Vor einigen Monaten haben wir versucht, euch Wild ARMs und die Growlanser-Serie nahezubringen. Heute haben wir von Jack Frost (er möge mir die lange, lange Wartezeit verzeihen) einen Text zur Shin-Megami-Tensei-Serie für euch. Viele werden die Serie vermutlich durch Persona kennen – in diesem Artikel geht es aber explizit nicht um Persona, sondern um die restliche Serie. Ein Persona-Artikel wird vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt noch folgen. Nichtsdestotrotz sollten alle, die sich nach Abwechslung von der gewohnten RPG-Kost oder etwas fordernden, dunkleren Spielen sehnen, einen Blick auf dieses Getting Started werfen.
Was macht (Shin) Megami Tensei aus?
Megami Tensei startete als eine dreiteilige Romanreihe des Autors Aya Nishitani. Der erste Roman handelt von einem Computergenie namens Akemi Nakajima, der mithilfe seines Computerprogramms die Welt der Dämonen gefunden hat. Er beschwor Loki in seine Welt – mit schrecklichen Konsequenzen. Mit großer Reue beginnt Akemi, Lokis Schandtaten zu verhindern.
Megami Tensei bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes Reinkarnation der Göttin. Die wahre Bedeutung des Titels wird im ersten Teil klar, worauf hier aus Spoilergründen nicht genauer eingegangen werden soll. Allerdings gibt es in jedem Nachfolger eine starke weibliche Persönlichkeit, die nicht ständig gerettet werden muss, sondern unverzichtbar für das Team ist. Deshalb hat der Titel noch bei den heutigen Produkten seine Berechtigung, auch wenn der Titel „Shin Megami Tensei“ selbst nicht in allen japanischen Ablegern vertreten ist.
Megami Tensei selbst weicht sehr von den damaligen typischen japanischen Konsolen-RPGs ab, da es sich stilistisch an Videospielkunst wie Dungeon Master orientiert. Megami Tensei besitzt eine First-Person-Perspektive und der Charakter bewegt sich durch große labyrinthartige Orte. Auf der Oberwelt bewegt man sich allerdings auf einer 2D-Weltkarte. Trotz der ganzen Entwicklungen, die die Serie erlebte, blieben die Kernelemente gleich.
In den früheren Megaten-Spielen gab es stets einen männlichen Hauptprotagonisten, der keine Magie beherrscht und einen weiteren Charakter, der sehr magiebegabt ist. Die einzige Methode, neue Verbündete für sich zu gewinnen, besteht aus Dämonengesprächen. Man kann Gegner, die man trifft, mithilfe der „Talk“-Funktion rekrutieren. Auf diese Weise kann man mehrere Gruppenmitglieder im Team haben. Ständige Dämonenrekrutierungen sind unabdingbar, da die Spiele viel mehr strategischen Wert auf die Nutzung elementarer Stärken und Schwächen legen als die meisten anderen RPGs.
Fast jeder Dämon kann rekrutiert werden und wenn man es schafft, einen Dämon zu überreden, dann schließt er sich dem Protagonisten an oder hilft ihm anderweitig. Das Konzept und die Ausführung sind etwas nebulös, weil es Zeit in Anspruch nimmt, bis man die richtigen Antworten gefunden hat, da die Dämonen verschiedene Eigenschaften haben und man oft einige Versuche braucht, bis man einen Dämon überzeugt hat. Wenn ein Versuch fehlschlägt, greift der Dämon entweder sofort an, ohne dass man selbst zum Zug kommt, oder er wird aggressiver und man bekommt eine weitere Chance. Durch Gespräche kann man auch Geld, Items und wichtige Informationen bekommen oder aus einem Kampf flüchten.
Alle Monster sind durch eine Kraft angetrieben, die „Magnetite“ genannt wird. Magnetite erhält man durch Kämpfe, oder man findet sie in Schatztruhen. Magnetite sind unbedingt erforderlich wenn man Dämonen beschwören möchte, da die Beschwörung eine gewisse Menge an Magnetite kostet, ebenso das Erhalten der Dämonen im Dungeon. (Beispiel: Jeder Schritt, den man geht, kostet 8 Magnetite. Wie viel Magnetite man verbraucht, hängt jeweils davon ab, welches Level die aktive Dämonentruppe hat und wie viele Dämonen man im aktiven Team hat.)
Wie üblich im JRPG-Genre kriegt man durch Kämpfe Erfahrungspunkte, allerdings funktioniert das in den meisten Spielen der Reihe nur bei den menschlichen Charakteren. Die Dämonen kriegen oft keine Erfahrungspunkte (anders als bei Persona), stattdessen muss man die vorhandenen Dämonen mit anderen Dämonen fusionieren, um stärkere Dämonen zu erhalten. Abhängig vom Spiel gibt es immer einen bestimmten Ort, an denen diese Fusionen durchgeführt werden. Intime Kenntnisse über die Dämonen zu haben, ist obligatorisch im SMT-Universum, um voranzukommen, was allerdings für viele Spieler heutzutage frustrierend sein kann, da man herumexperimentieren muss und es ein gewisses Maß an Geduld erfordert.
