andere Aktivitäten genutzt werden können.
Das Hauptquartier war in Suikoden stets ein Highlight, doch nie war es eine so große Freude wie in Eiyuden Chronicle, wo man quasi eine kleine Stadt aufbaut.
Ein Genuss für Augen und Ohren
Der Soundtrack ist größtenteils eine Wohltat für die Ohren. Vor allem die Beiträge von Michiko Naruke überzeugen durch ihre Eingängigkeit und positive Energie. Motoi Sakuraba legt einige gute Battle Themes vor, verfällt in anderen Situationen aber leider in seinen bekannten Synthesizer-Einheitsbrei.
Großes Lob verdient ebenfalls die englische Vertonung. Insbesondere die Hauptfiguren sind sehr charismatisch vertont. Die englische Übersetzung ist sprachlich zudem absolut großartig, oft fast schon poetisch, und schafft es wunderbar, die verschiedenen Völker charmant durch sprachliche Eigenheiten zu akzentuieren.
Die deutsche Textfassung kann da leider nicht mithalten. Es handelt sich um eine relativ platte Übersetzung aus dem Englischen, die größtenteils zweckmäßig ist, jedoch die meisten charmanten Eigenheiten gänzlich glattbügelt. Hier mangelt es leider eindeutig an sprachlichem Fingerspitzengefühl.
Visuell setzt das Spiel auf 2D-Sprites in 3D-Umgebungen. Die Charaktere sehen dabei absolut fantastisch aus und sind zudem aufwändig animiert. So eine Vielzahl großer, ausdrucksstarker Sprites findet man sonst in kaum einem Spiel. Auch die Porträts sind ein absoluter Hingucker – handwerklich und kreativ.
Die 3D-Umgebungen sind teils etwas generischer, doch einige Städte und Dungeons glänzen durch tolle Ideen und generell ein sehr fantasievolles Design. Alles in allem fühlt sich alles im guten Sinne sehr klassisch an und erinnert positiv an klassische RPGs aus den 2000ern.
Die Rückkehr einer Legende
Story
Gameplay
Grafik
Sound
Sonstiges
Bildmaterial: Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes, 505 Games, Rabbit & Bear Studios