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Die Open-World: Warum mir offene Welten jeglichen Spielspaß rauben…

Bildmaterial: The Legend of Zelda: Breath of the Wild, Nintendo

Mittlerweile verkommt es zu einem alten Spiel: Nach einer schier ewig langen Pause greife ich zur Game Card von The Legend of Zelda: Breath of the Wild und versuche dieses Mal durchzuhalten. „So viele finden das Spiel toll, da muss doch etwas dran sein! Keine Kompromisse mehr, jetzt wird’s angepackt! Ohne Wenn und Aber!“ – 2 Stunden später entschwand ich ins Land der Träume. In dem Fall handelt es sich um keine Metapher für die Weiten Hyrules, nein, ich bin auf der Couch eingepennt. Mit dieser Taktik habe ich immerhin schon 25 Stunden Spielzeit angehäuft. In zweieinhalb Jahren, ich war Day-One-Käufer. Eigentlich hätte ich sogar noch früher loslegen können, denn die japanische Version trudelte bei mir einige Tage früher ein. Was für jeden anderen wohl als Glücksfall schlechthin gilt, stellte sich als vollständiger Fehlgriff heraus, denn Spaß wollte sich bei mir einfach nicht ergeben.

Final Fantasy XVI Rectangle

Doch woher diese Abneigung und die damit einhergehende Unlust zu weiterer Progression? In Anbetracht meines normativen Spielverhaltens stellt sich die Frage quasi nicht – Ich bevorzuge Games, die klare Ziele definieren und Problemlösungen in den Fokus stellen. Demgegenüber steht mit dem post-apokalyptischen Hyrule eine Open-World, in der man sich seine Ziele erst einmal selbst suchen muss. Die Hauptaufgabe verführt natürlich dazu, den schnellsten Weg zu nehmen, allerdings obsiegt häufig der Anspruch das Spiel so zu erleben, wie es „gedacht“ ist. Dem resultierenden Spieltempo muss man gewillt sein, sich zu unterwerfen, ansonsten verfällt man der Schläfrigkeit.

Der Hexer als Wurzel allen Übels

Hier war die Welt noch in Ordnung – GTA: Vice City. (Bild: Rockstar Games)

Wobei gesagt sein sollte, dass ich offene Welten und Sandbox-Elemente nicht per se ablehne. Frühe Experimente wie GTA: Vice City, Morrowind oder Ocarina of Time konnten mich sogar immens begeistern, was ich ihren technischen Limitierungen zuspreche.

Die gewählte Kulisse stand nie im Gegenspruch zum Design und unterstützte dieses eher. Unwichtige Elemente fielen von vornherein raus, da nur ausmodelliert wurde, was für den Spieler wirklich von Bedeutung war.

In meinen Augen ist das ein entscheidender Punkt, da die besten Vertreter ihrer Zunft diejenigen sind, die ihre Mechaniken mit einer Absicht gestalten, die zum Erlebnis beiträgt, aber die Zeit des Publikums nicht verschwendet. Eine Kolumne zu diesem Thema hat der Kollege Ruben bereits veröffentlicht, weshalb ich mich an diesem Kernpunkt gar nicht weiter abarbeiten möchte. Anderweitig würde ich mich wohl wie so häufig damit unbeliebt machen, eine mehrseitige Kritik mit Bezug auf all das zu verfassen, was Rockstar Games abseits seiner unbestrittenen Highlights (Bully, Tabletennis, L. A. Noire, Max Payne 3) in den letzten Jahren „verbrochen“ hat.

