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Im Test! Shuten Order wird seine ausufernde Kreativität leider zum Verhängnis

Titel Shuten Order
Japan 05. September 2025
DMM Games
Nordamerika 05. September 2025
Spike Chunsoft
Europa 05. September 2025
Spike Chunsoft
System Nintendo Switch, PCs
Getestet für Nintendo Switch
Entwickler Too Kyo Games, Neilo
Genres Adventure, Visual Novel
Texte
Nordamerika Japan
Vertonung Japan

Mit The Hundred Line: Last Defense Academy liegt der letzte Too-Kyo-Games-Titel gar nicht mal so lange zurück. Dennoch hat Kazutaka Kodaka im stillen Kämmerlein schon am nächsten Titel gearbeitet. Mit Shuten Order schlägt man abermals eine kreative Richtung ein – gerade in Sachen Gameplay. Eigentlich ein, wie von Kodaka gewohnt, an Visual Novels angelehntes Detektiv-Adventure, will man mit einem buchstäblichen Genre-Mix für interessante Aspekte in Sachen Abwechslung sorgen.

Shuten Order erinnert hierbei in seinem Grundaufbau zwar sehr stark an Danganronpa, allerdings bleibt das nur der Ersteindruck. Mit verschiedensten Genre-Abstechern versucht man sich nämlich merklich von jeglichen Vergleichen zu lösen. Sei es das obligatorische Detektiv-Adventure, Escape-Room-Passagen, Survival-Horror oder auch Dating-Sim – Shuten Order will dies alles unter einen Hut bringen.

Wie diese vielen Genres jedoch unter besagten Hut passen und ob der Mischmasch überhaupt ein gutes Endprodukt ergibt, das lohnt sich definitiv herauszufinden. Interesse sollte der Titel nicht ausschließlich bei Danganronpa-Fans geweckt haben, denn Design, Prämisse und Gameplay wirken mehr als wild. Ob man sich hier allerdings nicht doch zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, wollen wir uns nun einmal anschauen.

Göttliche Kraft

Shuten Order beginnt mit einem Knall: Ein zerstückelter Leichnam fällt geradezu mit göttlicher Ästhetik vom Himmel herab, ein Beobachter frohlockt beim Anblick und stößt euphorisch ein „Happy New End“ in die Weiten der klaren Nacht hinaus. Was wie eine göttliche Offenbarung inszeniert ist, stellt sich allerdings im Folgenden als ein recht tragisches Ereignis heraus. Unsere Protagonistin selbst ist nämlich dieser Leichnam – und wird auf sonderbare Weise durch die Kraft Gottes wiedergeboren.

Nach einem ungewöhnlichen Besuch zweier Engel, die unsere wiedergeborene Heldin eher absichtlich im Dunkeln lassen, macht sich Rei Shimobe auf die Suche nach ihrem Mörder. Die sogenannte Shuten Order dient hierzu als Bühne, denn hierbei handelt es sich um einen sektenähnlichen Gottesstaat, der strikte Regeln verfolgt und zumindest augenscheinlich auf Zucht und Ordnung setzt. Das Opfer Rei Shimobe war darüber hinaus die Gründerin dieses Gebiets – was den Fall umso spektakulärer macht.

Verdächtigt werden selbstverständlich die Staatsminister – und hier beginnt dann auch schon der wilde Ritt auf dem Gameplay-Karussell. Um den Fall aufzuklären, wählt man in Shuten Order verschiedene Routen aus, jede mit einem anderen Gameplay-Kern und einem anderen Minister als Hauptfigur. Erzählerisch sammelt man theoretisch in jeder Route Bröckchen an weiterführenden Informationen, um später ein großes Ganzes daraus zu formen. Auch wenn die Geschichte insgesamt durchaus spannend ist, hat die freie Auswahl der Routen in Sachen Erzählstruktur ihre Tücken.

Zäher Erzählstil

Dem kreativen Ansatz zum Trotz gestaltet sich die Erzählstruktur von Shuten Order leider eher zäh – besonders, da man keine feste Routenreihenfolge vorgibt. Die Informationsbrocken der einzelnen Routen sind hier schlussendlich mehr als klein, was einem nach gut 40 Stunden mitunter immer noch kein klares Bild beschert. Auch der zusammenführende Endabschnitt zieht sich gewaltig in die Länge. Äußerst schade, denn die einzelnen Routen selbst sind – bis auf wenige Ausnahmen – recht gut erzählt.

Das gesamte Spiel wird dadurch zu nichts Halbem und nichts Ganzem, da die verschiedenen Routen zwar als Teilhandlungen sauber erzählt sind, letztlich aber nur als marginale Teile einer viel zu stark in die Länge gezogenen Hauptstory mitschwingen.

Die Themen und der schließlich aufgedeckte Fall mitsamt Hintergründen lassen allerdings keinen Zweifel an Kodakas Handschrift. Der Mann sprüht vor Kreativität – und das ist auch in Shuten Order deutlich spürbar. Jedoch haben selbst die ausgeklügelteste Geschichte und der kreativste Charme wenig entgegenzusetzen, wenn Struktur und Erzähltempo fehlen.

Texte und Story sind aber nicht alles in Shuten Order, denn zur Auflockerung der Handlung hat man sich an einen Mix aus verschiedenen Genres gewagt. Jede Route bringt ein neues Gameplay-Element mit sich, um nicht die ganze Zeit einfach nur zu lesen. Eine interessante und erneut kreative Idee – doch auch hier muss man mit Abstrichen leben.

