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Im Test! Root Double

Mit Root Double: Before Crime * After Days Xtend Edition hat Herausgeber Sekai Project eine hochgefeierte All-Ages Visual Novel in den Westen gebracht, die von Fans schon sehnlichst erwartet wurde. Nicht ohne Grund, denn das Spiel entstand durch Takumi Nakazawa, der in der Visual-Novel-Szene kein unbeschriebenes Blatt ist. Eines seiner bekanntesten Werke stellt Ever 17 dar. Leider gab es einige anfängliche Startschwierigkeiten mit der Kickstarter-Kampagne für Root Double, und danach herrschte Stille um das Projekt.

Die angestrebte März-Veröffentlichung wurde heimlich auf April verlegt, und als jeder schon annahm, dass es eine neue Verschiebung geben würde, erschien das Spiel doch ganz plötzlich. Laut Lemnisca Translation, der Gruppe, die die Übersetzung von Root Double übernommen hat, wurde die Veröffentlichung mit dem Erscheinungsdatum von Punch Line abgepasst. Root Double: Before Crime * After Days Xtend Edition wurde übrigens extra für den Westen auf den PC (Steam) portiert. In Japan gibt es diese Version lediglich für PlayStation 3 und PlayStation Vita. Wer keine Visual Novels am PC spielen mag, muss sich leider noch bis 2017 gedulden, denn dann plant Sekai Project die Version für PlayStation Vita im PlayStation Store zu veröffentlichen. Wir haben uns die Steam Version ein wenig genauer angeschaut, um euch einen Einblick zu geben und zu prüfen, ob der Titel wirklich so gut wie sein Ruf ist.

Gefangen im Flammenmeer

root5Die Geschichte von Root Double findet in der fiktiven Stadt Rokumei statt. Eine Stadt, die sich der Wissenschaft verschrieben hat und eine Forschungsanlage mit Kernkraftwerk beinhaltet. Aus unerklärlichen Gründen kommt es eines Tages zu einem schrecklichen Vorfall in besagter Anlage. Mehrere Explosionen ereignen sich im Inneren, welche schnell ausbreitende Feuer mit sich führen und Notausgänge komplett zerstören.

Durch das hochmoderne Sicherheitssystem wird sogleich ein Notruf ausgesendet und die Rettungseinheit ‚Sirius‘ stürmt das Gebäude im Kampf gegen das Feuer, und um Überlebende zu retten. Doch während sie ihre Arbeit ausüben, wird plötzlich der Notstand ausgerufen und die Anlage riegelt automatisch alle Toren und Türen ab. Es besteht der Verdacht auf eine Kernschmelze, und die Radioaktivität innerhalb der Anlage beginnt langsam aber sicher zu steigen. Im Inneren eingeschlossen sind nicht nur das Rettungsteam, sondern auch noch sechs weitere Personen…

Zu Beginn kann der Spieler sich zwischen den beiden Routen, After und Before entscheiden. Empfehlenswert ist es hierbei, mit After anzufangen. Diese Route wird aus der Perspektive des Captain der Rettungseinheit erzählt und kümmert sich direkt um den Vorfall. Watase Kasasagi kommt im Inneren der Forschungsanlage zu sich und muss feststellen, dass er sich an nichts erinnern kann, noch nicht einmal daran, wer er ist. Angesichts der Lage ist das natürlich ein großes Problem. Zum Glück stehen ihm seine beiden Untergebenen tatkräftig zur Seite, und zusammen beginnen sie, sich durch das Gebäude zu kämpfen.

Route After kommt mit einen fesselnden Erzählstil daher, der den Leser schnell in seinen Bann zu ziehen weiß. Eine Gefahrensituation nach der anderen gilt es zu bewältigen, und dabei stoßen die Charaktere auf schockierende Dinge und Ungereimtheiten, wodurch immer neue Fragen aufkommen. Man erwischt sich leicht einmal dabei, wie man mit den Charakteren mitfiebert und hofft, dass sie doch einen Weg finden, alle zu überleben. Begleitet werden die Szenen von allerhand schlechten Enden, die zwar kein Corpse-Party-Niveau erreichen, aber doch durch die damit einhergehenden Beschreibungen und Geräusche einen bleibenden Eindruck hinterlassen können.

root22In Route Before hingegen übernimmt der Spieler die Rolle von Natsuhiko Tenkawa. Ein Oberschüler, der zusammen mit seinen Freunden in den Vorfall mit der Forschungsanlage verwickelt wird. Allerdings konzentriert sich dieser Teil der Geschichte weitgehend auf die Tage vor der Katastrophe und fühlt sich demnach komplett anders an. Hier steht das Alltagsleben von Natsuhiko an erster Stelle, und nebenher gibt es allerhand interessante Informationen zu erfahren. Ab dieser Route konzentriert sich Root Double vermehrt auf die Charaktere an sich, ihre Geheimnisse und Verbindungen zueinander. Den einen oder anderen schönen Twist gibt es übrigens auch mitzuerleben, wobei man einiges schon durch die im Spiel verteilten Hinweise erahnen kann.

