Selten gibt es einen solchen Konsens in den Rezensionen wie gestern Nachmittag zu Zelda: Tears of the Kingdom. Es hagelte die „Perfect Scores“ und Superlative. „Meisterwerk“ war noch der gängigste. Wenn sich die Berichterstattung derart einig ist, stehen die Chancen gut, dass das zugrundeliegende Werk auch sehr vielen SpielerInnen gefällt. Prima!
Aber ebenso wie es SpielerInnen gibt, denen Zelda: Tears of the Kingdom nicht gefallen wird, so gibt es auch Reviews, die mit Zelda: Tears of the Kingdom nicht zufrieden sind. In den sozialen Medien reichte man noch gestern Abend die Rezension von GFinity Esports durch die Timelines. Dort gab es eine 6 von 10 – das sind 60 Prozent! Das muss man sich mal vorstellen. Da muss jemand überhaupt keine Ahnung haben und davon viel.
Der Tweet mit dem Link zum Review ging viral und immer, wenn es deutlich mehr Quote-Retweets als Retweets gibt, weiß man, dass sehr viele Menschen mit etwas nicht einverstanden sind. Es gab so viel „Feedback“, dass der Autor des Reviews mit seinem Twitter-Account auf „privat“ gehen musste.
Viele NutzerInnen dürften das Review dabei gar nicht gelesen haben, daran ist GFinity Esports natürlich auch ein bisschen selbst Schuld. Wenn man Spiele auf eine Zahl reduziert, muss man wohl damit leben, dass auch viele LeserInnen die Reviews auf die Zahl reduzieren. Das ist schade, aber die logische Konsequenz.
Wer allerdings wenigstens das Fazit des Tests gelesen hat, könnte erahnen, dass es durchaus valide Kritikpunkte an Tears of the Kingdom gibt. Subjektiv natürlich, aber ich verrate euch etwas: Es gibt keine objektiven Reviews. Und es gibt auch Menschen, die sehr gut bewertete Spiele nicht gut finden. Ich bin zum Beispiel überhaupt nicht mit Horizon Zero Dawn warm geworden.
Just for the clicks
Der häufigste und noch einer der angenehmeren Vorwürfe zum hier besprochenen Zelda-Review: nur für die Klicks. Außerdem – und das funktioniert mit Zahlen halt leider auch hervorragend: Karmesin und Purpur hätten von diesem Medium 8 von 10 bekommen – lächerlich! Der Vergleich auch. Anderer Autor, grundverschiedene Spiele, was soll das?
Nun kann man natürlich argumentieren, dass das Review einer E-Sports-Site vielleicht nicht maßgeblich zur Meinungsbildung für einen neuen Singleplayer-Blockbuster taugt. Im Text bildet sich das aber nicht ab. Der Autor bringt valide Kritikpunkte: Eine fummelige Steuerung beispielsweise, die durch die neuen Mechaniken nur noch mehr hervortritt.
Die Marketing-Kampagne kritisiert er, die eine der größten Fragen der Fans offenließ: Gibt es wieder klassische Dungeons? Inzwischen heißt es eigentlich: ja, schon irgendwie. Das „Ask the Developers“-Interview brachte einen Tag vor dem Launch die vermeintliche Gewissheit. Die Reviews sind sich da nicht so einig. Dort liest man, auch in Texten mit sehr guten Bewertungen, eher davon, dass die Hoffnung auf Dungeons wie in Ocarina of Time enttäuscht werden würde.
Also doch keine klassischen Dungeons? Größer und besser als die Titanen-Dungeons in Breath of the Wild, finden die meisten. Aber eben keine Dungeons, mit kleinen und großen Schlüsseln, dem neuen Bumerang, den ihr zum Lösen der Rätsel benötigt und so weiter.
