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Im Test! The Legend of Heroes: Trails in the Sky SC

Vorwort: Eine Anekdote

Am 23. Oktober saß ich abends auf der Rückfahrt nach Hause im Bus. Als ich um 18:29 Uhr auf mein Handy schaute, fiel mir mein Kaugummi aus dem Mund: „BÄM!!!!! SC 29.10.“, hatte raz0rback2 geschrieben. Das war das Datum, auf das ich dreieinhalb, manche Fans sogar viereinhalb Jahre gewartet hatten.

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Dann ereilte mich eine Erkenntnis: „Das ist in sechs Tagen.“ Sechs Tage. Ich hatte vor, vor dem Release von The Legend of Heroes: Trails in the Sky SC den ersten Teil noch einmal durchzuspielen. Diesen Plan hat diese kurzfristige Ankündigung jedoch durchkreuzt.

Fast. Denn je länger ich darüber nach dachte, desto fester wurde mein Entschluss, mein ursprüngliches Vorhaben doch nicht aufzugeben. Ich warf also all meine Pläne über den Haufen und widmete mich in den nächsten Tagen in meiner Freizeit voll und ganz dieser Mission.

Das war wunderschön und zugleich sehr schmerzhaft. Wunderschön, weil es mir erneut zeigte, wie sehr ich das Spiel liebe. Schmerzhaft, weil ich unter Zeitdruck stand und nicht wie erhofft jede Nebenmission und jede Kleinigkeit erledigen konnte. Aber ich bereute meine Entscheidung keine Sekunde lang.
Dann kam der 29. November. 1706 Tage nach der englischen Veröffentlichung des ersten Teils (und fast zehn Jahre nach der ursprünglichen japanischen Veröffentlichung) durften westliche Fans endlich erleben, wie die Geschichte um Estelle und Joshua nach dem Cliffhanger des ersten Teils weitergeht. Das tat ich die nächsten zweieinhalb Wochen lang, und nun kommen wir zum Spiel.

Willkommen zurück

Trails in the Sky: Olivier DrinkingDie Geschichte von Trails in the Sky SC schließt nahtlos an das offene Ende des Vorgängers an. Estelle wacht am nächsten Morgen auf, streckt sich, gähnt… und erinnert sich an die Ereignisse der letzten Nacht. Spätestens jetzt wird dem Spieler wieder genau in Erinnerung gerufen, was passiert ist.
Der Anfang ist äußerst emotional, doch nach einer kurzen Weile kehrt wieder eine Art Alltag in Estelles Leben ein. Die unbeschwerte Atmosphäre des Vorgängers kehrt allerdings nie ganz zurück, denn ein Schatten, den man nicht verdrängen kann, schwebt nun über dem kleinen Land Liberl.

Spielerisch kehrt Trails in the Sky SC bald in gewohnte Bahnen zurück: Man bereist die Städte, erledigt Missionen, bekämpft Monster und erlebt jede Menge Konversationen zwischen den Charakteren. Spieler des ersten Teils fühlen sich sofort heimisch und alle anderen haben hier ohnehin (noch) nichts verloren.

Im Kern ist alles beim Alten geblieben, ein paar Veränderungen gibt es aber dennoch. In den weiterhin zug- und spielfeldbasierten Kämpfen kann man nun Kombinationsangriffe mit anderen Charakteren ausführen. Das Orbment Grid hat nun zwei weitere Slots, es gibt viele neue und deutlich mächtigere Zauber und Items, mit denen man Schaden anrichten kann. Da man auf Level 34 startet, bekommt man auch gleich zu Beginn schon höhere Zahlen zu Gesicht und die Wirkung von Items und Zaubern wurde entsprechend angepasst.