Route Current und Route Double kümmern sich schließlich darum, nach und nach die Mysterien aufzudecken und alle Puzzlestücke zusammenzufügen. Zwar erwartet den Spieler kein Ende voll mit Wendungen, das ihn vom Hocker hauen wird, aber es fügt sich alles gut zusammen und wird detailliert erklärt. Vor allem das wahre Ende fühlt sich sehr zufriedenstellend an. Den Eindruck, den man von den einzelnen Charakteren gewinnt, kann sich gerade durch das Aufdecken der Geheimnisse mehrmalig ändern. Man lernt sie und ihre Handlungen besser zu verstehen und kann mit ihnen mitfühlen. Vor allem Watase Kasasagi ist ein sehr gut ausgearbeiteter Charakter.

Ein wenig schade ist es, dass die Spannung der ersten Route nicht durch das ganze Spiel hinweg erhalten bleibt und besonders im späteren Verlauf durch unzählige Wiederholungen von Szenen (nur aus einer anderen Perspektive) und Flashbacks ausgebremst wird. Zwar ist positiv zu vermerken, wie auf alle Charaktere im Detail eingegangen wird, mitsamt Gedanken und Hintergrund, aber gerade die immer gleichen Szenen stören den Lesefluss sehr und ziehen das Spiel unnötig in die Länge. Kein Wunder, dass man etwa 60-70 Stunden benötigt, bis man endlich das wahre Ende erreicht hat.

Beyond Communication

root11Schön mit anzusehen ist, wie viele Gedanken man sich um die Welt in Root Double gemacht hat. Alleine das Thema um die Communicator, Menschen, die mit der Gabe der Telepathie geboren sind, wird umfangreich und wissenschaftlich erklärt, sogar mit dazu ausgedachten Begriffen. Oftmals werden fiktionale Themen mit unserer Realität vermischt und fügen sich fast schon perfekt mit ein. Zudem gibt es für viele Begriffe zusätzlich noch Beschreibungen zum Nachlesen.

Dazu zählt zum Beispiel das Thema Radioaktivität oder die besonderen Werkzeuge der Rettungseinheit. Manchmal bekommt der Spieler zudem kleinere Geschichten zu Gesicht. So gibt es an Natsuhikos Schule jemanden, der einem Mädchen über Telepathie ein Liebesgeständnis macht, nur bekommen diese Unterhaltung sämtliche Schüler mit. Nach und nach werden weitere Stückchen dieser Unterhaltungen präsentiert und man erfährt, wie es mit den beiden ausgeht. In einem anderen Falle werden Zusammenfassungen inklusive Bilder eines für das Spiel ausgedachten Anime gezeigt.

Eine wichtige Rolle spielt die Beziehung zwischen den Communicator und normale Personen, sowie ihre Ansichten zueinander. Seitdem das Wissen der Existenz von Telepathie an die Öffentlichkeit gelangt ist und aktiv erforscht wird, wächst auch die Angst vor dieser Gabe. Als Resultat werden Communicator oftmals unrecht behandelt und gefürchtet. Zum Glück gibt es Städte wie Rokumei, die diesen Personen Schutz bieten und gleichauf versuchen, ihre Kräfte zu fördern.

Nicht nur die zwei Protagonisten, zwischen deren Perspektive man hin und her wechselt und die beide einen Sprecher haben, machen Root Double besonders, sondern auch das System, welches für die Entscheidungen benutzt wird. Es gibt nämlich keine typischen Auswahlmöglichkeiten wie in anderen Visual Novels, sondern das sogenannte Senses-Sympathy-System. Hierbei wird die Affinität des jeweiligen Protagonisten in Zusammenhang mit den anderen Charakteren gestellt, aber auch die Zuversichtlichkeit in sich selbst kann dadurch beeinflusst werden. Jeder Charakter hat einen Wert von 0 bis 8 auf einer Leiste präsentiert, und diese lässt sich beliebig verstellen. Es hängt ganz von der gegebenen Situation ab, wie die Entscheidung den Spielverlauf beeinflussen wird. Manchmal ist es zum Beispiel gar nicht so gut, den Wert zu hoch zu setzen, auch wenn es im ersten Moment am Logischsten erscheint. Gerät man in eine gefährliche Lage und überschätzt die Fähigkeiten des Protagonisten, kann es ganz schnell zu einem schlechten Ende führen.