Stattdessen prügel ich lieber auf Everybody’s Darling CD Projekt RED ein. HAH! Ja, ganz toller Plan. Richtig gute Idee, Chris! Natürlich ist es ein wenig überspitzt formuliert, doch die Veröffentlichung vom dritten Teil der Witcher-Reihe markiert einen Wendepunkt in meiner Wahrnehmung unseres geliebten Mediums. Es waren nicht die toll geschriebenen Quests, die mich beeindruckten, die realistische Landschaft, die mich begeisterte, oder der gigantische Umfang, in dem ich mich vertiefen durfte. Mir liegt es kaum ferner, die Errungenschaften des Studios herabzuwürdigen, ein zentrales Element bei der Rettung von Geralts Ziehtochter Ciri stieß mit aber so sauer auf, dass es meinen gesamten Durchgang zur Qual verkommen ließ: Die Dissonanz zwischen Erzählung und Game Design.

Es benötigte wohl erst eine so handlungs- und charakterstarke Fallstudie, um mich auf einen wichtigen Missstand hinzuweisen. Die Narration eröffnet mit einer Dringlichkeit, die mich ergreifen soll und es auch umgehend schafft. Ein Ereignis kataklystischen Ausmaßes steht bevor und wir müssen etwas dagegen tun. Kennt man zweifelsohne aus jeder x-beliebigen Heldenreise, da man den Aufbau über mehrere Iterationen und eventuell auch über die literarischen Erzeugnisse Sapkowskis hinweg begleitet hat, steht der Beginn von Wild Hunt in keiner Relation zu manch lieblosem Werk.

Wo ist das Problem?

Wir kommen, Ciri! Nur noch eine Runde Gwent. (Bild: CD Projekt RED)

Nun sprach ich von einem Martyrium, durch das mich der Titel führte. Dieses gründet sich auf den Irrtum, dass eine offene Welt automatisch immersiver wirkt als strikt lineare Umsetzungen mit unglaubwürdigen Begrenzungen. So zumindest der allgemeine Tenor.

Wenn ich allerdings von einer Bäuerin, die ihre besten Tage schon hinter sich hat, den Auftrag erhalte, eine liebgewonnene Blechpfanne zu suchen, statt die mystische, weltenverschlingende Wilde Jagd aufzuhalten oder ein Land, das im Chaos des Krieges untergeht, zu befrieden, dann stelle ich mir zwangsläufig die Frage, ob der Charakter an solchen Belanglosigkeiten wirklich wachsen sollte. Noch seltsamer wird es, wenn der Blutige Baron vor meinen Augen sein Herz ausschüttet und im nächsten Dialogbaum die Option für eine Runde Gwent aufploppt, die er natürlich enthusiastisch annimmt. „Harharar, hier auf der Burg hat ihn noch niemand geschlagen!“

Aufgrund dieser Nebensächlichkeiten wirkt der Handlungsbogen auf mich zerfasert und es fällt mir wahnsinnig schwer die Spannung aufrechtzuerhalten, zumal das eigentlich die Aufgabe des Autors ist. Bei Filmen würde man sofort von „Pacingproblemen“ reden, sobald eine Geschichte ohne nennenswerte Highlights zu lang vor sich hinplätschert, bei Spielen hat sich daraus ein Trend entwickelt, der sich sogar konträr zu den Entwicklungen unseres kapitalistisch geprägten Alltags verhält. Wir schütten uns kontinuierlich mit Unmengen an Banalitäten zu, obwohl uns die Ressource Zeit stetig weniger zur Verfügung steht. „Flexibilität“ im Beruf und Home Office sei Dank.

Die Macht der Ausschweifungen

Worin liegt also der Trend begründet und woher stammt das Verlangen danach? Mir drängt sich umgehend eine starke Ähnlichkeit zur Literatur, vor allem in Anbetracht populärer Werke, auf. Ein gewisser Herr Tolkien ist regelrecht verschrien für seine ausufernden Landschaftsbeschreibungen, wobei sie sich mit zunehmender Seitenzahl eigentlich in Grenzen halten. Dennoch vermag es der Vater Mittelerdes mit klug eingesetzten Details eine lebendige Welt zu schaffen, die innerhalb ihrer Logik durchweg authentisch wirkt und fantasievoll Verknüpfungen zur Realität spinnt.

