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Im Test! I Am Setsuna

Kaum wurden erste Gameplay-Trailer zu I Am Setsuna gesichtet, schwelgten Freunde von Rollenspielen vergangener Tage in Nostalgie. Im Original hört das von Tokyo RPG Factory entwickelte Rollenspiel auf den Titel Ikenie to Yuki no Setsuna und verspricht, Kinder der Neunziger auf eine Reise mitzunehmen, die sich nach „vor dem Schlafengehen im Schneidersitz auf dem Teppichboden sitzend bis zum nächsten Speicherpunkt spielen“ anfühlt. Ob I Am Setsuna halten kann, was es verspricht, und das Abenteuer die im Spiel durchgehend präsente Schneedecke aufbrechen kann oder darunter verstummt, lest ihr in unserem Test!

I am Setsuna__20160715152705Die erste Entscheidung wird dem Spieler schon ziemlich früh abverlangt: bevor das Abenteuer los geht, muss entschieden werden, ob Charakter-Stimmen eingeschaltet werden sollen. Diese beziehen sich lediglich auf Ansagen während der Kämpfe und sind verhältnismäßig unspektakulär. Dialoge sind, wie bei damaligen Rollenspielen eben üblich, nicht vertont. Endir, so der Name des Protagonisten, findet sich in der Dämmerung wieder. Es schneit fürchterlich und am Waldrand erscheint ein älterer Mann, Hasper, welcher sich als Tutorial-NPC entpuppt. Die nächsten Szenen zeigen Endir, wie er Tutorial-Monster auf dem Weg, ein junges Mädchen zu retten, aus dem Weg räumt.

Dabei werden dem Spieler das Active-Time-Battle-Kampfsystem (ATB) nähergebracht und spielspezifische Systeme wie der Momentum-Modus und Spritnite-Steine erläutert. Während das ATB-System eingängig und ziemlich selbsterklärend ist, bedürfen Momentum und Spritnite erst einmal einer Erklärung. Der Momentum-Modus ist durch ein sich mit der Zeit füllendes Orb dargestellt und ermöglicht, wenn er aufgeladen ist, Gegnern zusätzlichen Schaden zuzufügen oder diese mit Statuseffekten zu belasten. Auch ausgeführte Angriffe und Attacken, die die eigenen Spielfiguren erdulden müssen, laden besagten Kreis auf. Spritnite sind magische Kräfte freisetzende Steine. Im Grunde sind Spritnite-Steine Spezialattacken wie spektakuläre Schwerthiebe, die alle Gegner in einer Reihe oder einem Radius angreifen oder Heil- und Offensivzauber wie Feuer- oder Blitzangriffe.

Während Momentum-Attacken durch das Drücken einer Taste zum richtigen Zeitpunkt ausgelöst werden und neben kritischem Schaden auch beispielsweise Statuseffekte wie die Verlangsamung des gegnerischen ATB-Balkens hervorrufen können, bezwecken die Mana verbrauchenden Techniken durch Spritnite-Steine neben Heilung der Lebenspunkte oder diverser Statuseffekte altbekannte Offensivzauber. Nachdem alle Unklarheiten hinsichtlich des Kampfsystems geklärt sind, verliert Hasper einige Worte zu Endir und seiner Herkunft. So wird Endir die Frage gestellt, wie lange er sein Leben als Söldner fortführen möchte und dass er sich für einen Weg entscheiden muss. Kaum verschwindet Hasper von der Bildfläche, taucht ein mysteriöser Mann in Rüstung auf, welcher Endir um Hilfe bittet. Er soll sich auf den Weg auf eine Insel nahe der Küste machen und ein frisch volljähriges Mädchen… entleiben.

I am Setsuna__20160715154644Kaum ist der Prolog zu Ende, finden wir uns auch schon auf dem Weg zur Inselstadt Nive wieder. Auf dem Weg dorthin werden weitere Elemente der Hauptgeschichte in Textform erzählt: Alle zehn Jahre wird eine Person mit magischen Kräften in die Last Lands geleitet und geopfert, um gefährliche, die Zivilisation bedrohende, Monster zu beschwichtigen. Diese Person, Setsuna, stellt gleichzeitig das Ziel des Attentats dar. In Nive angekommen stellt sich nach Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung heraus, dass es sich bei Setsuna wohl um eine herzliche, freundliche, junge Dame handelt, deren Mutter und Tante bereits dem seit langem durchgeführten Ritual zum Opfer gefallen sind. Offenkundig hält sich Setsuna des Öfteren am Falling Snow Monument auf.

