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Im Test! 13 Sentinels: Aegis Rim

Titel 13 Sentinels: Aegis Rim
Japan 12. April 2022
Atlus
Nordamerika 12. April 2022
Atlus
Europa 12. April 2022
Atlus
System Nintendo Switch, PlayStation 4
Getestet für Nintendo Switch
Entwickler Vanillaware
Genres Visual Novel, Echtzeit-Strategie
Texte
Deutschland Nordamerika
Vertonung Nordamerika Japan

Von Fans und Kritik hochgelobt, für diverse Preise nominiert und sogar die eine oder andere Auszeichnung abgestaubt. Selbst eine Nominierung für die beste Narrative war seinerzeit bei den prestigeträchtigen The Game Awards drin – neben großen Platzhirschen wie The Last of Us Part II und Final Fantasy VII Remake, versteht sich. Und dennoch: Verhältnismäßig wenige SpielerInnen werden 13 Sentinels: Aegis Rim kennen. Der Visual-Novel-Strategie-Hybrid aus dem Jahr 2020 ist nämlich allem voran eines: ein waschechter Nischentitel.

Ziemlich schade für diesen vermeintlichen Geheimtipp. Das dachten sich wohl auch Publisher Atlus und Entwicklerstudio Vanillaware, die ihrer Science-Fiction-Novelle nun zu einem zweiten Frühling – und damit größerer Bekanntheit – verhelfen möchten. Die absolut naheliegende Strategie?

Das Erschließen eines größeren Publikums. Erschien 13 Sentinels: Aegis Rim seinerzeit nämlich lediglich für PlayStation 4 (hier geht es zu unserem ausführlichen PS4-Test), soll das ambitionierte Sci-Fi-Loblied nun auch BesitzerInnen von Nintendos Hybridkonsole erfreuen.

Visual Novel, Echtzeitstrategie und Nintendo Switch – a match made in heaven! Oder? Ob 13 Sentinels: Aegis Rim auch unterwegs zu überzeugen weiß, klären wir im folgenden Test.

Viel zu erzählen

13 Sentinels: Aegis Rim hat vor allem eines: viel zu erzählen! Das Herzstück des Titels ist nämlich selbstverständlich seine Handlung, die sich an dieser Stelle nur grob anschneiden lässt – immerhin wollen wir nicht zu viel verraten.

Wir folgen im Rahmen der Geschichte nicht nur einer/m ProtagonistIn, sondern – ihr habt es erraten – gleich dreizehn unterschiedlichen Figuren. Die bunte Schar an SchülerInnen wartet dabei mit verschiedenen Motivationen und eigenständigen Geschichten auf, die sich sich im Laufe der Spielzeit mit der übergeordneten Handlung und den Erzählsträngen der anderen ProtagonistInnen verweben.

Die eigenständigen Geschichten der ProtagonistInnen verweben sich im Laufe der Spielzeit.

Klingt erstmal gar nicht so aufregend, vielleicht sogar im Gegenteil – angesichts der großen Figurenriege – ziemlich chaotisch. Solche Bedenken sind durchaus nachvollziehbar, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir die meiste Zeit selbst entscheiden, welchem Handlungsstrang wir folgen möchten. Kann das funktionieren? Definitiv, wie 13 Sentinels: Aegis Rim auf bemerkenswerte Art und Weise unter Beweis stellt.

Fesselndes Sci-Fi-Mysterium

Natürlich stehen wir eingangs ziemlich ratlos dem nebulösen Mysterium der übergeordneten Handlung gegenüber. Ein Umstand, der uns rätseln und Vermutungen anstellen lässt, immerzu nach Orientierung in etablierten Sci-Fi-Tropen suchend. An diesen bedient sich 13 Sentinels: Aegis Rim nämlich mit großer Freude und spinnt so eine Geschichte, die sich vor diversen bekannten Werken, KünstlerInnen und AutorInnen des beliebten Genres verneigt.