Man kann nun an vielen verschiedenen Orten in Liberl angeln und dabei insgesamt 25 verschiedene Fischarten fangen. Belohnt wird man für die Mühen mit Items und Sepith. Zudem hat in Ruan ein Kasino eröffnet, in dem man sich die Zeit mit Poker, Roulette und am Glücksspielautomat vertreiben kann.
Eine spielerische Neuerung sind Event-Items wie etwa Schlüssel, die man außerhalb von Kämpfen einsetzen kann. Von diesem Feature wird aber so wenig Gebrauch gemacht, dass es kaum erwähnenswert ist. Das ist schade, denn einen der größten Kritikpunkte an der Spielwelt des Vorgängers, die fehlende Interaktivität, hätte man auf diese Weise entschärfen können.

Party SelectDie Welt ist wie immer gespickt mit vielen Schatztruhen – über 500 diesmal –, füllen kann man außerdem ein Monster-, ein Fisch- und ein Rezeptbuch. Analog zu der Carnelia-Geschichte des Vorgängers kann man in Trails in the Sky SC die teils extrem gut versteckten Kapitel des Romans „Gambler Jack“ finden.

Ein wenig schade ist, dass es kaum neue Orte im Spiel gibt, abgesehen von diversen Dungeons. Das gilt besonders für die erste Hälfte. Die Welt ist zwar groß und schön, aber man kennt sie schon, weshalb die Erkundung etwas weniger aufregend ist.

Positiv fällt auf, dass die Gegnervariation deutlich größer ist. Der Schwierigkeitsgrad variiert recht stark: Während einige Gegner, vor allem die optionalen Truhengegner, durchaus herausfordernd sein können, haben manche Bosse nur wenig zu bieten. Das Spiel stellt vier Schwierigkeitsgrade zur Verfügung („Easy“, „Normal“, „Hard“, „Nightmare“), die größtenteils halten, was sie versprechen. Natürlich wird ein Spieler, der alle Nebenaufgaben erledigt, aber wesentlich weniger Probleme im Spielverlauf haben als einer, der nur der Handlung folgt.

Es gibt kleinere Balancing-Probleme. Die altbekannten Shining Poms geben nun so viel Erfahrung, dass zwei oder drei Kämpfe gegen sie oft genug EXP für ein ganzes Kapitel bringen. Jedoch tauchen die Poms nicht mehr auf der Karte auf, sondern erscheinen zufällig in Kämpfen. Bei den Zaubern fällt auf, dass eigentlich mächtigere Zauber mit erheblich höheren MP-Kosten nur ein bisschen mehr Schaden anrichten. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch auch, dass die Anfangszauber auch später noch nützlich sind.

Eine lange Reise

Trails in the Sky SC ist vom Umfang deutlich größer als der Vorgänger. Das Spiel besitzt die doppelte Kapitelanzahl und auch wenn die einzelnen Kapitel im Durchschnitt etwas kürzer sind, kann man gut und gerne zwischen 65 und 90 Stunden mit dem Spiel verbringen, wenn man sich Zeit nimmt, die Spielwelt zu erkunden.

»Während es bewährte Standardmissionen gibt, haben sich die Entwickler auch einige äußerst kreative Aufgaben ausgedacht.«

Und das lohnt sich. Denn besonders die Nebenaufgaben haben sich im Vergleich zum Vorgänger verbessert. Während es natürlich bewährte Standardmissionen gibt, hat sich das Entwicklerteam diesmal auch einige äußerst kreative Aufgaben ausgedacht. So muss man zum Beispiel Kinder in einer Kirche unterrichten, einen spielsüchtigen Mann im Poker schlagen oder im Auftrag einer älteren Dame das Land nach einem vor zehn Jahren im Krieg verschollenen Mädchen durchsuchen. Solche Missionen führen zu einigen der lustigsten und bewegendsten Szenen im Spiel.