Als wir Setsuna vorfinden, betet sie am Monument und nach einem kurzen Dialog wird Endir von Setsunas Leibwache, bestehend aus ihrem Vater und einer Schurkin, paralysiert. Kurz vor Endirs Urteil wird Nive von Monstern überfallen und Setsuna persönlich heilt Endirs Paralyse. Ihre Entourage hält nicht sonderlich viel von der Idee, lässt den Protagonisten, welcher sich während der Rettung des Dorfes beweisen muss, aber widerwillig mitkämpfen. Da dem Spieler ab diesem Zeitpunkt eine Party aus mindestens zwei Charakteren zur Verfügung steht, führt das Spiel behutsam Kombo-Attacken ein: ausgewählte, vom Spieler eingesetzte Charaktere können gemeinsam mächtige Angriffe ausführen, wenn die ATB-Balken beider zum Angriffszeitpunkt gefüllt sind. Nach dem Erlegen des ersten, größeren Widersachers tritt der Spieler der Leibwache Setsunas bei und begleitet sie auf dem Weg in die Last Lands. Die Geschichte entwickelt sich ab diesem Zeitpunkt in einer ordentlichen Geschwindigkeit und gewinnt spätestens nach eineinhalb Stunden an Fahrt.

I am Setsuna__20160717152148Kämpfe in der Dreiergruppe eröffnen zahlreiche, strategische Möglichkeiten: im weiteren Spielverlauf zur Gruppe hinzustoßende Charaktere erfüllen die klassischen Rollen ehemaliger JRPGs und erlauben unterschiedliche Kombinationen, die unterschiedlich viel Erfahrung voraussetzen. Beispielsweise muss gut überlegt sein, welche Charaktere gegen Widersacher mit einer hohen, physischen Verteidigung in den Kampf geschickt werden. Dazu sei erwähnt, dass auch mit Schwertern oder Dolchen ausgestattete Charaktere über den einen oder anderen magischen Angriff verfügen. Generell erlaubt I Am Setsuna dem Spieler viel auszuprobieren, bestraft ihn stellenweise aber auch für Fehler im Kochrezept. Die Möglichkeit, Waffen durch spezielle Metalle zu verstärken, gibt dem Titel neben den Spritnite-Steinen die nötige taktische Tiefe.

Kleidungsstücke können nicht ausgerüstet werden und Waffen gibt es zwar nicht im Überfluss, diese wirken sich aber auch auf das Charaktermodell aus und sind mit allen nötigen Details versehen. Die Kämpfe selbst bereiten dem Spieler durch gut animierte Angriffe und zahlreiche Optionen Freude, die Gegnervielfalt ist selbst im weiteren Spielverlauf in Ordnung und zahlreiche Monster sind liebevoll ausgestaltet. Besonders größeren Zwischengegnern scheint viel Liebe der Entwickler entgegengebracht worden zu sein. Alle besagten Monster und Widersacher befinden sich unmittelbar in der Spielwelt, zufällige Begegnungen gibt es nicht. Während der Navigation durch die Weltkarte sind Auseinandersetzungen dementsprechend ausgeschlossen. Das Navigieren in der Spielwelt und auch der Weltkarte ist absolut flüssig und befriedigend. Ladezeiten wurden minimiert und so schafft Tokyo RPG Factory ein nahezu reibungsloses und ohne Unterbrechungen zusammenhängendes Spielerlebnis.