»An Sci-Fi-Tropen bedient sich 13 Sentinels: Aegis Rim mit großer Freude und spinnt so eine Geschichte, die sich vor diversen bekannten Werken, KünstlerInnen und AutorInnen des beliebten Genres verneigt.«

Mit jedem Abschnitt jedes Handlungsstranges erhalten wir im Folgenden wertvolle, neue Informationen zur Entschlüsselung des großen Mysteriums. Ein durchweg spannender Prozess, der selbst den schlausten Füchsen immer mal wieder die Köpfe rauchen lässt – zumal wir unsere Puzzlestücke nicht in chronologischer Ordnung serviert bekommen. Das Thema „Zeit“ spielt nämlich eine zentrale Rolle in 13 Sentinels: Aegis Rim, das uns mit einer nicht-linearen Erzählstruktur konfrontiert, die regelmäßig und gewieft mit unseren Erwartungen spielt.

Wenn sich im Verlauf größere Teile des Puzzles zusammenfügen, sich Theorien bestätigen oder auch über den Haufen geworfen werden und ein Aha- oder Wow-Moment den nächsten jagt, mündet das in einer herausragend unterhaltsamen und fesselnden Erfahrung.

Story frei nach Wahl

Aber nicht nur das Entschlüsseln der übergeordneten Handlung gestaltet sich fesselnd. Auch die jeweiligen Geschichten der ProtagonistInnen präsentieren sich weitgehend spannend. Allerdings nicht, ohne sich reichlich an diversen Anime-Tropen zu orientieren – vor allem in Bezug auf die Charakterisierung und Darstellung diverser Figuren. Seid beruhigt – was abschreckend klingen mag, gestaltet sich in der Praxis nicht halb so schlimm. Im Gegenteil: Die Figuren wachsen uns mit der Zeit sogar ziemlich ans Herz – die eine dabei sicher mehr als die andere.

Praktisch also, dass wir – wie bereits angesprochen – die meiste Zeit frei wählen, welche/n der dreizehn ProtagonistInnen wir wann und wie lang begleiten, ehe wir uns der Geschichte einer anderen Figur widmen. Die Wahl wird uns nur gelegentlich verweigert, wenn wir uns zu lang auf eine Figur fokussieren. Dann gilt es den Handlungsstrang einer oder mehrerer anderer Figuren voranzutreiben.

Gar nicht schlimm, da wir häufig genug aus eigenem Antrieb durch die Figurenriege rotieren, um die Verbindungen zwischen verschiedenen ProtagonistInnen besser greifen zu können. Es ist tatsächlich überraschend, wie gut diese Mechanik funktioniert und eine individuelle Herangehensweise an die Geschichte ermöglicht, ohne Einbußen am Spannungsbogen in Kauf nehmen zu müssen. Hut ab!

Viel zu erleben, wenig zu tun

Wie muss man sich in diesem Kontext das Gameplay vorstellen? Nun, während man es grundsätzlich als rudimentär beschreiben könnte, erfüllt es im Visual-Novel-Kontext definitiv seinen Zweck. In der Regel navigieren wir lediglich unsere ProtagonistInnen durch die wunderschön illustrierten 2D-Locations, sprechen mit Figuren, denken über Schlüsselworte nach, die wir durch unsere Aktionen aufschnappen, oder konfrontieren Figuren mit unseren Gedanken. 

»In der Regel navigieren wir unsere ProtagonistInnen durch die wunderschön illustrierten 2D-Locations, sprechen mit Figuren, denken über Schlüsselworte nach oder konfrontieren Figuren mit unseren Gedanken.«

Das eröffnet uns neue Wege und zuweilen auch Abzweigungen, an denen wir durch unsere Aktion bestimmen, wie es weitergeht. Großen Einfluss auf den Hauptpfad haben diese optionalen Wege nicht – sie füttern uns aber mit weiteren Details für die übergeordnete Handlung. Wollen wir auch die anderen optionalen Pfade erleben, kehren wir bequem via Übersichtsbaum an die gewünschte Stelle zurück und spulen bereits bekannte Texte auf Knopfdruck vor.

