Europa Japan News Nordamerika PC PS4 Test XBO

Im Test! The Technomancer

Der gute alte Mars hat es nach jahrelanger Abstinenz und im Schatten der Pluto-Planeten-Diskussion erneut auf Kinoleinwände und im Endeffekt auch auf die mittlerweile hochglänzende Scheibe im eigenen Zuhause geschafft. Der Entwickler Spiders aus Frankreich lieferte mit Bound by Flame vor zwei Jahren ein Action-Rollenspiel im Fantasy-Gewand ab. Zu den damaligen Kritikpunkten gehörten in erster Linie die geringe Tiefe in der Charakterentwicklung, das nicht ausreichende Kampfsystem und der unnötig hohe Schwierigkeitsgrad. Ob mit The Technomancer auf dem Mars alles anders wird, erfahrt ihr in unserem Test!

Technomancer Screenshot (4)Spiders schickt mit The Technomancer bereits den zweiten Titel auf dem roten Planeten ins Rennen. Während Spieler in Mars: War Logs bereits 2013 die Rolle des Roy Temperance übernehmen konnten, schlüpfen diese in The Technomancer in die Rolle von Zachariah. Zachariah Mancer schließt zu Beginn des Abenteuers die Ausbildung als Technomancer ab und findet sich nicht nur im Kampf gegen die Launen der Natur wieder, sondern auch gegen Intrigen und Verschwörungen.

Als Technomancer werden jene bezeichnet, die elektrische Energie ihres eigenen Körpers kanalisieren und als Waffe einsetzen können und diese versuchen seit längerer Zeit, den Kontakt zur Erde wiederherzustellen. Zwischenzeitlich führen Kriege mächtiger Konzerne um das knappe Wasser auf dem roten Planeten zum Leid der Bevölkerung. Durch die Umstände als Gangster und Plünderer endende Bürger stellen neben aufständischen Rebellen, welche für ein besseres Leben kämpfen, weitere Fraktionen auf dem Planeten dar. Auch Mutanten, Menschen, die der Sonnenstrahlung zum Opfer gefallen sind, finden sich in der Geschichte wieder.

Was auf dem Papier einen guten Eindruck macht, braucht leider extrem lange, um sich zu entfalten und schafft es selbst im aufgefalteten Zustand nicht so richtig, an Fahrt zu gewinnen. Das mag zum einen am fehlenden Tiefgang der vorgestellten Charaktere, zum anderen an der Art und Weise, wie die Geschichte inszeniert wird, liegen. Bereits bei ersten, eingeforderten Spielentscheidungen fehlen dem Spieler Kontext und Erfahrungen, um eventuelle Auswirkungen auf die Zukunft zu extrapolieren. Spielt es eine Rolle, ob ich den ehemaligen Offizier und Mittlerweile-Deserteur laufen lasse, festnehme oder, wie von unserem Captain befohlen, auf der Stelle eliminiere? Für den richtigen Weg kann sich der Spieler ohnehin nur in wenigen Szenarien entscheiden, weil die Person of Interest meist ein Fremder ist, welcher unzureichend eingeführt wurde, und nicht zuletzt aufgrund hölzerner Animationen einen unglaubwürdigen Eindruck hinterlässt.

Gestik und Mimik sind lediglich in den cinematischen Zwischensequenzen ausgebaut: Im Spielverlauf freut man sich bereits, wenn die in den Slums lebenden Menschen beim Reden den Mund öffnen und schließen. Spätestens nach wenigen Entscheidungen wird klar, dass sich der Weg, welchen sich der Spieler malt, Auswirkungen auf Zachariahs Karma hat. Dieses wiederum beeinflusst die Beziehungen zu unterschiedlichen Fraktionen. Einige Schnitzer lassen sich, zumindest aus Karma-Perspektive, im Rahmen zahlreicher Nebenquests wiedergutmachen. Optionale Missionen beschränken sich auf das Brot und Butter zahlreicher Rollenspiele: bekämpfe X, besorge Y. Am meisten stört dabei das Backtracking durch oft besuchte Areale der Spielwelt. Dass zudem auf ein Schnellreisesystem verzichtet wurde, ist nicht nachzuvollziehen.

Technomancer Screenshot (17)Außerdem ist Zachariah bereits nach wenigen Minuten nicht mehr ausschließlich alleine unterwegs: auf Abenteuern auf dem Mars lassen sich stets NPC-Gefährten mitnehmen. Die beiden computergesteuerten Mitstreiter verhalten sich im Grunde genommen zu keinem Zeitpunkt katastrophal, retten den Spieler aber auch nicht unbedingt aus der Klemme. Die Begleitung kann nicht nur kämpfen, sondern auch Gespräche führen. Dies ist eine der vielen Möglichkeiten, an weitere Informationen zum Mars und der Geschichte hinter The Technomancer zu gelangen. Auch lassen sich Liebesbeziehungen mit den Charakteren eingehen, aber selbst dann fehlt den Charakteren die Tiefe, sodass Sympathie schwer fällt. Das in modernen Rollenspielen oft eingesetzte Karma-System findet sich auch hier wieder und beeinflusst, wie eure Kameraden zu euch stehen. Schon kurz nach Beginn stellt sich die Frage, ob wirklich jedes Leben auf dem Mars schützenswert ist oder verbrannte Erde hinterlassen werden soll.