Der von ihm stark inspirierte George R. R. Martin tut es ihm gleich und übertrumpft sein Vorbild sogar stellenweise um ein Vielfaches. Abseits des Fantasy-Genres lassen sich ebenso Vergleiche anstellen, so dürfte es etwa Kennern der Metro-Romane möglich sein, eine exakte Karte der russischen U-Bahnlinien nachzuzeichnen, da sich die Bücher in den ersten Kapiteln eher wie Reiseführer mit Gruselgeschichten anfühlen.

Nicht allzu überraschend: Viele dieser Werke wurden in ein anderes Medium übersetzt. Ob nun als Film, Videospiel oder Serie, die Detailverliebtheit der Autoren regt die Fantasie des Lesers an, der sie aufgrund genauer Vorgaben gut interpretieren kann. Dementsprechend leicht fällt es Drehbuchautoren, Animatoren oder auch Szenenbildnern eine Adaption zu kreieren, die sich nah am Original bewegt.

Stolpersteine interaktiver Medien

Mit diesem Vorwissen gehen wir nun wieder zurück zum Witcher. Anders als bei Tolkien benötigen wir keine Beschreibungen unserer Umgebung, wir sehen sie bereits vor uns. Die Macher können daher auch nicht auf einen einfachen Trick der Literatur zugreifen: Statt lückenhafte Darstellungen automatisch von der Vorstellungskraft des Publikums ausfüllen zu lassen, muss ein exaktes Bild der Spielwelt vorgegeben werden, um ein hohes Maß an Realismus und Glaubwürdigkeit zu erzeugen.

Ein unheimlich hoher Detailgrad, doch der Funke springt auf Dauer nicht über. (Bild: CD Projekt RED)

Weiterhin sollte diese mit einzigartigen Feinheiten ausstaffiert sein, damit sie uns nicht unnatürlich erscheint. Der Aufwand im Schaffensprozess verdrängt dabei Ansprüche ebenso beteiligter Departments. Eine im Voraus geplante Spielerführung ist nicht mehr möglich, wenn dem Protagonisten vollständiger Freiraum gewährt wird. Genauestens austariertes Balancing kann nicht gegeben sein, wenn die Akteure non-linear Fortschritte erzielen. Es sind diese und noch viele weitere kleine Stellschrauben innerhalb der Designphilosophie, die das Produkt unrund erscheinen lassen.

Ebendies gilt für mein Problem mit den Brüchen in der Erzählung. Sobald das Gameplay nicht mehr durchdacht erscheint, ist die Story der Notnagel, der mich zum Weiterspielen motivieren soll. In Open-World-Titeln ist dieser aber von meinem eigenen Gusto abhängig, ich sollte gewillt sein, mir die Geschichte selbst erzählen zu können. Dazu ist das richtige Mindset entscheidend. Noch einmal komme ich auf Tolkien zu sprechen: Millionen Menschen haben seine Bücher verschlungen, da sie in die Welt von Mittelerde abtauchen und sich fallenlassen können. Sie erhalten eine Rahmenhandlung, wohnen einer klassischen Heldenreise bei und müssen sich um Ecken und Kanten keine Sorgen machen, der Tenor ist durchweg heroisch. Die Blaupause von Tolkiens Universum ist so anregend, dass sich der Leser zwangsläufig seine eigenen Geschichten ersinnt, da der pseudogeografische Freiraum reichlich Futter für Kreativität bietet. So ist etwa die Herr-der-Ringe-Lore Basis für eine der größten Fan-Fiction-Gemeinschaften im Internet, geschlagen (natürlich) nur von Teenie-Romanen. Mit was sich die Jungautoren dort vorrangig auseinandersetzen, lasse ich an der Stelle besser offen.

