Kaum ist Code: Realize erhältlich, bekommen wir schon das nächste Spiel aus dem Otome-Genre zu Gesicht. Aksys Games hat mit Norn9: Var Commons für PlayStation Vita einen recht interessanten Titel aus dem Hause Otomate erwischt, der allein durch seine drei Heldinnen etwas aus dem Rahmen fällt. Ursprünglich erschien Norn9 für PlayStation Portable, fand wie die meisten anderen Otome Games aber nie seinen Weg in den Westen. Die PlayStation-Vita-Version hat einige nette Zusatzinhalte parat, wodurch die Lesezeit sich noch einmal um einige Stunden erweitert wird. Leider müssen wir einmal mehr auf eine Retail-Version verzichten und uns mit einer digitalen Version aus dem PlayStation Store begnügen.
Verloren in einer anderen Zeit
Alles beginnt mit dem Jungen Sorata, der sich von einer Sekunde auf der anderen in der Vergangenheit wiederfindet. Zumindest deutet alles darauf hin, aber eines stimmt so ganz und gar nicht. Die Technologie, der er begegnet, überschreitet sogar den Stand der modernen Zeit, aus die er stammt. Auf eine Gruppe sogenannter ‚Esper‘ trifft der Junge, nachdem ihn ein seltsames Mädchen an Bord eines futuristischen Luftschiffes führt. Genau wie das Mädchen verfügen die anderen zehn Passagiere über übernatürliche Kräfte. Schon bald findet Sorata heraus, dass sie Richtung Amerika reisen, da die Fähigkeiten der Esper für den Weltfrieden gebraucht werden.
Nach einem etwas konfusen Start, den ihr aus Soratas Sicht miterlebt, werdet ihr schnell die anderen Passagiere an Bord des Luftschiffes kennenlernen und ab sofort den Alltag mit ihnen verbringen. Allerdings werdet ihr nach Beenden des Prologs in die Rolle von einer der drei Heldinnen schlüpfen. Welche dies sein wird, ist euch selbst überlassen. Schon bald wird das Schiff von einer unbekannten Person angegriffen und es kommt die Frage auf, ob sich ein Verräter unter den Anwesenden befindet. Aus diesem Grund fällt der Vorschlag, sich ab sofort in Zweiergruppen zusammenzuschließen. Je nach Heldinnenwahl, könnt ihr euch an dieser Stelle für einen von drei männlichen Partnern entscheiden und startet damit sogleich dessen Charakter-Route. Insgesamt gibt es neun Routen, die jeweils aus fünf bis sechs Kapiteln bestehen.
Obwohl sich Norn9: Var Commons ab diesen Punkt sehr auf die Heldin und den ausgesuchten männlichen Charakter konzentriert, heißt es nicht, dass alle anderen Charaktere plötzlich ausgeblendet werden. Das Zusammenspiel und die Darstellung der Figuren stellt, neben der Romanze, den stärksten Punkt des Spieles dar und gestaltet es dadurch als sehr unterhaltsam. Besonders die Interaktionen und die Freundschaft der drei Protagonisten untereinander ist schön mit anzusehen. Man sieht sie schon mal innerhalb einer Route ihre Probleme besprechen oder wie es mit ihren jeweiligen Partnern läuft. So etwas hat Seltenheitswert innerhalb des Otome-Genres, zumal es sonst eher um eine Heldin und eine Gruppe männlicher Personen geht und keine weiteren weiblichen Personen im Vordergrund stehen.
„Offene Fragen auch nach allen Routen“
Die Routen laufen allesamt unterschiedlich ab und überschneiden sich nur in sehr wenigen Punkten. Zwar sind überall Bruchstücke der Geschichte verteilt, die dafür sorgen sollen, dass der Spieler zum Schluss die gesamte Situation versteht, aber die Ausgänge fallen immer verschieden aus. Leider besteht das Problem, dass die Handlung insgesamt nicht aufgeht und dem Leser zum Schluss noch offene Fragen hinterlässt. Insgesamt wirkt die Handlung daher konfus und der Gedanke an eine interessante Sci-Fi-Geschichte geht schnell verloren. Auch variieren die Routen sehr, was den Wert der Bedeutung und Wichtigkeit angeht. Es gibt Charaktere, die mit Hintergrund und allem daher kommen, aber andere hingegen haben in dem Punkt leider nicht so viel Glück.
Trotzdem kommt die Gestaltung der Routen weitgehend positiv herüber, gerade, weil gerne mal die Fähigkeiten der Esper ein größeres Thema spielen. Nicht jeder hatte eine gute Vergangenheit aufgrund dieser Kräfte und so bestehen Ängste, diese zu verwenden. Die Charaktere lernen zu verstehen, mit diesen klar zu kommen, Anderen Vertrauen zu schenken und kommen sich dadurch näher. Es werden aber natürlich auch andere Angelegenheiten behandelt. Zwar sind es keine perfekt geschriebenen Romanzen, aber sie führen schöne Momente und Szenen mit sich und in einigen Fällen hört es nicht einfach beim Händchenhalten und einem Kuss auf.
Um eines der verschiedenen Enden innerhalb einer Route zu bekommen, müsst ihr die Stufe der Zuneigung steigern. Dies geschieht durch die Entscheidungen, die ihr trefft. Gebt ihr die richtige Antwort, dann seht ihr auf dem Bildschirm einen kurzen Effekt aufblenden, der zeigt, dass der Zugneigungswert gestiegen ist. Der momentane Stand kann jederzeit nachgesehen werden. Jeder Charakter kommt mit einem gutem Ende, aber auch mit einem traurigen Ende daher. Für einige gibt es zudem zusätzlich noch schlechte Enden zu sehen.
