Bildmaterial: Senran Kagura Reflexions, Marvelous
Über Sonys „neue Anti-Ecchi-Richtlinien“ ist nichts bekannt. Außer, dass es sie gibt. Erwiesenermaßen haben neue Vorgaben seitens Sony bei inzwischen etlichen Selbstzensuren japanischer und westlicher Entwickler eine Rolle gespielt. Es geht dabei ausschließlich um Darstellungen von Frauen in sexuellen oder erotischen Posen. (Im Grunde betrifft dies fast ausschließlich Animedarstellungen, weshalb wir die Richtlinien – vor allem, weil sie ohnehin keinen Namen haben – konsistent „Anti-Ecchi-Richtlinien“ nennen.)
Wann genau eine Darstellung Sony aufstößt, unter welchen Bedingungen Entwickler davon erfahren und wie überhaupt diese Standards aussehen, nach denen sich Publisher und Entwickler nun weltweit richten müssen, blieb bis zum heutigen Tag intransparent.
Und es bleibt auch weiterhin eine Vorgehensweise mit vielen Unbekannten, soviel vorweg. Doch Takashi Mochizuki vom Wall Street Journal hat sich der Sache trotzdem angenommen. Er hat bei Sony nachgebohrt und bei mehr als einem Dutzend Entwicklern weltweit. Bei Sony gibt man sich recht verschlossen und weiterhin kryptisch.
Sony bestätigt, dass man eigene Richtlinien erarbeitet habe
Eine Sony-Vertreterin bestätigte Mochizuki auf Anfrage lediglich, dass man eigene Richtlinien erarbeitet habe. Entwickler könnten so „ausgewogene Inhalte auf der Plattform anbieten“ und Spiele würden „nicht das gesunde Wachstum und die Entwicklung“ junger Menschen hemmen. Im Detail über diese Vorgaben sprechen oder wann diese eingeführt wurden, wollte die Sprecherin nicht.
Auch die mehr als ein Dutzend Entwickler bestätigten dem Wall Street Journal, dass derartige „neue Regeln“ existieren. Unter Verweis auf Geheimhaltungsverträge und Angst vor Konsequenzen in der Geschäftsbeziehung mit Sony wollte jedoch keiner der Vertreter genannt werden. PlayStation 4 ist mit weltweit 94 Millionen verkauften Geräten die derzeit meistgenutzte Videospielkonsole.
Sony fürchtet um den eigenen Ruf
„Führungskräfte des Unternehmens [Sony] hätten zunehmend befürchtet, dass der weltweite Ruf der Firma durch sexuell explizite Inhalte beschädigt werden könnte. […] Die größten Bedenken hat man bei Software, die in der Firmenheimat Japan verkauft wird. Dort ist die Toleranz gegenüber Nacktheit und Bildern junger Frauen, die möglicherweise minderjährig erscheinen könnten, traditionell größer“, heißt es im Artikel von Mochizuki beim Wall Street Journal.
Diese Bedenken in neue Regularien umzusetzen, dazu hätten zwei Faktoren im Laufe des letzten Jahres geführt. Zum einen würden immer mehr Leute vor Publikum spielen und so würden auch besagte Spiele und Inhalte, die „mit laxeren japanischen Standards“ im Einklang stünden, weltweit Beachtung finden. Zum anderen hätten Sony-Offizielle auch auf die #MeeToo-Bewegung in den USA verwiesen. „Sony ist besorgt, dass die Firma zum Ziel rechtlicher und sozialer Maßnahmen werden könnte“, wird ein Vertreter zitiert.
Betroffene Entwickler unzufrieden in vielerlei Hinsicht
Und so ist man natürlich besonders in Japan wenig zufrieden mit Sonys Vorgehen. Sony habe den Machern von betroffenen Spielen immer das Gefühl gegeben, ein wichtiger Teil der PlayStation-Familie zu sein, weil man mit diesen Spielen auch zur Vielfalt von PlayStation-Games beiträgt. „Jetzt jedoch bekommen sie keine Aufmerksamkeit mehr von Sony, sagen sie, und es wird ihnen mitgeteilt, sie sollen sich andere Plattformen suchen, wenn sie weiter solche Spiele machen wollen“, heißt es im Wall Street Journal, natürlich ohne Nennung des Entwicklers.
„Was sie uns sagen ist im Grunde, dass wir woanders eine Nische finden sollen“, wird eine Führungskraft eines japanischen Entwicklers zitiert, der Spiele mit explizit sexuellen Inhalten macht. Die Sony-Vertreterin wollte zu diesen Kommentaren von Drittentwicklern keine Aussage treffen. Es heißt lediglich, man habe „als Plattformbetreiber eine Verantwortung gegenüber der Nutzer“.
Die Rechte des Plattformbetreibers
Grundsätzlich haben Plattformbetreiber natürlich das Recht zu entscheiden, welche Spiele sie auf ihrer Plattform begrüßen möchten. Mochizuki fragte also auch bei Microsoft und Nintendo nach. Bei Microsoft gab man kein Statement ab. Nintendo ließ mitteilen, dass man sexuelle Inhalte nicht reguliert, bis auf das Notwendige, nämlich so dass Entwickler die Freigaben der nationalen Altersfreigabebehörden erhielten.
Sonys Regulierungen jedoch gingen über dieses notwendige Maß hinaus, das für die Altersfreigabe relevant ist, so das Resümee von Mochizuki im WSJ-Artikel nach den Dutzenden Gesprächen mit betroffenen Entwicklern. Trotz aller Unbekannten in den letzten Monaten lassen sich bereits viele Änderungen und Selbstzensuren auf die Richtlinien von Sony zurückführen – eine Übersicht dazu haben wir in diesem Sammelartikel für euch.
Doch auch abseits der Regulierungen selbst bemängeln Entwickler den Umgang und die Kommunikation mit Sony zum Thema. Es sei erforderlich englischsprachig zu kommunizieren, obwohl die Mutterfirma selbst aus Japan komme. Besonders für kleine japanische Entwickler dürfte dies ein Problem sein. Außerdem hätten Führungskräfte japanischer Entwickler bemängelt, dass es schriftliche Ausführungen dieser Richtlinien überhaupt nicht gäbe.
„Du weißt nie, was sie sagen, bis du die Arbeit abgeschlossen hast und sie zur Durchsicht einreichst“, wird ein kleiner Entwickler zitiert. „Und wenn sie nicht glücklich damit sind – selbst wenn sie diesen Grad der Freizügigkeit zuvor zugelassen haben – dann müssen wir zurück und mit unseren Entwicklern Änderungen vornehmen. Das ist kostenintensiv.“
Branchenberater Hisakazu Hirabayashi erklärte dem Wall Street Journal dazu, besonders die kleinen Entwickler hätten dem wenig entgegenzusetzen. Doch all das sei „repräsentativ für den derzeitigen Trend“, nach dem „Spieler mit einer großen Stimme“ versuchen würden, „die Welt nach ihren Vorstellungen der politischen Korrektheit, Fairness und Menschenrechte“ zu gestalten.
Bei Sony, so beruft sich Mochizuki auf einen Offiziellen, sei man sich der Probleme von Entwicklern bewusst, doch man hoffe, sie würden akzeptieren, dass die Welt sich geändert habe. „Es gibt keine Kriterien in Form niedergeschriebener Richtlinien oder Ähnlichem, weil diese Politik recht plötzlich in Folge der #MeToo-Bewegung eingeführt wurde“, wird dieser zitiert.
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