Die Gamescom ist für sehr vieles bekannt. Unter anderem für unüberwindbare Menschenmassen, maßlose Preise vor Ort und einen Mangel an großen Überraschungen. Daher ist es umso interessanter, wenn man doch mal auf so eine stößt. Ein weiteres Merkmal der Gamescom sind ausufernde Partys am Ende eines anstrengenden Messe-Tages. Leider wird am nächsten Morgen jedoch wieder die volle Aufmerksamkeit und körperliche Fitness erwartet. So auch während meines Termins bei Sony am Mittwochmorgen. Den Tag mit mehreren VR-Erlebnissen zu starten, kann einen schon mit Zweifel erfüllen, ob das Innenohr nicht die falschen Signale an den Magen schicken könnte. Doch genau hier lag die größte Überraschung meines Tages und vielleicht auch der gesamten Gamescom.
Was für eine Überraschung
Der erste Titel, den ich mir genauer ansehen durfte, war Blood & Truth. Ein Virtual-Reality-Shooter, welcher sich mit zwei Move-Controllern spielt. In einem kurzen Tutorial wurden mir die Basics wie zum Beispiel die Bewegungen, das Ziehen und Wechseln von Waffen sowie das Nachladen nähergebracht. Dank der simplen „Point & Click“-Bewegung konnte mein Mageninhalt dort verharren, wo er auch hingehörte und zu keiner Zeit war das sonst oft so typische Unwohlsein, welches VR-Spiele mit sich ziehen, zu spüren. Mit dieser positiven Wendung machte ich mich dann auf, einen Haufen von bewaffneten Verbrechern auszuschalten. Nach wenigen Minuten war ich voll in diesem Spiel drin und habe mich wie ein Actionheld gefühlt. Jeder einzelne Schuss, der schnelle Griff zur Munitionstasche und das Nachladen haben sich realistisch und merkwürdig befriedigend angefühlt.
Aus purem Reflex habe ich bei weit entfernten Gegnern oft ein Auge geschlossen und dann mit den anderen den Lauf meiner Waffe fokussiert und getroffen. Jeder Zug am Trigger der Move-Controller hat sich tatsächlich wie ein Schuss angefühlt. Während ich mich in Deckung befand, habe ich, ohne zu wissen, dass es möglich ist, die Waffenhand gewechselt und dadurch zwei weitere Ziele ausgeschaltet. Gekämpft wurde hauptsächlich auf einer Baustelle, die selbstverständlich an vielen Orten für guten Schutz sorgt. Hier und da lagen ebenfalls Steine und Granaten, die mit der freien Hand aufgehoben und auf Feinde geworfen werden konnten. Natürlich musste ich mich immer passend positionieren, um nicht frei zu stehen und den optimalen Winkel zum Schießen zu finden. Nach fünf weiteren Minuten gingen all die Bewegungen, Reaktionen und taktischen Überlegungen in Fleisch und Blut über und als die Demo dann schlussendlich zu Ende war, war ich wirklich enttäuscht. Ich hätte so gerne noch weiter gespielt, einfach um dieses Gefühl eines 90er-Jahre-Actionfilms noch weiter zu spüren.
Grafisch ist dieser kleine Titel keine Augenweide, aber das Bild war scharf und gravierende Fehler sind nicht erschienen. Sowohl VR-Brille als auch die Move-Controller haben schnell reagiert und besonders die Letzteren haben zu diesem einzigartigen Gefühl beigetragen. Wie lange Blood & Truth sein wird, wie viel Inhalt das finale Spiel bieten wird, sowohl storytechnisch als auch vom Umfang her, ist bis jetzt noch nicht bekannt, aber ich hätte niemals gedacht, dass mich ein kleiner Shooter bereuen lässt, weder PSVR noch Move-Controller zu besitzen. Es ist eines dieser äußerst raren VR-Spiele, bei denen ich es mir vorstellen könnte, mit der großen Brille und den Controllern vor dem Bildschirm zu sitzen und einfach zu spielen. Ob das genug ist, um sich diese für den aktuellen Preis zu kaufen, bezweifle ich. Jedoch für jeden, der sich bereits in dieser Ausgangsposition befindet, kann ich nur empfehlen, diesen Titel im Auge zu behalten.