„Dann erzähle ich die Handlung eben selbst!“

RimWorlds Spielmechaniken sind auf Storytelling durch den Nutzer selbst ausgelegt. (Bild: Ludeon Studios)

Das Erleben eigener Geschichtsschreibung ist unabdinglich für den Erfolg eines Open-World-Spiels. Ob ich mich nun bei Breath of the Wild auf einem Baumstamm durch die Luft katapultieren lasse, da ich eine passende Fähigkeitenkombination entwickelt habe, in Just Cause 4 auf einem Torpedo in Richtung der nächsten Mission surfe oder in Mass Effect in eine Dreiecksbeziehung gerate, weil ich meinen inneren Playboy nicht zügeln kann, die Games müssen Experimenten und Entdeckern gegenüber offen sein, ansonsten gehen sie in der Masse unter. Mit dem eigentlichen Narrativ hat das, mit Ausnahme von Just Cause, freilich wenig zu tun, aber bei entsprechender Empfänglichkeit, bietet sich ein amüsanter Zeitvertreib.

Ähnliches gilt für Nebenaufgaben. Die müssen heutzutage nicht nur abwechslungsreich sein, sondern gleichzeitig verschiedene Lösungswege bieten, um noch irgendjemanden hinter’m Ofen vorzulocken. Da tritt man dann in GTA: Vice City eben mit einem Panzer zum illegalen Straßenrennen an und bombt alle Konkurrenten weg oder lockt in Skyrim einen Drachen zu einem Banditenunterschlupf, den man ausheben muss. Eben diese „Du glaubst gar nicht, was mir passiert ist!“-Geschichten, die man immer wieder gern erzählt, jedoch in den seltensten Fällen hören möchte, weil man sie nicht erlebt hat. Vergleichbar mit Partys, bei denen man gar nicht anwesend war. Psssst, kleine Information an die Dauerfeierer unter euch: Nein, der „Abriss“ letzten Samstag ist auf der Überheftigkeitsskala eher eine 1,5 von 10 und ihr habt nicht alle gef**kt.

Aufgrund der schieren Anzahl solcher Nacherzählungen, erhält man einen guten Eindruck davon, wie stark interpretationsabhängig Videospiele sein können. Wo andere Potenzial zur Selbstverwirklichung und für eine lustige Geschichte sehen, finde ich nur ein paar ungewollte Designentscheidungen, per Trigger ausgelöste Animationen und Minimalerzählungen. Könnte natürlich an der Krux liegen, schon viel zu viel Zeit mit dem Gaming und der analytischen Auseinandersetzung verbracht zu haben. Irgendwann hat man alles gesehen, jede Basis eingenommen, jede Fetch-Quest abgehakt. Ein völlig losgelöstes Abtauchen, wie man es aus der Jugend kennt, ist nicht mehr möglich. Wohl auch, da ich die Werke von Künstlern nicht mehr als Vehikel meiner eigenen Fantasie betrachte, sondern lieber selbstverantwortend kreativ bin. Muss ich mich nun also damit abfinden, dass mein Hobby in absehbarer Zeit keinen Spaß mehr macht?

Nintendo bremst die Entwicklung in Japan

Wegweisend wie kein zweites Spiel. (Bild: Nintendo)

Das Gros der jpgames.de-Leser wird sich die Frage gar nicht stellen, denn fernöstliche Videospiele blieben jenseits der 2000er weitgehend von diesem Trend verschont. Lediglich eine handvoll Titel wie Shadow of Colossus, Yakuza, Breath of the Wild oder Metal Gear Solid 5 nehmen sich einer gestaltbaren Darstellungs- und Erzählform an. Belegen lässt sich das mit der Tatsache, welchen Wandel japanische Videospiele durchmachten. Zwar wurden in Japan die ersten Schritte Richtung Open-World gegangen, Nintendo popularisierte jedoch schnell mit The Legend of Zelda die Verwendung einer Hubwelt, die einzelne Levels miteinander verbindet. An dieser Erfolgsformel wurde fortwährend festgehalten und Abwandlungen jener bestimmen das Bild vieler partiell offener Spielmodelle.