Die Hauptgeschichte hingegen bewegt sich in der ersten Spielhälfte nur sehr langsam voran. Permanent tut sich etwas im Hintergrund, mysteriöse und Unheil verheißende Dinge geschehen, ein großer Plan scheint in Gang gesetzt worden zu sein, doch wirkliche Antworten gibt es zunächst nicht. Das Formular, das in den ersten fünf Kapiteln wiederholt wird, nutzt sich mit der Zeit leider ab und ist gleichsam direkt mit der größten Schwäche des Spiels verbunden: den Antagonisten.

Während der erste Teil größtenteils mit bodenständigen Gegnern aufwartete, sind die Gegenspieler in Trails in the Sky SC sehr viel verrückter. Jedem der neuen Gegner ist ein Kapitel gewidmet, in dem man in jeweils eine Stadt zurückkehrt und meistens hat genau ein Charakter aus der Gruppe eine besondere Verbindung zum aktuellen Antagonisten. Störender noch: Während die Gegner im ersten Teil größtenteils nachvollziehbare Motive haben, ist das in Trails in the Sky SC weitestgehend nicht mehr der Fall.

Zwar versucht das Spiel, die Handlungsweise der Gegenspieler durch ihre exzentrischen Persönlichkeiten und tragische Vergangenheiten zu rechtfertigen und irgendwie zu zeigen, dass sie nicht nur böse sind, doch glaubwürdig erscheint das alles nicht. Zumindest aber bietet es Material für Konflikte mit Charakteren wie Zane, über die man sonst wenig erfährt. Während das Storytelling vom Vorgänger qualitativ konsistenter ist, kann Trails in the Sky deutlich mehr Höhepunkte bieten.

Trails SC AirshipGlücklicherweise können alle diese vorbereitenden Kapitel durch viele tolle Charaktermomente punkten. Die Hintergründe der Figuren, die im Vorgänger nur wenig Rampenlicht abbekommen haben, werden in Trails in the Sky SC genau beleuchtet. Ein besonderes Lob verdient hierbei Agates Geschichte, die bewegend und klug mit der Haupthandlung verwoben ist. Auch zu Joshuas Hintergründen, über die man noch fast gar nichts wusste, erfährt man eine ganze Menge. Erfreulich ist auch stets das Wiedersehen mit Nebencharakteren aus dem ersten Teil, ob storybedingt oder beim Erkunden.

Trails in the Sky

Im zweiten Teil nimmt die Handlung zum Glück kräftig an Fahrt auf und ab Kapitel fünf folgen viele Höhepunkte dicht aufeinander. Schnell spitzt sich die Handlung zu und das Finale des Spiels hätte epischer kaum sein können. Wenn nach dem Ende der Abspann zu schöner Musik über den Bildschirm läuft, ist das ein sehr befriedigendes Gefühl – eine lange, lange Geschichte kommt zu einem Abschluss, an den man sich für immer erinnern wird.

»Eine lange, lange Geschichte kommt zu einem Abschluss, an den man sich für immer erinnern wird.«

Man kann gar nicht oft genug betonen, wie lebendig die Welt des Spiels ist. Damit ist nicht die grafische Darstellung gemeint, sondern die Fülle an Informationen, die man durch zahlreiche NPCs vermittelt bekommt. Das sind nicht bloß Einzeiler, sondern Texte und Dialoge, die glaubhaft vermitteln, dass die NPCs wirkliche Menschen sind, mit ihren eigenen Interessen, Familien, Sorgen und Beziehungen untereinander.

Ein Beispiel: Zwei NPCs, deren Verlobungsring man in der ersten Spielhälfte wiederfindet, heiraten im zweiten Teil tatsächlich. Das ist eine komplett optionale Szene, aber trotzdem aufwendig inszeniert. Das halbe Dorf kommt zusammen, viele Menschen versammeln sich in der Kirche und nachdem die Zeremonie vorbei ist, findet man die Leute in einem Restaurant. Solche kleinen Momente gehen einem als Spieler ungewöhnlich nah, weil es eine Welt ist, deren Einwohner einem wirklich etwas bedeuten.