I am Setsuna__20160717153117Bereits erste Screenshots und Gameplay-Aufnahmen ließen vermuten, dass Tokyo RPG Factory bei der Entwicklung ziemlich viel vom Stoff verwendet hat, aus dem Wallpaper sind, und schon nach wenigen Spielminuten können gut animierte Charaktere in einem wunderschönen Kunststil glänzen. Die Spielwelt ist und bleibt auch im weiteren Spielverlauf, wenn sich Spieler mit schneebedeckten Landschaften anfreunden können, schön anzusehen. Zahlreiche, auch mehrgeschossige, Gebäude lassen sich betreten und unterscheiden sich nur dann stark voneinander, wenn sie aus unterschiedlichen Regionen stammen. Zu Spielbeginn gibt es vor allem Schwedenhäuschen mit Holzinterieur und -exterieur zu sehen.

An Details mangelt es I Am Setsuna vor allem an anderen Stellen nicht: unter den Snow Chronicles, welche sich im Hauptmenü anwählen lassen, befinden sich neben Statistiken auch ausführliche Beschreibungen zu Haupt- und Nebencharakteren, Monstern, die nach Rasse und Unterarten aufgeteilt sind, Waffen, Talismane, Gegenständen, Orten und sogar zu Story-Elementen und Geschehnissen auf eurer Reise. Für Interessierte steht hier genug Lesestoff für stundenlanges Entertainment zur Verfügung. Auch Bilder und vor allem dreidimensionale Modelle der besiegten Monster sind einzusehen und beim Umblättern auf die zweite Seite offenbart sich eine Art Dropliste. So lassen sich Monstern unterschiedliche Gegenstände abzwacken, wenn diesen unter unterschiedlichen Bedingungen der Garaus gemacht wird.

Egal ob Spielmenü, Weltkarte oder Kampfszene: die musikalische Untermalung ist dominiert von Pianomusik. Auf ein überladenes Orchester haben Tokyo RPG Factory vermutlich nicht nur aus finanziellen Gründen verzichtet: der 1993 geborene Tomoki Miyoshi spielte den Soundtrack zu I Am Setsuna ein und verdichtet fingerfertig die Atmosphäre. Besonders emotionale Szenen profitieren stark vom Piano-Soundtrack.

Klassische Rollenspielelemente treffen auf moderne Technik: I Am Setsuna. Da der Versuch, das Rad neu zu erfinden, überhaupt nicht zur Debatte steht, erleidet Tokyo RPG Factory auch keinen Schiffbruch an den Klippen der Innovation. Stattdessen kombinieren die Entwickler Elemente nach altbekannten Formeln und verpassen diesen ein modernes und ziemlich attraktives Äußeres. Selbst die Geschichte hinter I Am Setsuna erinnert mehr an kitschige Spielgeschichten vergangener Jahre als an moderne Rollenspielerlebnisse.

Während an der Geschichte im Grunde genommen nichts auszusetzen ist, hätte I Am Setsuna sicher den einen oder anderen, weiteren Twist vertragen können. Außerdem kommt es beim Vermitteln eines der tragenden Gefühle des Spiels, der Trauer, zu Komplikationen: stellenweise versucht I Am Setsuna zu sehr, den Spieler emotional zu berühren. Dabei sind vor allem die ruhigen Phasen und stillen Momente rührend. Die Kämpfe sind durchgehend interessant und bieten vielfältige Möglichkeiten. Das hervorragende Visuelle wird vom überdurchschnittlichen Auditiven untermalt: wunderschöner Kunststil trifft auf Pianomusik. Der Preis von 39,99 Euro ist angemessen, denn um sich mit Rollenspielen aus der Vollpreis-Kategorie zu messen, fehlt I am Setsuna der Feinschliff und der Umfang.

Story: Eine traurige Geschichte, die primär in Textform vermittelt wird. Gesunder Durchschnitt.

Gameplay: Das Kampfsystem macht Spaß, es gibt kaum Ladezeiten und die Bedienung ist hervorragend.

Grafik: Tokyo RPG Factory liefert eine wunderschön anzusehende Spielwelt, die nicht zuletzt durch Details und den Kunststil zu überzeugen weiß.

Sound: Miyoshi sorgt mit einem pianolastigen Soundtrack für eine dichtere Atmosphäre.

Sonstiges: Die europäische Vita-Version steht in den Sternen. Für PlayStation 4 und via Steam ist I Am Setsuna für 39,99€ zu erstehen.