Westliche Entwicklungen der Moderne standen hingegen schon immer im Fokus spielerischer Freiheiten und möglichst hohem Umfang. Die gigantischen Erfolge von Titeln wie GTA III, Gothic oder The Elder Scrolls: Daggerfall trugen dazu bei, dass sich eine klar definierte Zielsetzung etablierte. Vom Publikum wohlwollend goutiert, wurden stetig neue Versatzstücke hinzuaddiert, die spielerisch völlig unausgegoren sein durften, sofern sie ein klein wenig mehr zur Optionsvielfalt beizutragen hatten. Okay, jetzt mache ich mich doch noch einmal unbeliebt … Ein regelrechtes Sammelsurium unsinniger Minispielchen und kaputter Mechaniken stellt GTA: San Andreas dar. Rockstar hat auf jegliche Kohärenz verzichtet, dafür wurde „Autotuning“ mit 2 verschiedenen Body Kits implementiert, weil’s gerade dank Need for Speed in Mode war, ein paar kleine Rollenspielelemente gibt’s obendrauf, da es jeder Shooter gemacht hat, und die Welt musste flächenmäßig unbedingt riesig sein, egal ob man sie mit interessanten Orten überhaupt füllen konnte.

Zum Standard im Westen

GTA: San Andreas – Meisterwerk oder teuer produzierte Designhölle? (Bild: Rockstar Games)

Finanziell gelohnt hat es sich dennoch, das Spiel hat eine ganze Generation geprägt. Dasselbe gilt für einige Open-World-Titel, die teilweise heute noch in der Early-Access-Hölle schmoren. Sei es DayZ, Rust oder The Forest, sie alle fanden ihr Publikum, da sich Möglichkeiten als Must Have verkaufen ließen, egal wie klobig die Steuerung ausfiel und wie wenig das Gameplay poliert wurde. Zuzüglich ist die enorme Bandbreite an Simulationen, die uns auf den Märkten angeboten werden, keine Überraschung. Profifußball, Zugfahrten, Kampfjets, Finanzmanagement – Es gibt eigentlich nichts, was der Westen noch nicht in Spielen simulieren ließ. Auch hier wird auf Spielspaß und Komfort bei zunehmendem Detailgrad wenig achtgegeben, die Funktionen müssen aber zweifelsohne ins Spiel. Und zwar alle. Mit den nächsten fünf Iterationen wird’s dann glattgebügelt, vielleicht, eventuell.

Diese marktanalytischen Erkenntnisse kulminieren letztendlich in einem Trend, der mein Beweggrund für solch einen ausschweifenden Text werden sollte. Die Branche versucht invasiv Designphilosophien salonfähig zu machen, ohne Antworten zu liefern, wie man sie mit der eigentlichen Erfolgsformel eines vormals inkompatiblen Genres vereinbaren kann. Unterhaltung oder ausgefeilte Erzählungen bleiben auf der Strecke.

Ein Blick auf das Jahr 2019

Mit dem Skiff geht’s in Gears 5 durch eine instanzierte Wüste. Macht nur keinen Spaß. (Bild: Xbox Game Studios)

Zuvor war bereits von der Metro-Reihe die Rede. Aufgrund der vielschichtigen Handlung, die 4A Games mit 2033 und Last Light erzählte, war ich Feuer und Flamme für den Abschluss der Artyom-Trilogie. Statt eine stringente Geschichte zu vollenden, entschied man sich für große, leere Abschnitte, die in Sachen Zähigkeit mit spröde gewordenen LKW-Reifen konkurrieren könnten. Sobald es dann erzählerisch spannend wurde, wirkten die Dialoge und Monologe plump, weil sie aus dem Nichts kamen und vorab aufgenommene Sprachsamples mit dem zuvor Erlebten überhaupt nicht übereinstimmten.

Exodus soll hier nur exemplarisch dienen, die Liste an misslungenen Open-World-Experimenten (und seien sie nur partiell) wird für mich immer länger. Gähnende Leere in RAGE 2 und Gears 5, unfokussierte Sammelaufgaben in Shadow of the Tomb Raider, gestrecktes Leveldesign in Wolfenstein II: The New Colossus sowie inspirationslose Nebenaufgaben und langweilige Bootsfahrten in God of War. Man erkennt bei den genannten Spielen ein grundsätzliches Verständnis für entsprechende Designkonzepte, einen Mehrwert bietet die Anwendung jener jedoch nicht.

