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Bewegung in Debatte um Hakenkreuze in Videospielen

Als im letzten Jahr Wolfenstein II: The New Colossus erschien, gab es hierzulande mal wieder eine Debatte um Hakenkreuze und einhergehende Symbolik in Videospielen. Die sind in Deutschland bekanntlich verboten. Und auch wenn es zahlreiche Ausnahmen für Forschung, Lehre und Dokumentationen sowie fiktionale Filme gibt: Videospiele gehören bisher nicht dazu. Viele sehen das als veraltet an und meinen, Hakenkreuze sollten in Videospielen – natürlich je nach Kontext – auch erlaubt sein. Doch bisher fehlte es an Courage. Man hätte beispielsweise Wolfenstein II durchaus mit Hakenkreuzen in Deutschland veröffentlichen können. Doch die Gefahr einer Beschlagnahme ist nach wie vor da und lange kostspielige Gerichtsprozesse wären die Folge. Eine Begründung zu den inhaltlichen Schnitten in Wolfenstein II von Bethesda findet ihr übrigens in diesem Artikel bei Gamestar. Die USK würde Spielen mit NS-Symbolik in jedem Fall zunächst die Altersfreigabe verweigern – sie hat hier ohnehin keinen Handlungsspielraum.

Attentat 1942 bringt Bewegung in die Sache

Attentat 1942

Doch nun könnte Bewegung in die Sache kommen. Das Videospiel Attentat 1942 hat im Rahmen der Games Week Berlin beim A-MAZE-Indie-Festival einen der Hauptpreise gewonnen. In Deutschland ist das Spiel dabei gar nicht erhältlich. Es gibt für die Entwickler also drei Möglichkeiten: Entweder alle Symbole entfernen oder das Spiel weiterhin nicht in Deutschland veröffentlichen. Oder aber: Man wehrt sich. Und genau das wollen die tschechischen Entwickler mit allerhand Unterstützung und Fürsprache der Branche tun.

Fantasian HPU

Attentat 1942 beschäftigt sich kritisch und mit historischer Genauigkeit mit der Besatzung Tschechiens während des Zweiten Weltkriegs und erzählt eine Geschichte unter Einbeziehung von Zeitzeugen per Video und Comic-Optik. Auf dem Indie-Festival räumte das bereits im Oktober 2017 für PCs veröffentlichte Spiel den „Most Amazing Game Award“ ab. Wie Gameswirtschaft berichtet, haben die Entwickler auf dem Festival erneut die Thematik diskutiert und hoffen nun auf die angekündigte Unterstützung durch Juristen und Branche. Man sei „entschlossen“, das Thema anzugehen.

In einer Mitteilung bei Steam schreiben die Entwickler, übersetzt von 4Players:

„Dennoch ist das Spiel in Deutschland aufgrund der umstrittenen Politik der Regierung, die Nazisymbolik in Videospielen nicht zulässt, nicht erhältlich. Bei A MAZE haben wir dieses komplexe Thema besprochen und erstaunlich viel Unterstützung vom Festival und von vielen Einzelpersonen, einschließlich Anwälten, bekommen, die uns angeboten haben, bei der Veröffentlichung des Spiels in Deutschland zu helfen. Es wird kein einfacher Prozess sein, aber wir sind entschlossen, es auf die eine oder andere Weise zu tun.“

Gegen Bundesfighter II Turbo wird nicht ermittelt

Ungeahnte Unterstützung erhalten die tschechischen Entwickler auch von anderer Ebene. Parallel zu den neuerlichen Entwicklungen wurde nun bekannt, dass die Staatsanwaltschaften trotz NS-Symbolen nicht gegen Bundesfighter II Turbo ermitteln werden. Das Spiel wurde zur Bundestagswahl 2017 durch das Medienangebot funk (ARD und ZDF) veröffentlicht. Das Online-Browserspiel ist ein 2D-Fighter mit den zur Bundestagswahl angetretenen Spitzenpolitikern. Alexander Gauland von der AfD kann im Spiel eine Sprungattacke ausführen, bei der er Beine und Arme zu einem ziemlich eindeutigen, aber spiegelverkehrten Hakenkreuz verschränkt.

Wie der Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler (VDVC) nun berichtet, ist dies die erste bekannte Entscheidung einer Staatsanwaltschaft in einem Anwendungsfall von § 86a StGB in einem Spiel. Herbeigeführt wurde sie durch den VDVC selbst – ein Mitglied hatte Strafanzeige gestellt. Denn um Rechtssicherheit zu erhalten, braucht es ein neues Urteil. 1998 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt die Darstellung verfassungsfeindlicher Symbole in Spielen am Beispiel Wolfenstein 3D verboten. Die Strafanzeige gegen den Bundesfighter II Turbo wurde nun durch die zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart zurückgewiesen.

Zur interessanten Begründung der Staatsanwaltschaft zitieren wir aus dem VDVC-Blog:

Der Staatsanwalt begründete die Nichtaufnahme von Ermittlungen damit, dass es keine gesetzliche Grundlage für Ermittlungen gäbe (§ 152 Abs. 2 StPO). Das Online-Spiel sei durch die Rechtfertigungsgründe aus der Sozialadäquanzklausel gedeckt und damit nicht strafwürdig. Die Veröffentlichung diene nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eindeutig „sowohl der Kunst als auch der staatsbürgerlichen Aufklärung“. Dabei sei es unerheblich, ob digitale Spiele grundsätzlich Kunst seien oder nicht, „Bundesfighter II Turbo“ sei ohnehin kein „übliches Spiel“. Es sei Satire in Form eines Online-Spiels mit überzeichneten Charakteren und Darstellungen. Auch dass die Veröffentlichung durch den öffentlichen Rundfunk geschehe, sei ein Anzeichen dafür, dass der Schutzzweck des § 86a StGB nicht berührt sei. Wäre die Veröffentlichung in Form eines Fernsehbeitrages geschehen, sei dies ebenso straflos möglich. Gleichzeitig spiele der Zeitpunkt der Veröffentlichung laut der Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Rolle: der Hinweis im Spiel „Don’t forget to vote“ sei dem Raum der politischen (Meinungs-)Bildung und der staatsbürgerlichen Aufklärung zuzuordnen.

Durch eine darauf folgende Beschwerde (den gesamten Schriftverkehr findet ihr in einem PDF im VDVC-Blog) wurde auch die Generalstaatsanwaltschaft eingeschaltet, die jedoch nicht anders urteilte: keine Ermittlungen. Der zuständige Oberstaatsanwalt führte interessanterweise an, dass die derzeitige Rechtslage (anspielend auf das Urteil von 1998) „überholt“ sei. Vom Tisch sind damit die Probleme nach Einschätzung des VDVC nicht, aber man werte die Entscheidung als „wichtiges Signal“. „Um ganz sicher zu gehen, müsste ein Publisher ein Spiel bei der USK einreichen und dies zur Freigabe bringen“, heißt es vom VDVC. Da wären wir wieder bei Attentat 1942.

via Gameswirtschaft, VDVC, 4Players, Attentat 1942 (Bildnachweis)