Das Senses Sympathy System erscheint nur an bestimmten Stellen und kann auch nur dann verändert werden. Oftmals lässt sich an der Farbe erkennen, was die Beeinflussung bewirkt. Blau heißt hierbei meist, dass die Zuneigung zu einem oder mehreren Charaktere steigen oder sinken kann. Gelb deutet eine wichtigere Entscheidung an, zum Beispiel mit welchen Leuten man mitgeht, wenn sich das Team aufteilt. Entscheidet man sich bei einer gelb markierten Auswahl falsch, folgt gerne einmal gleich im Anschluss eine rote Entscheidung. Dies bedeutet unmittelbare Gefahr und stellt die letzte Möglichkeit dar, seine Meinung zu ändern und ein schlechtes Ende abzuwenden.

root23Insgesamt ist es ein recht interessantes System, allerdings sehr kompliziert und schwierig zu verstehen. Anfangs wird man sehr viel damit herumprobieren, weil es einfach zu viele Möglichkeiten gibt und man nicht weiß, auf welche Werte man es stellen soll. Dazu kommt, dass Entscheidungen viel zu oft auftreten und sich nicht immer deuten lässt, was das Spiel in dem Moment eigentlich vom Spieler erwartet.

Ohne Hilfe wird man nicht so schnell das wahre Ende erreichen. Leider schaltet sich der sogenannte Answer Mode erst für eine Route frei, nachdem man das beste Ende dieser gesehen hat. Der Answer Mode hilft den Spieler, das System hinter den Entscheidungen besser zu verstehen, da es verschiedene Antwortmöglichkeiten vorgibt. Eine weitere Hilfe bieten die Hinweise, die man beim Erreichen eines schlechten Endes bekommt. Hier wird nicht nur der Grund angegeben, warum man dieses Ende erreicht hat, sondern auch, wie man es abwenden kann.

Neben einem Auto-Textmodus und einer Skip-Funktion, die beide Pflicht in einer Visual Novel sind, bietet Root Double auch einen Gesprächsverlauf an, der nicht nur die Texte beinhaltet, sondern auch die Titel der Szenen, wann das Senses Sympathy System aktiviert wird und ob die Zuneigung zu einem Charakter beeinflusst wurde. Hat man einen Fehler gemacht oder versehentlich eine Szene übersprungen, besteht die Möglichkeit, den Verlauf durchzugehen und an einen früheren Zeitpunkt zurückzukehren. Speicherplätze stehen mehr als genug zur Verfügung, und zusätzlich wird nach jeder Szene automatisch die Schnellspeicherfunktion benutzt. Eine Karte von der Forschungsanlage oder Rokumei (je nachdem welche Route gerade gespielt wird) lässt sich über den Menüpunkt Karte aufrufen, zudem werden im Menü Informationen wie das momentane Datum, der Zeitpunkt der Handlung und die aktuell gespielte Musik angezeigt. Welche Enden und Szenen bislang freigespielt wurden, lässt sich im Hauptmenü einsehen, zudem wird der genaue Fortschritt aufgelistet. Eine Galerie und ein Musikmode dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Zwischen Realität und Illusion

Die Darstellung von Root Double ist eher einfach gestaltet, so wie es für eine Visual Novel üblich ist. Texte werden entweder in einer Textbox präsentiert oder auch in einigen Fällen über den gesamten Bildschirm verteilt. Den Charakter, den ihr spielt, werdet ihr nicht zu Gesicht bekommen, es sei denn die Perspektive ändert sich oder er wird in einen der CGs gezeigt. Von allen anderen Charakteren wird das Artwork auf den Bildschirm gezeigt, und die Posen und Gesichtsausdrücke ändern sich je nach Situation. Zwar blinzeln sie nicht mit den Augen, aber ihre Mundbewegungen wurden dem Gesprochenen angepasst, was die Figuren zumindest etwas lebendig erscheinen lässt.

root17Es gibt weit über 100 Event-Bilder, darunter befinden sich auch einige eher verstörende Bilder oder welche die Verletzungen von Charakteren zeigen. Wirklich Gore enthält Double Root dennoch nicht. Trotz der großen Auswahl an CGs werden Bilder wiederverwendet. Auffällig ist dies vor allem bei den Hintergründen.

Es kommt schon etwas seltsam herüber, wenn jeder dritte Büroraum in der Forschungsanlage gleich aussieht oder zehn Jahre lang dasselbe Plakat an der Bushaltestelle hängt. Wirklich schade, weil die Hintergründe ansonsten ganz gut gestaltet sind. Die Qualität der Event-Bilder schwankt leider sehr. Man merkt schnell, dass der Zeichner in erster Linie gut darin ist, niedliche Mädchen mit großen Augen zu zeichnen und nicht so sehr auf männliche Charaktere spezialisiert ist. Zudem gibt es Bilder, in denen die Proportionen nicht stimmen oder die allgemein schlechter gezeichnet wirken. Allgemein passt der Stil nicht so ganz zu dieser Art von Visual Novel, aber das ist wohl immer eine Frage des Geschmacks.