Punkten kann Norn9 auf jeden Fall in Sachen Gestaltung und musikalischer Untermalung. Das Artwork ist qualitativ hochwertig und es gibt genügend hübsche Bilder freizuschalten. Schade nur, dass der gewählte Schriftsatz etwas zu simpel daherkommt. Die Charaktere zeigen sich nicht nur durch eine Handvoll unterschiedlicher Posen, sondern bewegen auch ihre Münder und blinzeln mit den Augen. Für den Soundtrack zeichnet sich Kevin Penkin verantwortlich und auch der bekannte Komponist Nobuo Uematsu steuerte einen Track bei. Das Gesamtergebnis kann sich mehr als hören lassen und trägt gut zur Gesamtatmosphäre des Spieles bei. Ebenso nichts zu meckern gibt es an der japanischen Synchronisation. Fans japanischer Synchronsprecher können sich hier auf einige namhafte Personen freuen. Da sind unter anderem Tomokazu Sugita, Daisuke Ono und Hiro Shimono mit dabei und sogar die drei Heldinnen haben eine Stimme bekommen, was alles andere als üblich ist in einem Otome Game.
„Nützliche Funktionen und Spielereien“
Otomate bietet so einige nützliche Funktionen in Norn9: Var Commons an, die das Lesen und Durchspielen erleichtern. Der Text kann zum Beispiel auch durch einfaches Berühren des Touchscreens weitergeklickt werden. Es gibt die Möglichkeit, Texte zu überspringen oder bereits weggeklickte Dialoge noch einmal nachzulesen. Ihr habt sogar die Möglichkeit, zu früheren Stellen zurückzuspringen oder eine Schnellspeicherung zu setzen, was ganz nützlich ist, wenn man sich einmal bei einer Auswahl vertan hat. Als Extras wurde sich auch so einiges überlegt. Es gibt einen Shop, in dem ihr Bilder, Musik und Kurzgeschichten mit gesammelten Punkten freischalten könnt, und ein Minispiel im Retrostil, welches sehr niedlich gestaltet ist und einen kurzweiligen Zeitvertreib darstellt. Als weitere Spielerei wurden einige Bilder mit speziellen Zeichen versehen, die ihr antippen könnt, um verschieden Gedanken der jeweiligen Situation zu hören. Zudem sammelt das Spiel Schlüsselwörter, die ihr beliebig zusammensetzen könnt, um eigene Dialoge zu gestalten.
Vielleicht hätte man noch ein wenig mit dem Herausbringen des Spieles warten sollen, um die nötige Zeit zum Überprüfen der Übersetzungen zu finden, da hat Aksys Games sich nämlich so einiges geleistet. Die Rechtschreibfehler fallen zwar in Gegensatz zu Code: Realize sehr gering aus, aber dafür türmen sich andere Ungereimtheiten. Es fühlt es sich so an, als hätten mehrere Übersetzer an den Texten gearbeitet, die sich nicht untereinander abgesprochen haben.
Der gesamte Prolog verwendet eine eher freiere Übersetzung, die gerne Mal eigene Dinge mit einfügt oder Dialoge verschlimmbessert. Einigen Charakteren wurde eine etwas seltsame Sprechweise gegeben, wo nicht selten Slang und Schimpfwörter zum Zuge kommen. Das alles endet abrupt sobald man eine Charakter-Route betritt, dann geht die Übersetzung in eine direktere Richtung über und besagte Charaktere sprechen plötzlich normal. Fehlerfrei macht es die Routen dadurch leider nicht – zwar sind diese weitgehend in Ordnung, aber zwischendurch mit falschen Übersetzungen und sogar ganzen Sätzen versehen, die keinen Sinn ergeben.
In einem Gespräch wurde das japanische Wort für Donner mit Schnee übersetzt oder plötzlich wird aus Grau Grün. An einer Stelle hat sich jemand bei der Heldin danach erkundigt, wie es einem bestimmten Charakter geht und der englische Dialog machte daraus etwas komplett anderes. Die Liste setzt sich fort mit falscher Namensadressierung und der nicht vorhandenen Einheitlichkeit von Namen, was zu so einiger Verwirrung führen kann. Wer versteht was auf Japanisch gesprochen wird, wird hier oftmals den Kopf schütteln, aber auch so sollte es auffallen, dass etwas überhaupt nicht stimmt.
Fazit
Norn9: Var Commons ist nicht perfekt, aber trotzdem ein lohnenswerter Vertreter des Otome-Genres, der gerade durch seine drei Heldinnen frischen Wind mit rein bringt. Zwar fügt sich die Handlung nicht gut zusammen und weiß trotz einiger netter Twists so einige Unstimmigkeiten und offene Fragen auf, aber dafür überzeugen die Charakter-Interaktionen und die meisten romantischen Momente. Fans des Genres, die in erster Linie Wert auf diese Punkte legen, können bedenkenlos bei Norn9: Var Commons zugreifen. Es sei allerdings gesagt, dass sich Aksys Games mit der Übersetzung so einige Fehltritte geleistet hat, die den Spaß am Spiel ein wenig verringern könnten, besonders wenn man versteht, was gesprochen wird. Zwar ist es toll, dass sich der Herausgeber so sehr für Otome Games einsetzt in letzter Zeit, aber so etwas sollte nicht in der fertigen Version vorkommen. Norn9: Var Commons bietet lediglich englische Texte und eine japanische Tonspur an.