Vielleicht doch nicht
Gleich nach diesem wirklich spaßigen Spielerlebnis ging es auch schon zum nächsten Raum, in welchem Firewall: Zero Hour bereits auf mich wartete. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen VR-Shooter. Hier wird jedoch Fokus auf 4-gegen-4-Matches gelegt, die im Multiplayer zusammen gespielt werden können. Neben PSVR wurde dieses Spiel mit dem Aim-Controller gespielt. Dadurch lag zwar etwas in der Hand, was in etwa wie ein Maschinengewehr geformt war, doch das Material und vor allem das Gewicht haben hier mehr an Immersion geraubt als die beiden Move-Controller bei Blood & Truth. Optisch wurde hier ebenfalls nicht sehr viel geboten, doch ab und an waren einige Grafik-Fehler auszumachen und das Scharfstellen mit der Brille war weitaus schwieriger und am Ende weniger zufriedenstellend.
Die Grundidee von Firewall: Zero Hour ist simpel. Die acht Spieler werden in zwei Teams mit je vier Spielern eingeteilt. Das eine Team hat das Ziel, einen Laptop ausfindig zu machen und diesen „einzunehmen“. Das andere muss logischerweise diesen Laptop verteidigen. Während meiner Spiel-Session wurden die Teams einmal gewechselt und es wurde auf zwei verschiedenen Maps gespielt. Besonders memorabel waren beide nicht. Über Headsets standen die jeweiligen Teammitglieder miteinander in Kontakt und konnten sich so über die Strategie und Ähnliches austauschen. Anders als bei Blood & Truth konnte ich mich hier frei bewegen, was wieder ein etwas stärkeres Unwohlsein mit sich zog, zudem musste stets die Kameraposition nachjustiert werden, da der Controller nur in einem bestimmten Winkel zur Kamera erfasst wird. In der kurzen Spielzeit war es mir nicht möglich, mich vollends darauf einzustellen, weshalb der nette Sony-Mitarbeiter vor Ort mich einige Male nachjustieren musste.
Da hier ausschließlich Zielen und Schießen mit der Bewegungssteuerung des Aim-Controllers möglich war, fehlte der viszerale Kick, der noch bei dem anderen Spiel so stark zu spüren war. Einige Kritikpunkte sollten jedoch dringend ausgebessert werden, bevor das Spiel im Handel erscheint. So sind Freund und Feind im Eifer des Gefechtes visuell kaum voneinander zu unterscheiden, was zu vielen verwirrenden Momenten geführt hat. Außerdem ist man gezwungen, nachdem man getötet wurde, mit Überwachungskameras den Rest des Matches zu beobachten. Bei Auseinandersetzungen, bei denen sich die eine Hälfte in einem Raum versteckt und die andere langsam und vorsichtig versucht dort hineinzugelangen, kann dies wirklich lange dauern. So steht man im schlimmsten Fall mehrere Minuten auf den Beinen mit einem Gewicht auf den Schultern und einem großen Controller in der Hand und wartet darauf, dass endlich eine Seite den entscheidenden Zug macht.
Natürlich kann man mit seinen Kollegen währenddessen in Kontakt bleiben und ihnen Hinweise zur Strategie der Gegner geben, aber man würde doch lieber selbst etwas Produktives machen. Mit einem eingespielten Team von vier Freunden könnte sicher einiges an Spaß aus Firewall: Zero Hour gekitzelt werden, aber im Moment wissen weder die Technik, das Design noch das Spielprinzip zu überzeugen. MMO-Shooter gibt es zur Zeit wie Sand am Meer und viele bieten auch ohne VR ein wesentlich kreativeres, eigenständigeres und schlussendlich günstigeres Abenteuer.
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