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Im Test! Chuusotsu 1st Graduation

TitelChuusotsu 1st Graduation: Time After Time
Japan14. August 2016
Studio Beast
Nordamerika24. April 2018
Fruitbat Factory
Europa24. April 2018
Fruitbat Factory
SystemPC (Steam)
Getestet fürPC (Steam)
EntwicklerStudio Beast
GenresVisual Novel
Texte
Nordamerika Japan
VertonungJapan

Nach einem erfolgreichen Kickstarter-Projekt im April 2017 ist die Indie-Visual-Novel Chuusotsu 1st Graduation: Time After Time nun auch in englischer Sprache auf Steam erhältlich. Herausgeber Fruitbat Factory gibt an, dass dank der Unterstützung mehr Event-Bilder und ein neues Intro zustande gekommen sind. Die Handlung soll sich auf tiefgründige Themen konzentrieren und stellt drei Mädchen in den Mittelpunkt, die fortan miteinander auskommen müssen, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sowohl die Beschreibung der Grundgeschichte, als auch die Charakterprofile lassen diesen Titel vielversprechend wirken, trotz unterdurchschnittlich aussehenden Zeichnungen. Ob das Ganze auch wirklich ein gutes Gesamtbild ergibt, erfahrt ihr in unserem Test!

Träumen verboten

Die Entscheidung der richtigen Berufswahl ist oftmals nicht einfach, aber seinen Traum zu verwirklichen und somit ein lang ersehntes Ziel zu erreichen, sorgt für ein glückliches Gefühl. Was aber, wenn die Entscheidung, die das gesamte restliche Leben betrifft, einfach von anderen Leuten bestimmt wird? Wenn einem ein Beruf zugeteilt wird, den man für immer ausüben wird, egal ob es einem gefällt oder nicht? In der Welt von Chuusotsu 1st Graduation können Menschen dank Nanomaschinen sofort den Tätigkeiten angepasst werden, für die sie sich laut Tests am besten eignen, ohne dass sie lange dafür ausgebildet werden müssen. Dies schließt Leistungen, Ausdauer und sogar Erscheinungsbild mit ein. Schon von klein auf werden autorisierte Stempel verteilt, die einen Menschen einstufen und festgelegte Fähigkeiten beinhalten.

Normalerweise wird versichert, dass durch dieses Verfahren jeder Sicherheit und Arbeit bekommt. Allerdings sieht die Realität anders aus, wie die 15-jährige Arue schmerzlich feststellen muss. Sie hat die abschließende Prüfung der Mittelschule nicht bestanden und dadurch ihren Stempel verloren. Das bedeutet, dass sie so gut wie allem beraubt wurde und sogar Kleinkinder stärker und intelligenter sind als sie. Sogenannte Chuusotsu, wie Menschen ohne Stempel genannt werden, werden als Abschaum der Gesellschaft angesehen, da ihre Denkweise in erster Linie auf Spaß ausgerichtet ist. Unbeachtet der Umstände, ob es nun Krankheit oder Eigenverschulden ist, werden Chuusotsu gerne in ein und dieselbe Schublade gesteckt. Deswegen hat Arue es nicht einfach einen Weg aus ihrer jetzigen Situation zu finden. Es besteht zwar die Möglichkeit den Einstufungstest zu wiederholen, um doch noch einen Beruf zugewiesen zu bekommen, doch ein Bestehen ist als Chuusotsu fast unmöglich.

Zum Glück findet Arue eine Alternative, die eine zweite Chance verspricht. Das staatlich anerkannte Projekt sucht nach jungen Chuusotsu, die ein sogenanntes Soul Link Device testen sollen – kostenlose Unterkunft und Verpflegung mit inbegriffen. Die Aufgabe stellt sich allerdings schnell als knifflig heraus, als Arue ihre beiden Mitbewohnerinnen kennenlernt und die Details erfährt. Sie sollen sich zu Dritt zusammensetzen und über eine philosophische Frage nachdenken. Eine Woche haben die Mädchen dafür Zeit ihre eigene Antwort darauf zu finden und dabei auf einer Wellenlänge zu stehen, ansonsten müssen sie sich wieder von ihrer neuen Bleibe verabschieden. Unvorstellbar für Arue, die ihr Leben versucht wiederaufzubauen!

