Dank Audun Sorlie von Sekai Project erhielten wir die großartige Gelegenheit, ein Interview mit Chris Hülsbeck zu führen. Der, aus Kassel stammende Komponist, lebt mittlerweile im kalifornischen Petaluma. Mit dem Stück „Shades“ meisterte er 1986 seinen ersten Erfolg, den er für das System Commodore 64 im Rahmen eines Wettbewerbes, für die Computerzeitschrift 64er Magazin, produzierte. Mittlerweile hat Chris Hülsbeck Soundtracks für über 70 Titel geschrieben, die hauptsächlich für den westlichen Markt bestimmt waren. Gemeinsam mit Sekai Project arbeitete er gemeinsam an einen neuen Soundtrack für Narcissu. Weitere Informationen findet ihr in unserem Interview.
Zur Person:
1) Da Sie nun in den USA leben, welche Verbindung haben Sie noch zu Deutschland?
CH: Ich besuche Deutschland mindestens einmal pro Jahr aus geschäftlichen Gründen und auch, um meine Familie und Freunde zu sehen. Allein in diesem Jahr war ich vier Mal da und ich pflege den Kontakt zu vielen Freunden und Kunden in der deutschen Videospielindustrie. Und natürlich kann ich nicht leben, ohne hin und wieder Currywurst und Spaghettieis zu essen!
2) Wann und wie haben Sie sich dazu entschieden, Ihr Hobby zum Beruf zu machen?
CH: Ursprünglich wollte ich Game Designer werden, die Musik war erstmal nur ein großes Hobby, aber als ich 1986 einen Musikwettbewerb im 64’er-Magazin gewann, da wusste ich, dass Videospielmusik meine Chance sein könnte, um in die Industrie einzusteigen. Nachdem ich meinen Fuß bei Rainbow Arts in der Türe hatte, konnte ich mir nicht mehr vorstellen, etwas anderes als Videospielmusik zu machen; Ich liebe diese Arbeit.
3) Wenn Sie die Wahl hätten, an welchem Videospiel möchten Sie gerne in Zukunft arbeiten?
CH: Ein neues Turrican Spiel wäre natürlich ganz oben auf meiner Wunschliste, oder vielleicht auch ein futuristisches Rennspiel. Ich mochte schon immer Spiele wie F-Zero oder Wipeout, deshalb habe ich viele Ideen für diesen Musikstil…
4) Können Sie uns einige Ihrer Lieblingsspiele nennen?
CH: Ich habe so viele, da wird das schwierig – aber hier sind mal ein paar: Actraiser (SNES), Portal 1 & 2 (PC), Luigi’s Mansion (Gamecube), Impossible Mission (C64), Tetris, Pooyan (Classic Arcade), R-Type (Arcade), Psycho Nic’s Oscar (Arcade), Assassin’s Creed (PC) und die Uncharted-Reihe sowie Red Dead Redemption sind alles persönliche Favoriten. Ich sende derzeit eine wöchentliche Live Show auf Twitch.tv, wo ich meine Favoriten durchspiele und Spiele ausprobiere, welche ich noch nie gespielt habe und dadurch bin ich ein großer Fan der Mega-Man-Reihe geworden. Diese Musik ist einfach fantastisch. Ich denke, ich sollte auch die Turrican-Reihe erwähnen, weil Turrican eine sehr engagierte Fangemeinde hat. Spiele mit Musik von Yuzo Koshiro sind ebenfalls automatisch weit oben auf meiner Liste.
Zur Arbeit:
1) Spielen Sie die Spiele, für welche Sie die Musik beisteuern?
CH: Ja, selbstverständlich spiele ich sie, um mich mit dem Gameplay und der Atmosphäre der Spiele vertraut zu machen und um die richtige Platzierung und Mischung der Musik zu überprüfen. Und obwohl mir mein Beruf als Videospielkomponist nicht allzu viel Zeit lässt um andere Spiele aus Spaß zu spielen, sehe ich mich dennoch selbst als Gamer, allerdings bin ich definitiv am besten in klassischen Puzzle- oder Arcade-Spielen.
2) Welche Informationen haben Sie, bevor Sie mit der Arbeit an einem Soundtrack beginnen? Eine grobe Beschreibung? Artworks von Charakteren und Umgebungen? Oder sogar erste Spielszenen?