Der Soundtrack bietet bis auf einige wenige Stücke, die gleich im Kopf bleiben, nichts Außergewöhnliches. Jeder Charakter hat sein eigenes musikalisches Thema von meist freundlicher, heller Natur und es gibt einige Lieder, die gut zur Spannung in dramatischen Szenen beitragen. Fehlplatzierte Musik findet man hier zum Glück nicht. Die Stimmen der Charaktere sind in Ordnung und passend, allerdings nicht immer von guter Qualität. Es gibt vor allem in der letzten Route an einigen Stellen Probleme mit dem Ton. Besonders bemerkbar macht es sich bei Natsuhiko, der plötzlich viel leiser spricht als alle anderen, und dessen laute Ausrufe gelegentlich von einen seltsamen Knistern begleitet werden. Einige verwendete Geräusche wird man nicht so schnell wieder vergessen, besonders, wenn man sich die dazugehörigen Szenen vorstellt.

Lemnisca Translation hat weitgehend gute Arbeit mit der Übersetzung geleistet. Es sind nur wenige Fehltritte und seltsame Entscheidungen bemerkbar. Zum einen wurden die japanischen Höflichkeitsformen nicht beibehalten, was an sich eine gute Entscheidung ist, weil diese in der englischen Sprache nichts zu suchen haben. Allerdings ist der Ersatz dafür nicht immer gut gewählt. Schüler untereinander würden sich niemals mit Ms. oder Mr. ansprechen. Zudem kommen einige Charaktere durch die vermehrte Verwendung von Kraftausdrücken schroffer herüber, als sie eigentlich sind. Rechtschreibfehler sind hingegen kaum bis gar nicht vorhanden.

Fazit

Insgesamt stellt Root Double eine solide Visual Novel dar, die vor allem in der ersten Route fesselnd geschrieben ist und den Spieler mitzureißen weiß. Das Spiel ist gut darin, Spannung aufzubauen und für Verwirrung zu sorgen. So wird man sich durch Handlungen und Hinweise schnell fragen, ob man wirklich allen Charakteren vertrauen kann, oder ob nicht doch jemand etwas zu verbergen hat. Begleitet wird die Geschichte mit der einen oder anderen netten Wendung, die sich manchmal allerdings schon erahnen lässt. Im späteren Verlauf nimmt die Spannung ab und der Fokus wird auf die einzelnen Charaktere, ihre Hintergründe und auf die Situation in der sie leben, gelegt.

Gerade in der letzten Route, die alles aufdeckt, stimmt das Pacing leider nicht immer und man bekommt oftmals Flashbacks und Wiederholungen zu Gesicht, die das Spiel unnötig in die Länge ziehen. Trotzdem erwartet den Spieler ein zufriedenstellendes Ende, welches so gut wie keine Fragen offen lässt. Man sollte nur kein Ende voller Wendungen und Überraschungen erwarten, denn das sucht man hier vergeblich. Empfehlenswert ist Root Double für Fans von Takumi Nakazawas Werken, wie zum Beispiel Ever 17, aber auch Liebhaber der Zero-Escape-Reihe werden sicherlich gefallen hieran finden. Abgesehen von den genannten Schwächen ist es eine sehr lohnenswerte Visual Novel mit Charakteren und Ereignissen, die man so schnell nicht wieder vergessen wird.

Root Double bietet lediglich englische Bildschirmtexte und eine japanische Synchronisation an.

Story: spannend und gut geschrieben, mit einigen Twists. Konzentriert sich allerdings später weitgehend auf die Charaktere und bremst die Spannung in der letzten Route deutlich durch zu viele Flashbacks und Wiederholungen aus. Zufriedenstellendes Ende ohne große Wendungen.

Gameplay: weitgehend nur sich durch Texte und Dialoge klicken. Kreatives, aber kompliziertes Entscheidungssystem, das die Handlung und Ausgänge beeinflusst.

Musik: Bis auf wenige Stücke, die gleich im Kopf bleiben, nicht wirklich besonders. Wenige Lieder tragen gut zur Atmosphäre bei, besonders in brenzligen Situationen.

Grafik: Einfach gestaltet, mit Charakter-Artworks und über 100 Event-Bildern. Die Qualität der Event-Bilder ist leider nicht immer gleichbleibend.

Sonstiges: Galerie mit allen CGs und einigen Zusatzbildern, Musikmode, 39 Enden (davon viele schlechte Enden), nur englische Bildschirmtexte und japanische Synchronisation.