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Im Test! Iwakura Aria ist visuell ein Genuss, aber als Novel leider nur guter Durchschnitt

Titel Iwakura Aria
Japan 27. Juni 2024
MAGES.
Nordamerika 14. August 2025
PQube Games
Europa 14. August 2025
PQube Games
System Switch, PC
Getestet für Nintendo Switch
Entwickler MAGES.
Genres Visual-Novel
Texte
Nordamerika Japan
Vertonung Japan

Ein großes Herrenhaus, ein enigmatischer Hausherr und eine weiße Dame – Iwakura Aria ist eine Visual-Novel, die den Charme viktorianischer Mystery nach Japan transportiert. Als das unscheinbare Waisenmädchen Ichiko als Hausmädchen angeheuert wird, ahnt sie nicht, was für Geheimnisse das Anwesen für sie bereithält.

Dort angekommen trifft sie auf die namensgebende Aria Iwakura, die Tochter des Hausherren, die Ichiko durch ihre übersinnliche Schönheit in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt. Das Iwakura-Anwesen ist im westlichen Stil gebaut und versetzt die naive Protagonistin so in Erstaunen.

„Coming of Age“-Story mit Mystery und Queer-Elementen

Im Kern ist Iwakura Aria eine „Coming of Age“-Story mit Ichiko als Zentrum des Narrativs und primäre Erzählerin. Wir hören ihre Gedanken und Zweifel und erleben das Rätsel um Aria durch ihre Augen. Teilweise sehen wir auch kurze Szenen außerhalb von Ichikos Dunstkreis, die aber meist nur Foreshadowing in ein paar kurzen Sätzen geben.

Im Laufe der Geschichte erfährt Ichiko mehr über ihre neue Umgebung, die Menschen um sie herum, aber auch über sich. Sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen und hat nie Zuspruch oder Liebe erfahren, weshalb die freundlichen Bewohner des Hauses in ihr emotional viel berühren. Ihre Beziehung mit Aria ist geprägt von extremer Bewunderung – vielleicht ein wenig Obsessivität, aber auch Angst und Unsicherheit. Im Duett mit Aria erfährt sie so mehr über ihre Gefühlswelt und lernt, für sich selbst einzustehen.

Die immer wiederkehrende Schwäche Arias lässt Ichikos Beschützerinstinkt aufflammen und führt zu Situationen, in denen sie Aria unterstützen und pflegen muss – was zu vage angedeuteten, intimen Situationen führt. Die zarten Yuri-Elemente sind subtil und natürlich in die Geschichte eingebettet.

Ein Liebesbrief an englische Ästhetik

Aria Iwakura als Charakter ist wie aus einer edwardianischen Geschichte entsprungen. Schwindsüchtig-blass wandelt sie mit unnatürlicher Eleganz im weißen Kleid durch das Haus. Mit einer mysteriösen Krankheit geschlagen ist sie oft ans Bett gefesselt und kann kaum etwas essen. Sie ist als eine ziemlich klare Hommage an den Archetyp der tuberkulosekranken Lady in der englischen Literatur zu verstehen, die Blässe und Schwäche ist nur eine weitere Zurschaustellung der damals bevorzugten, idealen Weiblichkeit.

In Verbindung mit Ichikos Liebe zur Kunst bin ich ein wenig traurig, dass diese Bewunderung weder in Text noch Bild wirklich künstlerisch ausgestaltet wurde. Dabei hat das Spiel noch das kleine Extra, dass Ichiko ein Skizzenbuch befüllt, wenn sie etwas Schönes sieht. Hier hätte man wunderbar Bezug auf klassische Bildsprache nehmen oder das Thema der Ästhetik weiter erforschen können.

Diese Lücke wird auch nicht durch den Text gefüllt. Leider sind Ichikos Worte als Erzählerin oft repetitiv, ihre Preisung von Arias schlanker Gestalt oder porzellanweißer, reiner Haut ist spätestens nach dem dritten Mal angekommen und uninteressant zu lesen. Auch hier hätte es tausende Vorlagen an Liebesgedichten oder literarischen Umschreibungen gegeben, derer sich zumindest bei der englischen Übersetzung nicht bedient wurde.

Zwischen Spannung und Lähmung

Die Visual-Novel verlangt von euch kein detektivisches Geschick, sondern durchbricht den ruhigen Erzählfluss nur gelegentlich, wenn man etwa auswählen muss, in welchen Raum man gehen möchte oder wenn man hin und wieder eine der Antworten auswählen kann. Das bedeutet nicht, dass es keine Konsequenzen gäbe: Entscheidungen führen unter Umständen zu einem anderen Ende der Geschichte, teilweise drastisch anders. Absehbar ist das nicht immer, ich empfehle hier, einen Guide zu nutzen, um in den Genuss aller Enden zu kommen.

