Bei dem Begriff „Anime“ gehen die ersten Gedanken unweigerlich in Richtung große Augen, bunte Schauplätze, weltbewegende Abenteuer und mysteriöse Helden mit der einen oder anderen Superkraft. Vor allem massentaugliche und auch hierzulande populäre Animeserien bedienen wohl die eine oder andere genannte Kategorie. Das heißt nicht, dass es fernöstliche Zeichentrickserien ablehnen, andere Themen zu behandeln. Zwar nehmen diese keinen ebenbürtigen Anteil aller Produktionen ein, jedoch erscheinen jährlich Mangas und zugehörige Anime-Adaptionen, deren Zielgruppe klar Erwachsene sind. Gangsta (Eigenschreibweise GANGSTA.) vom Produktionsstudio Manglobe gehört klar zu letztgenannten. Wir untersuchen, ob sich ein Ausflug in die Straßen von Ergastulum, dem Schauplatz von Gangsta, lohnt oder besser ein Bogen um die Gassen gemacht werden sollte!
Kleinkriminelle, Prostituierte, korrupte Polizisten, Mafiabosse – willkommen in Ergastulum. Die Protagonisten Nicolas Brown und Worick Arcangelo lassen sich nicht so richtig kategorisieren und müssten sie ebenfalls in Schubladen verstaut werden, würde womöglich Kopfgeldjäger am besten passen. Nic und Worick lassen sich dafür entlohnen, die Widerwärtigen, Gemeinen und Unangenehmen in einer ohnehin unangenehmen Stadt zu beseitigen. Kurz gesagt übernehmen die beiden die Arbeit, die sonst niemand gerne machen möchte. Bereits zu Beginn wird der erste Gauner namens Berry vorgestellt.
Berry ist das, was man umgangssprachlich als Zuhälter bezeichnen würde: unter anderem zwangsprostituiert er eine 24-jährige Frau namens Alex, die in der Nähe des Büros der beiden Kopfgeldjäger anschafft. Worick und Nic werden durch die lokale Polizei angeheuert, um sich um Barry und seine Lakaien zu kümmern. Es folgt ein Aufeinandertreffen mit Barrys Männern in den engen Gassen Ergastulums, welche in jeder Hinsicht demontiert werden. Lediglich eine Person wird verschont: Alex.
Worick und Nicolas sind absolut unterschiedlich, scheinen als Team aber hervorragend zu funktionieren. Während Worick mit blonden, langen, an Löwenmähnen erinnernden Haaren und einem frechen Mundwerk daherkommt, wirkt Nicolas eher zurückhaltend. Das liegt vermutlich nicht zuletzt an seiner Gehörlosigkeit, welche sein Können als Kopfgeldjäger (auch Handyman) jedoch in keiner Weise schmälert. Das Zusammenspiel der Protagonisten funktioniert reibungslos, denn auch Nicolas weiß sich geschickt auszudrücken und das auch ohne Worte. Interessant und in Animes eher selten zu sehen ist die Kommunikation über Gebärdensprache.
Was den Verlauf der Geschichte angeht, lässt Manglobe immer wieder Tropfen auf den heißen Stein fallen. Es sickern immer mal wieder Informationen in Form von Gesprächen über beispielsweise die vergangene Woche durch. Ob und welche der erhaschten Informationen im späteren Verlauf des Animes an Bedeutung gewinnen, steht noch aus. Auch Alex‘ Entkommen aus Barrys Griff ist interessant: Manglobe räumt dem Charakter genug Zeit ein, sich zu erklären und als Nic und Worick eigentlich schon aufgeräumt haben, versenkt Alex selbst noch einmal ein Magazin in Barrys Leichnam.
An Brutalität spart Gangsta nicht, aber so ist das Leben in Ergastulum eben. Hundemarken scheinen genauso zum Leben in Ergastulum zu gehören. Bei Hundemarkenträgern, auch Twilights genannt, handelt es sich um ehemalige und aktive Söldner, die über ihre Hundemarken in Kategorien eingeteilt werden, wobei Nicolas‘ Hundemarke mit einer „A/0“ geprägt ist. Zwar führen die ersten Episoden die Twilights ein und erzählen auch ein wenig über deren Zustände, allerdings werden vorerst mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Was genau es mit den Hundemarken und den Hintergründen zu Worick, Nicolas und Ergastulum auf sich hat, dürfte im weiteren Verlauf der Animeserie endgültig aufgelöst werden.