Abgeschlossene Teilabschnitte belohnen uns mit neuen Einträgen ins Archiv, in dem wir unter anderem auch unsere bisherigen Erkenntnisse noch einmal rekapitulieren und chronologisch aufarbeiten. Außerdem winken noch eine Handvoll Meta-Chips als Belohnung. Und die finden dann im zweiten – actionreicheren – Gameplay-Modus des Spiels Verwendung.

Roboter-Krieg zum Abschalten

Auf die vielen Worte des Abenteuer-Modus folgen im Kampf-Modus nämlich die sprich- und wortwörtlichen Taten. Hier schwingen sich unsere dreizehn HeldInnen in die Cockpits sogenannter Sentinels. Mithilfe dieser turmhohen und bis an die stählernen Zähne bewaffneten Roboter, schützen wir die Stadt regelmäßig vor einfallenden Feinden. Diese haben es nämlich auf die Terminals im Zentrum der Stadt abgesehen, die es selbstredend zu verteidigen gilt.

Dazu steuern wir unsere Einheiten in Echtzeit über die Karte und trotzen herannahenden Feinden mit unserer Feuerkraft. Diverse Feindtypen bitten hier um individuelle Herangehensweisen. Flugeinheiten reißen wir etwa mittels EMP-Welle zu Boden, gepanzerten Einheiten machen wir das Leben mit dem Einsatz robuster Nahkampf-Sentinels schwer.

Auf normalem Schwierigkeitsgrad fallen diese Tower-Defense-Scharmützel durchweg simpel aus und fordern uns selten bis gar nicht. Trotzdem stellen sie – gerade in ihrem angenehm kurzen Format – eine gelungene Abwechslung zum gesprächigen Abenteuer-Modus dar. Komplettisten bemühen sich bei jeder Schlacht zusätzlich, die vorgegebenen Bonusziele zu erfüllen und den S-Rang einzustreichen.

Damit wir für die Schlachten gut gerüstet sind, investieren wir unsere erworbenen Meta-Chips in die Aufwertung unserer Einheiten und den Erwerb neuer Waffensysteme. Übrigens: Die Switch-Version wartet mit zwei neuen Waffensystemen für jeden Sentinel auf.

Endlich dort, wo es hingehört

Stichwort Switch: Wie stellt sich 13 Sentinels: Aegis Rim aus technischer Perspektive auf Nintendos Hybridkonsole an? Kurz: rundum klasse! Bereits in der PS4-Version begeisterte der Sci-Fi-Geheimtipp mit seiner herausragend schönen Optik. Und daran ändert sich auch in der Switch-Version nichts. Von sonnengebadeten Klassenräumen, über belebte Einkaufsstraßen und zerstörte Ruinen – jedem detailverliebten Hintergrund und Charaktermodell merkt man die künstlerische Hingabe des Teams an.

Selbiges lässt sich nicht vom Kampf-Modus behaupten, der auf eine sehr reduzierte Präsentation setzt. Das bedeutet konkret, dass wir uns im Gefecht vor allem mit statischen Cursors auf einer klinischen Stadtkarte arrangieren, anstatt imposanten Mechs bei hitzigen Feuergefechten zuzusehen. Eine nach wie vor etwas unbefriedigende Design-Entscheidung, wenngleich aus sicherlich mehreren Gründen nachvollziehbar.

»Wir erhalten eine saubere und performante Switch-Version, die der PS4-Version in nichts nachsteht. 13 Sentinels: Aegis Rim ist auf Nintendos Teilzeit-Handheld sogar besser aufgehoben.«

Der Vorteil: Wir erhalten eine saubere und performante Switch-Version, die sich nicht zusätzlich mit komplexer Grafik und Animationen herumschlagen muss und damit der PS4-Version in nichts nachsteht. Ich würde behaupten, dass 13 Sentinels: Aegis Rim auf Nintendos Teilzeit-Handheld sogar besser aufgehoben ist. Sowohl die kurzen Abenteuer- als auch Kampf-Abschnitte sind wie maßgeschneidert, um Bahnfahrten – ob kurz oder lang – zu versüßen. Ihr habt fünf Minuten Wartezeit zu überbrücken? Da lässt sich ein Scharmützel reinpressen. Die Bahn hat zwei Stunden Verspätung? Kein Problem, der Abenteuer-Modus gestaltet sich üppig genug und dürfte euch – alles in allem – satte 30+ Stunden beschäftigen. Solltet ihr die Wahl zwischen beiden Versionen haben, würde ich entsprechend definitiv zur Switch-Version raten.