Der Erzählfluss selbst ist ruhig und langsam. Ichiko erfährt viel über Aria, indem sie alte Fotos oder Gegenstände findet, während sie als Hausmädchen aufräumt und putzt. Teilweise ist es ein wenig zu ruhig – die Geschichte bremst sich selbst, indem die Tage im Spiel dahinplätschern und wenig Struktur im Narrativ geben. Unterhaltungen zwischen Charakteren sind teilweise belanglos und sich wiederholend. Hier hätte es eine kurze Zusammenfassung auch getan.

Doch sobald ein Hinweis auf beunruhigende Vorgänge auftaucht, fesselt das Spiel mit genau der richtigen Mischung aus Ungewissheit und dunkler Vorahnung, was die AutorInnen meiner Meinung nach meisterhaft eingesetzt haben. Ist ein Hinweis zu unverständlich, verwirrt und frustriert er nur, reibt man es den Lesenden zu klar ins Gesicht, büßt die Geschichte an Spannung ein. Genau hier strahlt das Spiel mit wunderschönen Set-ups, auch wenn der Pay-off nicht immer den Impact hat, den man erwartet.

Es zeigt aber, was das Spiel noch an Spannung und Pacing erreichen hätte können, wenn in allen Belangen so sauber gearbeitet worden wäre wie bei den Hinweisen.

Künstlerisch schön illustriert

Die Hintergründe und Charaktere sind wie in einem Anime gezeichnet, jedoch mit einem Pinselstrich, der eher an ein Ölgemälde erinnert. Die Räume sind je nach Tages- und Jahreszeit stimmungsvoll in Szene gesetzt und detailliert gezeichnet. Besonders anzusehen sind die comichaften Schlüsselszenen im Aquarellstil, die uns ausdrucksstarke Bildausschnitte in Schwarz-Weiß zeigen. Sowohl Blickführung als auch die Konzentration auf das Wesentliche sind hier jedes Mal wunderbar umgesetzt.

Umso enttäuschender sind manchmal die Standbilder in Vollfarbe, die wie ein Ölgemälde aussehen sollen: Die Charaktere sind nicht so klar und griffig zu erkennen wie in den Schwarz-Weiß-Darstellungen oder den Sprites und sehen manchmal ein wenig verunglückt und schief aus. Der Impact bleibt so auf der Strecke.

Flawed Masterpiece – oder entspannte Teatime?

Iwakura Aria ist nichts Halbes und nichts Ganzes. An den Stellen, wo die Ausführung den Punkt trifft, ist es ein Beispiel für meisterliche Erzählkunst in der Visual-Novel. An allen anderen Stellen fällt dafür der Mangel an Qualität umso mehr auf. In der Gesamtbetrachtung bleibt Iwakura Aria daher eher durchschnittlich.

Es fühlt sich an wie ein Comfort-Anime, der sich zwar an der dunklen Ästhetik ergötzt und sicherlich ein Liebesbrief an das Mystery-Genre ist, doch zu wenig Spannung aufbringt, um hier konsequent zu überzeugen. Im Kern ist es eine ruhig erzählte „Coming of Age“-Story über Freundschaft, Liebe und das Erwachsenwerden.

Iwakura Aria ist auf der Switch ein visueller Genuss und tut sich durch das besondere Setting und den Artstyle hervor. Als Novel hingegen bleibt sie in Schreibstil und Tempo eher durchschnittlich. Für Fans des Genres sicherlich einen genaueren Blick wert!

 

Bildmaterial: Iwakura Aria, PQube Games, MAGES

2 Kommentare

  1. Habe es ja auch schon durch und war eher ernüchtert. Visuell wirklich großartig, aber zu kurz, vorhersehbar, die Endem unterscheiden sich zu wenig, das Tempo fällt zu schnell ab, Spannung kam kaum auf.

  2. War auch eher enttäuscht, nachdem mich Grafik und Setting zunächst sehr angesprochen hatten. Es geht halt primär, um die Liebesgeschichte, die mir zu simpel umgesetzt war. Ja, sie ist wahnsinnig schön, ja du bist wahnsinnig verliebt, ja, das sagst du ständig. Das war's dann aber auch schon.

    Schade.

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