Ein Abstecher in unbekannte Gewässer

Das besondere Feature von Shuten Order ist der Gameplay-Mix aus verschiedenen Genres. Wie bereits erwähnt, beschränken sich die ungewöhnlichen Gameplay-Mechaniken auf die verschiedenen Routen der Story. Auch wenn manche Routen ein eher actionorientiertes Gameplay mitliefern, so dienen die Mechaniken im Grunde nur der Auflockerung des eigentlichen Visual-Novel-Erlebnisses.

Eine Route setzt zum Beispiel auf eine stark weichgespülte Hommage an Danganronpa, mit Erkundungspassagen und einer Art Verhandlung am Ende, um einen Täter zu überführen. Die eher actionlastigen Routen bringen Puzzle-Mechaniken und Survival-Horror-Elemente mit sich, die – obwohl wirklich unterhaltsam – eher als Dekoration fungieren. Eine Dating-Sim-Route versetzt unsere Protagonistin in ein Schulsetting, in dem sie eine der Mitschülerinnen mit ihrem Charme verzaubern muss.

Das letzte der fünf Szenarien wirft den Spieler in ein klassisches Visual-Novel-Setting, mit Textwänden und zahlreichen Entscheidungsmöglichkeiten, um voranzukommen. Dieser Part ist auch der zähste, was das Pacing betrifft, für Fans von Visual Novels aber womöglich einer der interessantesten. Alle Gameplay-Abstecher sind in erster Linie kreativ und unterhaltsam umgesetzt – allerdings dienen sie letztlich nur als Gimmick, was man an der oft fehlenden Herausforderung der Puzzles und Aufgaben merkt.

Interessantes Design

Shuten Order bietet neben dem Gameplay auch ein sehr ansprechendes Design. Die Charaktermodelle sind ausgefallen und ausdrucksstark. Auch hier erkennt man unverkennbar die Handschrift von Kodakas Team, denn – wie schon in Danganronpa – geben sich außergewöhnliche und exzentrische Charaktere die Klinke in die Hand.

Mit verschiedenen übertriebenen Effekten werden Szenen hervorgehoben und Leben in die Geschichte gebracht. Teilweise wechselt man auch von bloßen Textbox-Dialogen zu 3D-Erkundungspassagen oder sogar in eine First-Person-Sicht. An der Umsetzung gibt es hier wenig auszusetzen. Stellenweise weicht man sogar von der typischerweise in Lila gehaltenen Farbe von Blut ab und färbt dieses tatsächlich rot ein – möglicherweise ist das aber auch einfach den Zensoren durchgerutscht.

Musikalisch erinnert Shuten Order wieder stark an Danganronpa. Die Stücke klingen so ähnlich, dass man fast glauben könnte, sie seien direkt aus den alten Spielen übernommen. Mich konnte der Soundtrack relativ wenig bewegen, da er mehr im Hintergrund ohne große Akzente dahindudelt. Letztlich ist das aber Geschmackssache, denn schlecht ist die musikalische Untermalung keineswegs. Die japanische Synchronisation hingegen ist wieder einmal ein Highlight. Besonders unsere androgyne Protagonistin wird hier ebenso mehrdeutig gesprochen.

Kreative Umsetzung mit schwächelndem Kern

Shuten Order sprüht vor kreativen Ideen und Umsetzungen. Die verschiedenen Gameplay-Mechaniken machen einen sehr guten Job, das eigentliche Visual-Novel-Gameplay aufzupeppen – allerdings fehlt es hier und da an Herausforderung, was das Ganze teilweise etwas zu flach wirken lässt. Die Storys der einzelnen Teilrouten sind gut durchdacht und in sich interessant und schlüssig.

Leider leidet darunter das Pacing der gesamten Erzählung. Die Routen verteilen mikroskopisch kleine Bröckchen an Hinweisen, um den Hauptfall aufzudecken – was dazu führt, dass man nach knapp 40 Stunden teilweise immer noch keinen Schritt weiter ist. Das Problem ist hier ganz klar die freie Auswahl der Routen, was erzählerisch die Struktur zwangsläufig ins Schwanken bringt.

Mit ein wenig mehr Struktur und besserem Pacing der Routen – und vor allem der Hauptstory – wäre Shuten Order sicherlich ein genialer Geheimtipp geworden. So fällt der Titel eher flach, auch wenn man Kodakas Kreativität und Mut zu einem solchen Konzept durchaus loben kann.

 

Story

Detektiv-Visual-Novel mit fünf unabhängigen Teilrouten.

Gameplay

Mix aus verschiedenen Genres wie Dating-Sim, Survival-Horror, Escape-Room-Puzzles – durch teils fehlenden Anspruch aber mehr Gimmick als Gameplay.

Grafik

Interessante Designs und Inszenierung verschiedener Szenen, ausgefallenes Charakterdesign.

Sound

Größtenteils unauffällig, aber nicht störend; japanische Synchronisation herausragend.

Sonstiges

Freie Auswahl zwischen den Teilrouten.

Bildmaterial: Shuten Order, Spike Chunsoft, DMM Games, Too Kyo Games, Neilo

1 Kommentar

  1. Ok. das Problem der Routenreihenfolge scheint dem ganzen nicht gut zu tun. Finde die Mischung aus Detektiv-Adventure, Escape-Room-Passagen, Survival-Horror oder auch Dating-Sim trotzdem sehr interessant, so dass ich dennoch früher oder später mal rein schauen werde. Vielleicht dann in einem Sale.

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