Die deutsche Umsetzung
Das erste Volume zu Gangsta erscheint hierzulande im berühmten, blauen Blu-ray-Amaray. Neben der Disc mit den ersten drei Episoden befinden sich ein Poster im A4-Format und ein Booklet in der Verpackung. Auch ein Wendecover ist mit von der Partie. Vor allem aber das Booklet ist interessant: neben zahlreichen Informationen in Form von Kurztexten zu den Charakteren gibt es auch ein paar Seiten zum Thema Gebärdensprache, da diese aus Gründen der Gehörlosigkeit Nicolas‘ ein Thema im Anime darstellt. Die letzten beiden Seiten behandeln Keywords wie beispielsweise die Hundemarken.
Ton und Bild sind makellos und liegen in hervorragender Qualität vor, auch an den Animationen ist nichts auszusetzen. Vor allem überrascht die deutsche 5.1-Tonspur, wobei die hinteren Lautsprecher fast durchgehend still schweigen. Liebhaber des Originaltons müssen sich mit 2.0 abfinden. Die Untertitel lassen sich lediglich auf Deutsch einblenden und sind grundsätzlich gut lesbar. Einen nicht unwesentlichen, technischen Makel haben diese allerdings: während Nicolas‘ Gebärdensprache werden japanische Untertitel eingeblendet und wenn der Zuschauer auf Deutsch mitlesen möchte, müssen deutsche Untertitel zusätzlich eingeschaltet werden. Diese werden dann einfach über den japanischen Untertiteln angezeigt und sind somit schwer lesbar.
Phasenweise ist die deutsche Umsetzung gut gelungen. Wenige Szenen wirken aufgesetzt, was nicht zuletzt am Schauplatz und der in einem solchen Milieu verwendeten Sprache des Animes liegen kann. Die Untertitel geben zwar den Sinn der Dialoge wieder, sind meist leider aber unterdurchschnittlich und kürzen das Gesagte zu stark ab. Worick Arcangelo wird von Mike Carl gesprochen, welcher bereits Sprecherrollen in Pokémon-Filmen und beispielsweise die Stimme von Kizaru im Film „One Piece Z“ übernahm. Gerhard Jilka verleiht überraschend gut dem wortkargen Nicolas seine Stimme, während Tatjana Pokorny, zu hören als Fleur Delacour in den Harry-Potter-Filmen, Alex ihre Stimme leiht. Die japanische Sprachfassung ist jederzeit passend und kann überzeugen. Lediglich mit den durchschnittlichen, deutschen Untertiteln muss sich dann arrangiert werden.
Fazit
In Ergastulum läuft die Welt ein wenig anders. Nicolas und Worick geben auch jenseits der engen, dunklen Gassen der Stadt ein hervorragendes Team ab. Wer nach einem plumpen Schlägertrupp sucht, ist woanders sicher besser bedient, denn Nicolas und Worick haben Charakter. Der Zeichenstil, Animationen und die Farbwahl heben sich deutlich vom Einheitsbrei ab und bieten jedem, der sich auf einen erwachsenen Anime einlassen möchte, drei Episoden Unterhaltung in Form von Action, Humor und Spannung. Hier und dort sickern immer wieder Informationen durch, welche den Zuschauer fast förmlich dazu zwingen, in die nächste Episode einzusteigen. Das beiliegende Booklet ist ein Highlight und kann gerne beibehalten und von anderen Verlegern abgeschaut werden. Die deutsche Synchronisierung kann sich sehen lassen, lediglich die Untertitel lassen stellenweise zu wünschen übrig.
Zu erwähnen ist außerdem, dass das Produktionsstudio hinter Gangsta, Manglobe, im September 2015 leider Insolvenz anmeldete.
Allgemeine Daten
- Laufzeit: 90 Minuten
- Audio: Deutsch, Japanisch
- Untertitel: Deutsch
- Extras: Booklet, Poster, Wendecover
- Altersfreigabe: ab 16 Jahren