Auch ob die direkte Konfrontation immer der richtige Weg ist, bleibt abzuwarten: ein hinreichend charismatischer Mancer kann Konflikte anders lösen als ein rüpelhafter. Dadurch lassen sich im Spielverlauf Gegner infiltrieren und unnötige, schwere Kämpfe vermeiden. Ferner lassen sich listige Fähigkeiten für Schleichangriffe oder die Fingerfertigkeit im Hinblick auf das Knacken von Schlössern ausbauen und somit neben Türen auch vorher fest verschlossene Kisten öffnen. Selbst erste Stufen der unterschiedlichen Fähigkeitenbäume erlauben Aktionen wie das unentdeckte Bestehlen gegnerischer Einheiten. Ein weiterer Fähigkeitenbaum erlaubt es, neben dem Ausbauen der Technomancern zugrundeliegenden Kräfte, auch die Fähigkeiten der Kombination aus Dolch und Pistole, am Kampfstab oder einer Art Keule und Schild auszubauen. Damit wären auch alle möglichen Waffentypen und Kampfstile benannt, welche sich in einem mit L2 aufgerufenen Untermenü auf Knopfdruck einstellen lassen. Während der Kampfstab einen ausgeglichenen Eindruck hinterlässt, stellen Dolch und Pistole, welche nach jedem dritten Schuss überhitzt, eine offensive und aggressive Art des Kämpfens dar. Keule und Schild sind das Handwerkszeug aller, die defensiv in den Kampf ziehen möchten.

Egal ob Dolch, Kampfstab oder Schild und Wasserpumpenzange: die Kämpfe sind ziemlich heftig. Offensichtlich wurde eine Art Echtzeit-Kampfsystem im Stile der Batman-Spiele angestrebt, welches auf den Kampf gegen mehrere Gegner abgestimmt sein soll. Gegner sind jedoch nicht nur aufgrund ihrer Vielzahl problematisch, sondern auch aufgrund des verursachten Schadens: so ziehen selbst herkömmliche Gegner bei einem Treffer etwa ein Fünftel der gesamten Lebensenergie ab. Größere Gegner entledigen den Technomancer bei einem Treffer unter Umständen um einen Drittel seiner Lebensenergie. Die schnell ermüdenden und frustrierenden Kämpfe sind zudem nicht lupenrein animiert und fügen sich auch bezüglich der hakeligen Steuerung und Kontrolle in den Rest des Spiels ein. Um die harten Kämpfe zumindest ein wenig abzumildern, lassen sich die Ausrüstungsgegenstände durch zuvor aufgesammelten Schrott in unterschiedlichen Ausführungen verbessern. Zudem haben Verbesserungen einen visuellen Effekt auf die Waffe und zumindest hier lässt sich die Liebe zum Detail erkennen.

The Technomancer ist ein Sorgenkind, welches mit aufblitzendem Potential Hoffnung macht, dass es mit der Zeit in der richtigen Spur landet. Das Mars-Setting, die im Rahmen des Spiels vorgestellten Storyansätze und Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung auf dem roten Planeten hätten deutlich besser ausgearbeitet werden können. Spiders macht einen bemühten Eindruck und einige Spieler können sicher über hölzerne Animationen und den einen oder anderen unterdurchschnittlich inszenierten Charakter hinwegsehen. Die im Grunde komplexe Geschichte leidet am Aufbau und den Dialogen, welche hinter den Erwartungen zurückbleiben und Potential verschenken. Das interessante Szenario und die Spielwelt selbst werden durch das Backtracking geschmälert und nicht das Durchfallen in einer Disziplin macht The Technomancer zum eingangs erwähnten Sorgenkind, sondern eine Vielzahl kleinerer Baustellen, welche sicher nicht irreparabel sind.

Story: Die Ideen sind zwar da, allerdings versäumt es Spiders, die Spannung durch bessere Dialoge aufrechtzuerhalten.

Gameplay: Die Steuerung kann einem das Leben schwer machen. Drei unterschiedliche Kampfstile und Technomancer-Kräfte bringen viel Potential mit.

Grafik: Während einige Areale hübsch anzuschauen sind, können hölzern animierte 3D-Modelle der Charaktere nur selten überzeugen.

Sound: Die Musik ist durchschnittlich, die Synchronisation ist eher am unteren Ende des Spektrums anzusiedeln.