CH: Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich, aber ich erhalte oft frühe Versionen des Spiels zum Ausprobieren und um ein Gefühl für die Musik zu entwickeln. Manchmal arbeite ich auch mit Concept-Art und der Story. Für Narcissu erhielt ich die Story, Artworks und Entwürfe.
Über die Arbeit an Narcissu:
1) Wie kam die Zusammenarbeit mit Sekai Project zustande?
CH: Nun, ich habe in der Vergangenheit eng mit einigen Mitarbeitern von Sekai Project gearbeitet. Wir trafen uns ebenfalls zur GDC und haben beim Essen darüber diskutiert. Als sie dann nach Gast-Kollaboratoren und Komponisten für zukünftige Projekte suchten, haben sie mit mir ein paar Ideen besprochen. Ich wollte schon immer an einem Japanischen Projekt arbeiten, daher war es für mich sehr interessant ihre Anregungen zu hören. Im Grunde haben beiden Seiten auf eine Chance zur Zusammenarbeit gewartet und mit Narcissu haben wir das perfekte Timing gefunden.
2) Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie hauptsächlich für westliche Titel komponiert. Stellt Sie Narcissu vor eine neue Herausforderung?
CH: Westliche Spiele sind besonders Action-orientiert und benötigen oft einen Soundtrack, welcher der Dynamik auf dem Bildschirm entspricht. Dies kann sehr viel Spaß machen, aber meiner Erfahrung nach mit Japanischen Spielen und der Zusammenarbeit mit Kataoka-san, ermöglichen diese Spiele mehr Nuancen, die dann eine stärkere Atmosphäre erzeugen. Ich bin sehr froh mit meiner Musik Geschichten zu erschaffen.
3) Welche Faktoren haben sie bei der Arbeit an Narcissu am meisten gereizt?
CH: Für mich als Musiker ist der attraktivste Teil eindeutig die Immersion, die Visual Novels der Musik erlauben. Sie stellt einen essentiellen Teil des Gesamten dar, der das Storytelling unterstützt. Narcissu ist etwas Besonderes im Bezug darauf, wie das Spiel mit einem solch tragischen Thema, wie dem Verlust von geliebten Menschen oder den Kampf mit tödlichen Krankheiten und ihrem unausweichlichen Ende, für uns, als menschliche Wesen, umgeht. Es ist schwierig und auch ungewöhnlich, Musik für ein solches Spiel zu komponieren, aber die Herausforderung macht es ebenfalls sehr spannend und auch emotional.
4) Für die Narcissu-Spiele haben eine Vielzahl unterschiedlicher Komponisten Werke beigesteuert. Die Musik verkörpert eine ganz besondere Ruhe, gelegentlich gepaart mit Trauer oder anderen Emotionen, aber stets, ohne zu aufdringlich oder manipulativ zu sein. Wo würden Sie Ihren Beitrag zur Musik auf emotionaler Ebene ansiedeln?
CH: Ich setze mich zunächst einfach an mein Keyboard mit simplen Klavier- oder Streicher-Sounds und lasse mich von der Geschichte und der Grafik leiten und inspirieren. Dann benutze ich meine Lieblings-Software (Steinberg Cubase) und arbeite diese Kompositionen weiter aus. Ich habe bereits einige wirklich schöne Melodien und Harmonien. Es fügt sich langsam alles zusammen.
5) Vor kurzem wurde angekündigt, dass sie an diesem Project mit dem Secret of Mana-Komponisten Hiroki Kikuta arbeiten. Kennen sie seine bisherigen Arbeiten?
CH: Ja, Kikuta-sans Musik ist exzellent und eine wahre Inspirationsquelle. Ich hörte seine Arbeite das erste Mal während Thomas Böckers Symphonic Fantasies Konzert in Köln, das ein Jahr nach Symphonic Shades, meinem eigenen Konzert mit dem WDR-Rundfunkorchester, aufgeführt wurde. Seitdem habe ich viele seiner Arbeiten gehört und als die Zusammenarbeit bei Narcissu dann zustande kam war ich sehr aufgeregt. Ich bin unheimlich gespannt darauf zu sehen, was für ein Soundtrack dabei, für dieses Projekt zustande kommt.
Wir danken Chris Hülsbeck für das Interview. Weitere Informationen über die Neuauflage von Narcissu findet ihr auf Kickstarter. Es fehlt nur noch ein kleiner Betrag, um das Ziel zu erreichen.