Die Dungeon-Debatte
Game Informer schreibt, es gibt „ein paar traditionelle Zelda-Dungeons“. Ok. Nintendo Life findet die Dungeons „more traditional-style“, nicht so wie in Ocarina of Time, aber besser und spaßiger. Thematisch abwechslungsreicher und interessanter findet IGN die Dungeons, aber Kompass und Karte braucht ihr nicht. Nichts Genaues weiß man nicht – klar, selbst erleben ist auch schön. Aber wenn man Breath of the Wild nicht mochte, wird man es vorher genau wissen wollen. Der Autor bei GFinity Esports findet, dass die Dungeon-Debatte dem Spiel geschadet habe und er hat nicht Unrecht.
Deshalb ist es auch wichtig, dass es Reviews zu Tears of the Kingdom von Leuten gibt, die Breath of the Wild nicht mochten. Auf den ersten Blick keine glückliche Fügung, das Spiel einem Redakteur zu geben, der schon mit Breath of the Wild nur wenig Spaß hatte. Aber eigentlich genau die richtige Entscheidung. Und es ist ja auch echt nicht so, als würden Kaufentscheidungen nur von einem 6/10-Review abhängen. Als würden Kaufentscheidungen in der Masse bei Tears of the Kingdom überhaupt von Reviews abhängen.
Auch den Sandbox-Ansatz findet GFinity Esports nicht so interessant. Am Anfang gäbe es den Wow-Effekt, wenn das Floß erstmals lossegelt oder der Minen-Waggon losrast. Aber der Do-It-Yourself-Ansatz würde klassische Zelda-Elemente in den Hintergrund rücken und der Wow-Faktor würde von Mal zu Mal kleiner. Legitime Meinung.
Der Autor bemängelt darüber hinaus die fehlenden Belohnungen. Nach meinen Erfahrungen in den ersten sechs bis sieben Stunden kann das schon hinkommen. Da baut man minutenlang ein Fahrzeug und am Ende gibt’s einen Krogsamen. Nicht vorhandene oder weitgehend belanglose Belohnungen für Erkundung nennt der Autor das. Spielverändernde Ausrüstung, die man am Ende seines Weges findet – ein klassisches Zelda-Element – darauf wartet man vergebens.
Über Stil lässt sich streiten
„Auf dem Papier klingt es großartig, eine Million verschiedene Möglichkeiten zu haben, ein Dilemma im Spiel zu lösen. In der Praxis werden dadurch große Teile des Inhalts überflüssig und es bleibt nur noch eine Geschichte übrig, die viel zu lange braucht, um voranzukommen“, heißt es zusammenfassend. Es gibt weitere valide Punkte, die der Autor anspricht.
Jetzt ist die Frage, wie sehr das stört, wie sehr großartige andere Spielelemente überwiegen oder nicht. Die meisten Rezensenten sind der Meinung, dass Tears of the Kingdom abseits der Kritikpunkte – wenn sie diese denn als solche wahrgenommen haben – ein großartiges Spiel ist. Aber es gibt eben auch andere Meinungen und die dürften besonders Fans interessieren, die an Breath of the Wild schon nicht herangekommen sind. Die müssen Tears of the Kingdom ja nicht spielen? Ist ja richtig, aber wieso sollten sie nicht erfahren dürfen, ob eine ihrer Lieblingsserien mit dem neuen Ableger nicht doch wieder etwas für sie ist. Wer Final Fantasy XIII nicht mochte, kann ja auch Final Fantasy XVI mögen.
Ich finde, die Social-Media-Mistgabeln gegen dieses Review waren ein bisschen zu viel. Sicher, man kann auch darüber diskutieren, ob man den Fokus derart auf alles legen muss, was man nicht mag und gar nicht über Inhalte spricht, die gut sind. Aber genug jetzt. Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen, bis ich mich wieder nach Hyrule stürzen kann. Denn ich habe bislang jede Menge Spaß mit Tears of the Kingdom und liebe es bisher genauso, wie ich Breath of the Wild liebe. Mal sehen, was noch kommt!
Bildmaterial: The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom, Nintendo