Der Weg ist das Ziel

Chuusotsu 1st Graduation ist eine geradlinig aufgebaute Visual Novel ohne Abzweigungen und nur einem Ende. Dementsprechend stehen Handlung und Charaktere im Vordergrund. Konzentriert wird sich vor allem auf die Protagonistin Arue, die sehr mit sich selbst zu kämpfen hat und mit ihrer neuen Situation überfordert ist. Zumal die beiden weiblichen Mitbewohner, die sie kennen lernt, recht sonderbar sind und ihre eigenen Probleme mit sich führen. Koiro zeigt nur wenig Emotionen und wirkt sogar ein wenig furchterregend, während Arara in einer Fantasiewelt lebt und unverständliche Dinge von sich gibt. Ein langer Weg mit so einigen Rückschlägen und Fehlversuchen steht bevor und die Versuchung ist groß, einfach das ganze Taschengeld für Manga und Spiele auszugeben, ohne überhaupt an die eigentliche Aufgabe zu denken. Zudem steht die Frage im Raum, ob Arue wirklich alles geben soll, um so ihre arme Familie zu unterstützen oder sich gegen das System stellt und weiter ihre geliebten Manga zeichnet.

Das Prinzip ist hierbei sehr interessant und auch die Gestaltung der Hintergründe der Charaktere weiß zu Gefallen. Einen tieferen Einblick gibt es allerdings lediglich in Arues Vergangenheit, die alles andere als rosig aussieht und das eher zurückhaltende Verhalten des Mädchens verständlich macht. Über die beiden anderen Chuusotsu erfährt man zwar auch nach und nach etwas mehr, aber was hinter ihren Geheimnissen steckt, wird nur bedingt erklärt. Es bleiben hier viele Fragen offen. Ähnlich sieht es mit der Existenz des Soul Link Devices und einer Funktion aus, von dem selbst die Projektleiter nichts zu wissen scheinen.

Viele der Geschehnisse ergeben kaum Sinn und fallen lückenhaft aus. Es ist auch nicht gerade einfach einer Handlung zu folgen, die kläglich daran scheitert, ernsthafte Thematiken zu behandeln, da sich die Gestaltung der Texte und Szenen oftmals auf einem sehr niedrigen Niveau befindet. Ausgrenzung und Diskriminierung, das Ausbrechen aus einer vorbestimmten Zukunft durch einen eigenen Willen, aber auch psychische Erkrankungen spielen gleichermaßen eine wichtige Rolle. Auch wenn erkenntlich ist, was der Entwickler damit ausdrücken wollte, lässt sich dies nicht unbedingt als gelungen bezeichnen.

Dazu kommt, dass es schwer ist die Charaktere sympathisch zu finden und mit ihnen mitzufühlen, da sie sehr übertrieben dargestellt werden und man so einige schlecht geschriebene oder einfach nur langweilige Szenen mit ihnen durchstehen muss. Es gibt Momente, wo man positiv überrascht wird und das Lesen wirklich Spaß bringt, aber dies ist leider nur selten der Fall. Beiläufig mit reingeschoben sind einige angedeutete Girl’s-Love-Augenblicke. Angeführt wird dies von zwei Nebencharakteren, die schon als Paradebeispiel bezeichnet werden könnten. Wie so vieles andere in dieser Visual Novel wirkt dieser Inhalt sehr holprig und es ist schwer zu sagen, ob etwas wirklich ernst gemeint ist oder eher zum Humor beitragen soll.

Trotz Kickstarter-Kampagne für die Lokalisierung, aus der neue Zusätze hervorgingen, gibt es dennoch relativ wenige Event-Bilder zu bewundern. Zudem sieht man deutlich, dass hier kein Profi am Werk war oder einfach das nötige Budget gefehlt hat, um ein ordentliches Ergebnis zu erreichen. Hintergründe werden für verschiedene Gegenden wiederverwendet, Arue malt ständig ein und dasselbe Bild, die Qualität des begrenzten Artworks und der Event-Bilder schwankt enorm und ist bestenfalls als mittelmäßig zu bezeichnen, die meisten Nebencharaktere müssen ohne Bild und Stimme auskommen und allgemein wirkt die Visual Novel so, als wäre sie nicht komplett ausgearbeitet. Die Ideen und Ansätze können sich sehen lassen, aber die Umsetzung lässt zu wünschen übrig.

Nicht gerade besser machen es die Texte und generell das, was in die Textfelder gepackt wurde. Neben gewöhnlichen Dialogen findet man hier Pfeile und andere Symbole sowie in Worte umgesetzte Geräusche. Gerne auch werden unnötige Kommentare oder Erklärungen dahinter in Klammern gesetzt oder auf Beschreibungen zurückgegriffen, die an der Stelle gar nichts zu suchen haben. Es ist das reinste Chaos, was eher den Eindruck macht, als wäre hier jemand am Werk gewesen, der keine Ahnung hat, wie man eine vernünftige Visual Novel schreibt. Davon abgesehen tauchen einige Begriffe auf, von denen man nie zuvor etwas gehört hat, da seltsame Übersetzungen verwendet wurden. Und warum reden sich hier gleichaltrige Mädchen untereinander mit Miss und Nachnamen an? Das mag im Japanischen vielleicht funktionieren, aber auf Englisch wirkt das einfach nur falsch. Zudem sollte man sich einig sein, ob man japanische Bezeichnungen wie „Loli“ oder „Tsundere“ so stehen lässt oder auf Englisch umschreibt. Sich ständig umzuentscheiden sorgt nur für unnötige Verwirrung.