Mit Code Vein steht nun ein Versuch aus Asien an, eine offene Welt mit Elementen aus der Souls-Reihe und Anime-Stilistik zu verknüpfen. Da ich mich zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Kommentars noch nicht ausgiebig mit dem Action-RPG beschäftigen konnte, erspare ich mir eine Einschätzung der allgemeinen Rezeption der Open-World-Aspekte. Stattdessen möchte ich zum Abschluss noch etwas weiter in die Zukunft schauen.

Interconnected Worlds als Rettungsanker

In Bloodborne verlassen wir selten die ineinander verschlungenen Straßen von Yharnam. (Bild: From Software)

Mit Elden Ring wagt sich Hidetaka Miyazaki erstmals aus der Komfortzone der Interconnected World heraus, was ich mit Bange aufgenommen habe, da das seit Demon’s Souls genutzte Erzählmodell eine perfekte Synergie mit dem Leveldesign und dem Gameplay bildet. FromSoftware erzählt gern kryptisch, ohne blass zu sein. Sie verbinden komplexe Hintergrundgeschichten, um den Status Quo einer Welt zu formen, und nutzen diese Kulisse, um ein Mysterium aufzubauen, in das man gern versinkt. Das Ergebnis ist ein Gesamtkunstwerk, bestehend aus perfekt aufeinander abgestimmten Mosaiksteinchen – ein Prozess, der länger als eine Dekade bis zur Perfektion währte und von dem viele weitere Titel profitierten.

Klar, das Konzept der Interconnected World, also miteinander verbundenen Levelabschnitten, die organisch diverse Biome und Gestaltungsmöglichkeiten im Leveldesign verschmelzen, ist nicht neu und findet sich in vielen klassischen Videospielen. Metroidvanias lassen sich dadurch sehr gut charakterisieren, viele Hubwelten bilden überdies eine gute Konnektivität mit dem Rest der Spielwelt. Die Rate hochkarätiger Beispiele fällt entsprechend hoch aus, da sich mit diesem System eine homogene Brücke zwischen Gamedesign und Erzählung schlagen lässt. Ob nun Metroid Prime, die Zelda-Ära vor Breath of the Wild, Rocksteadys Batman-Reihe oder Action-Adventures wie Soul Reaver, sie alle sind Zeugnis einer fortwährenden Entwicklung, die mal mehr und auch mal weniger Fokus auf filmische Zwischensequenzen legte, jedoch immer für immersive Erlebnisse sorgte. Bei Open-World-Titeln oder jenen, die Bruchstücke derer übernehmen, ist diese Konstanz nicht gegeben, vielmehr könnte man hier von einer „Hit and Miss“-Philosophie sprechen. Entweder der Schuss trifft genau ins Schwarze oder das gesamte Projekt versandet sang- und klanglos.

Resümee

Mein Appell an die Industrie ist eine Schlussfolgerung: Baut etwas Eigenes auf oder richtet euch nach prägenden Vorbildern, statt dem fahrenden Zug aufzuspringen und bereits funktionierende Erfolgsformeln „aufzupeppen“. Experimentiert mit Spin-offs, um neue Blickwinkel zu erhaschen. Vor allem aber vertraut euren Autoren. Ihre Geschichten sind grandios, es besteht also gar kein Grund sie unter trivialem Ballast zu begraben. Zumal dem heutigen Produktionsstandard geschuldet ist, dass Filme als Quell der Inspiration herangezogen werden. Der letzte Schritt wäre also, alle Tugenden dieses Mediums einzubeziehen.

Oder wartet darauf, dass euch jemand wie Miyazaki zeigt, wie es gemacht wird. Wenn er es denn weiß.

Please don’t fuck it up.