Noch ein Beispiel: XSEED hat ein Steam-Achievement dafür eingebaut, dass man einen NPC, den ein normaler Spieler vielleicht gar nicht bemerken würde, zu 13 unterschiedlichen Zeiten an bestimmten Orten des Spiel trifft und ihn auf der Suche nach seiner großen Liebe begleitet.

Musikalisch baut das Spiel sehr stark auf dem Vorgänger auf, der Soundtrack hat aber auch sehr viele neue Stücke zu bieten, von denen besonders einige der Kampfthemen und die emotionaleren Stücke hervorstechen. Das Opening-Lied „Silver Will, Golden Wings“ verarbeitet auf wunderbare Weise die Kampfmusik „Silver Will“ aus dem Vorgänger. Diese Melodie wird übrigens, ebenso wie „The Whereabouts of Light“ und „The Sealed Light of the Sacred Land“, in mehreren weiteren Stücken arrangiert.

BattleWährend die Grafik selbst nicht hervor sticht, tun es eindeutig die aufwendigen und detaillierten 2D-Sprites, die liebevoll animiert sind und eine unglaublich große Zahl verschiedener Posen haben. Einige Action- und Kampfszenen im Spiel gehören zum Besten, was 2D-Spiele in dieser Hinsicht zu bieten haben – nicht zuletzt, weil Kamera und Hintergründe nicht auf zwei Dimensionen beschränkt sind.

Zuletzt verdient die Lokalisierung ein großes, großes Lob. Obwohl primär nur drei Leute am Text gearbeitet haben – ein Übersetzer, zwei Lektoren –, ist die Übersetzung sprachlich durchgehend von höchster Qualität. Alle Dialoge mit Olivier könnte man schon als kleine Kunstwerke der englischen Sprache bezeichnen.

Ob man zur PC- oder PlayStation-Portable-Version greift, macht keinen großen Unterschied. Aktuell wird die PC-Version, die mit HD-Texturen und Charakterbildern punkten kann, noch von kleineren Problemen geplagt, von denen die größten ein paar durch die Widescreen-Auflösung bedingte Grafikfehler sind, aber das sind alles keine Dinge, die den Spielfluss groß stören. Man kann mit beiden Versionen nicht viel falsch machen.

Fazit

Trotz kleinerer spielerischer Makel und Pacing-Problemen ist The Legend of Heroes: Trails in the Sky SC ohne Zweifel eines der besten japanischen Rollenspiele der letzten Jahre. Es ist ein umfangreiches und spaßiges Spiel mit einer unglaublich detailverliebten Spielwelt, sympathischen, liebevoll ausgearbeiteten Charakteren und so charmanten, witzigen, lebendigen, bewegenden, eloquenten, feinfühligen und vorbildlich lokalisierten Dialogen, wie man sie in kaum einem anderen Spiel vorfindet. Man reist, fühlt, liebt, lacht, weint, lebt mit den Charakteren, und wann immer man nach Liberl zurückkehrt, spürt man eine vertraute Wärme: Willkommen zu Hause.

Story: Unglaublich lebendige Spielwelt. Zunächst langsames Pacing und uninteressante Antagonisten, aber wundervolle Charaktermomente und tolle Höhepunkte. Hervorragende Dialoge.

Gameplay: Durchdachte und facettenreiche Kämpfe, nach persönlichen Präferenzen anpassbare Charaktere, abwechslungsreiche Nebenmissionen und kleine Minispiele. Umgebung könnte interaktiver sein.

Sound: Ebensoviele neue wie alte Stücke, von denen besonders die emotionalen im Ohr bleiben.

Optik: Schön eingerichtete Häuser. Detailverliebte 2D-Sprites und einige beeindruckende Action-Szenen.

Sonstiges: Vorgänger unbedingt zuerst spielen. Spielstand vom Vorgänger kann für kleine Boni übernommen werden.

Trails in the Sky SC Artwork