Abgesehen von dem gelungenen Intro-Lied sticht die musikalische Untermalung nicht wirklich hervor und besteht nur aus einer sehr begrenzten Anzahl an Stücken, die nicht immer in den richtigen Momenten gespielt werden. Ein gewisses Lob könnte man hingegen einzelnen japanischen Sprechern geben. Gerade Araras seltsame Sprechweise wurde hier gut in Szene gesetzt. Misslungen ist hingegen die absichtlich eintönige und sehr lahme Stimme von dem Nachbarskind Kokoro. In seltenen Fällen ereignete sich zudem ein Bug, wo Charaktere nur die letzten zwei bis drei Wörter ihres Satzes gesprochen haben.

In Sachen Funktionen ist alles grundlegende vorhanden. Ein einfacher Message Log, genug Speicherstände, die Möglichkeit die Texte automatisch weiterlaufen zu lassen oder zu überspringen und eine kleine Sammlung an Erklärungen. Bei Letzteren werden spielbezogene Begrifflichkeiten noch einmal im Detail erzählt, die man lesen sollte, wenn man Interesse an nötigem Hintergrundwissen hat.

Fazit

»Chuusotsu 1st Graduation versucht eine tiefgründige Visual Novel zu sein, die ernsthafte Themen in ihrer durchaus interessanten Geschichte behandelt. Jedoch werden gute Ansätze durch Texte und Szenariogestaltung auf sehr niedrigem Niveau, übertrieben dargestellte Charakteren, die auf Dauer eher nerven, und allerhand unnötige Szenen ruiniert. So fällt es schwer überhaupt die 10-15 Stunden durchzuhalten, die man insgesamt zum Lesen brauchen wird, um den wenigen lohnenswerten Inhalt mitzuerleben. Chuusotsu 1st Graduation bietet lediglich ein Ende an, ohne Entscheidungsmöglichkeiten oder andere Interaktionen. Im Fokus steht hier die Hintergrundgeschichte der Protagonistin, wie sie versucht ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, und die wachsende Freundschaft zu ihren beiden Mitbewohnern. Das führt dazu, dass andere Dinge einfach nur angeschnitten werden, ohne genaue Erklärungen, warum das so ist oder ob mehr dahinter steckt. Offene Fragen, unvollständige Erklärungen, Lücken und Logikfehler sind gleichermaßen vertreten, aber zumindest besteht die Hoffnung, dass im nächsten Teil die Antworten zu finden sein werden. Zwar scheint sich eine Zusatzgeschichte in der Entwicklung zu befinden, aber von dem Nachfolger, der sich in Planung befinden soll, wurde noch nichts weiter erwähnt.

Es gibt so einige besser geschriebene Indie-Visual-Novels auf Steam, bei welchen sich ein Kauf auch wirklich lohnt. Bleibt man beim Herausgeber Fruitbat Factory, sind zum Beispiel Enigma: und Magical Eyes: Red is for anguish empfehlenswerte Titel. Von Chuusotsu 1st Graduation sollte man hingegen entweder gänzlich die Finger lassen oder sich wirklich vorher sicher sein, ob man 20 Euro für ein Werk ausgeben möchte, das weitgehend von niedriger Qualität ist. Wer dennoch neugierig ist, kann einen Blick in die kostenlose Demo werfen, die Handlung und Charaktere vorstellt.«

 

Interessante Grundgeschichte und Ansätze, zu viel unnötiger Inhalt auf niedrigem Niveau, der von der eigentlich ernsthaften Handlung ablenkt.
Texte weiterklicken, ansonsten nicht vorhanden.
Einfach gehaltene Farbwahl und teils unterdurchschnittliche Zeichnungen; Hintergründe werden mehrfach verwendet; wenig Event-Bilder; nur wichtige Charaktere haben ein Aussehen.
Eher wenig Hintergrundmusik, die nicht immer zu den gewählten Szenen passt; schönes Intro-Lied; japanische Sprachausgabe.
Offene Fragen, unvollständige Erklärungen und Logikfehler; Zusatzgeschichte und Nachfolger sind bereits in Planung; englische und japanische Texte.

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