Auch für die Ohren ein Schmaus

Auf auditiver Ebene macht 13 Sentinels: Aegis Rim nach wie vor eine tolle Figur. Der Soundtrack erfreut mit treibenden Klängen in den Kämpfen und atmosphärischen Stücken, die die Handlung immerzu gelungen untermalen.

Viel wichtiger gestaltet sich die Frage nach den Leistungen der SprecherInnen. Immerhin lauschen wir über zahlreiche Stunden ihren Stimmen. Und auch diese begeistern vollends. Sowohl die japanische als auch englischsprachige Riege an SprecherInnen hauchen den Figuren gekonnt Leben ein.

Auch bezüglich der Lokalisierung lässt sich nichts beanstanden – die deutschen und englischen Texte überzeugen.

Die ideale Version des herausragenden Sci-Fi-Geheimtipps

Begeisterte 13 Sentinels: Aegis Rim bereits 2020 Fans und Kritik, blieb es vom großen Publikum leider weitgehend unbemerkt – ein waschechter Nischentitel eben. Grund genug, den Sci-Fi-Geheimtipp in die zweite Runde zu schicken, dachten sich auch Atlus und Vanillaware.

Nun feiert der Genre-Hybrid also seine verdiente Rückkehr auf Nintendo Switch, um sich einmal mehr vor dem beliebten Sci-Fi-Genre zu verneigen und in diesem Zuge eine komplexe und fesselnde Geschichte zu erzählen. Oder vielmehr ein fesselndes Mysterium zu präsentieren, das wir im Zuge der spannenden nicht-linearen Erzählweise zu entschlüsseln versuchen.

Und der perfekte Platz dafür? Nintendos Teilzeit-Handheld, wie sich in diesem Test herausstellt. Technisch der PS4-Version in nichts nachstehend, profitieren wir bei der Switch-Version vom Format der Abenteuer- und Kampfabschnitte, die wir praktisch an die Länge der anstehenden Bahnfahrt anpassen. 13 Sentinels: Aegis Rim wirkt wie maßgeschneidert für Nintendos Hybridkonsole und es verblüfft förmlich, warum der Titel nicht bereits zur Erstveröffentlichung für Switch verfügbar war. Aber hey, besser spät als nie!

Fans von Visual Novels muss ich keine große Empfehlung aussprechen – ihr werdet bereits wissen, dass es sich bei 13 Sentinels: Aegis Rim um einen herausragenden Genrevertreter handelt. Wenn ihr bislang aber lediglich interessiert in Richtung des Nischentitels gelinst habt, kann ich euch nur wärmstens nahelegen, zuzuschlagen – es lohnt sich!

Bleibt also nur zu hoffen, dass 13 Sentinels: Aegis Rim nun das große Publikum erreicht, das es zweifelsohne verdient.

 

Story

In der Rolle von dreizehn ProtagonistInnen erleben wir ein spannendes Sci-Fi-Mysterium mit gelungener nicht-linearer Erzählweise.

Gameplay

Wir lauschen zahlreichen Gesprächen, rätseln über die Handlung und schalten bei entspannten Echtzeit-Strategie-Schlachten ab.

Grafik

Eine überragend schöne Optik begeistert im Abenteuer-Modus, während der Kampf-Modus visuell blass bleibt.

Sound

Ein immerzu passender Soundtrack erfreut genauso wie die enthusiastische Riege an SprecherInnen.

Sonstiges

Das knappe Format der Abenteuer- und Kampfabschnitte ist wie maßgeschneidert für Nintendo Switch.

Bildmaterial: 13 Sentinels: Aegis Rim, Atlus, Vanillaware

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