Eins der wichtigsten Elemente, die man in Shin Megami Tensei eingeführt hat, ist die Entscheidungsfreiheit. Man kann sich drei verschiedenen Wege anschließen, dem Chaos-Pfad, dem Law-Pfad oder dem neutralem Weg. Hier sei erwähnt, dass es weder einen schlechten Pfad noch einen guten Pfad gibt. Jeder Pfad steht für sich selbst und hat gute und schlechte Eigenschaften. Chaos-Pfad bedeutet zum Beispiel nicht, dass man die ultimative Zerstörung bringt, sondern dass man der Menschheit und den Dämonen die Freiheit schenkt, wohingegen der Law-Pfad der Welt eine Diktatur à la Castro offenbart. Abgesehen davon variieren auch die Pfade je nach Spiel, und das ist auch eins der wichtigsten Elemente im ganzen MegaTen-Universum: die verschiedenen Philosophien, die die Pfade/Fraktionen in den verschiedenen SMT-Produkten haben. Die verschiedenen Pfade bringen eine gewisse Menge an Wiederspielwert und verändern das Ende der Geschichte.
Inhaltlich sind die Spiele sehr dunkel. Man sieht seine Eltern sterben und muss sogar die besten Freunde töten, da man unterschiedliche Ideale besitzt. Niemand fragt, wie es jemandem geht, man ist im Grunde alleine unterwegs und wandert den schmalen Grat zwischen Wahnsinn und Erlösung. Allein, wenn man die ganzen Geschichten der Protagonisten von Shin Megami Tensei retrospektiv betrachtet, sieht man, wie viel Verzweiflung in der Handlung steckt, was einem normalen Spieler im Verlauf eventuell nicht auffällt.
All die Kreaturen aus dem SMT-Universum basieren auf verschiedene Mythologien (ägyptische, nordische, gotische, griechische, römische, hinduistische, chinesische, urbane, japanische,…), allerdings gibt es auch viele Referenzen aus jüdisch-christlichen Überlieferungen, in der unter anderem die Bibel nicht allzu positiv dargestellt wird. Der christliche Gott selbst erscheint in manchen Spielen der Reihe und wird sogar als Überlord dargestellt, der die Menschen für eigene egoistische Gründe ausnutzt.
Obwohl nicht alle Titel so religiös geprägt sind, ist es immer noch eins der definierenden Themen der Reihe. Mit der originellen Handlung und mit der einzigartigen Ästhetik sticht noch eine Sache heraus, nämlich das Design von Kazuma Kaneko, der einen sehr eigenwilligen und einzigartigen Stil für seine Charakterdesigns verwendet.
Darüber hinaus ist Kaneko für viele Dämonendesigns zuständig, die sehr berüchtigt sind, unter anderem Angel mit „Leder und Fesseln“-Bekleidung, Arioch, Mara, oder Diana. Es gibt kaum einen Zeichner, den man mit Kaneko, welcher bedeutungsgleich mit der Serie wurde, vergleichen kann. Seine früheren Werke sind nicht mehr mit den heutigen vergleichbar, weil sie gelegentlich aufgrund der Bewaffnungen der Helden (zum Beispiel überdimensionalgroße Umhänge oder gigantische Tastaturen, die an den Armen festgeschnallt sind) etwas archaisch wirken. Die Musik der Serie ist auch etwas Besonderes, da sie viele Stilrichtungen mischt. Es gibt starken Gitarrenrock, doch auch Jazz-Musik, Dance-Techno, klassische japanische Karaoke-Songs und J-Pop. Das Serie hat viele verschiedene Spin-offs.
Welche Ausprägungen gibt es?
In Japan hat das Spiel eine feste Fanbase, aber internationale Veröffentlichungen der älteren Produkte vor der Nocturne-Dynastie gab es kaum. Neben den Konsolen- und Handheldtiteln gibt es insgesamt um die 25 Handy-Titel.
Das Kern-Gameplay bleibt jedoch gleich (hauptsächlich Kampfprinzip und Monsterrekrutierung), doch die einzelnen Spiele unterscheiden sich im Bereich Setting, Kampfsystem, Musik und im Stil. Die Megami-Tensei- sowie die Shin-Megami-Tensei-Reihe sind fordernd und spielen in postapokalyptischen Welten. Die Handlung von Devil Summoner ist im modernen Japan angesiedelt. Devil Summoner 2 hat starke Cyberpunk-Einflüsse. Die Persona-Reihe hat als Zielgruppe die Casual-Player und man hat sich auf die Charaktere und die Story konzentriert. Die späteren Teile ab Persona 3 sind Hybrid-Dungeon-Crawler und die soziale Kommunikation findet in Form von Social Links statt.
Die Last-Bible-Reihe befinden sich hauptsächlich auf Handhelds und die Handlung spielt in einen traditionellen mittelalterlichen Welt wie Dragon Quest. Die Majin-Tensei-Reihe und Devil Survivor sind SRPGs wie und spielen im gegenwärtigen Japan. Die Devil-Children-Reihe sind für ein jüngeres Publikum gedacht und ähneln der Pokemon-Reihe. Die Avatar-Tuner-Reihe (Digital Devil Saga) spielt in einer dystopischen Welt und hat starke hinduistische Einflüsse.
Obwohl die Serie so viele Spin-Offs hat, die unterschiedliche Settings besitzen, birgt sie auch gewisse Gemeinsamkeiten. Viele Dämonendesigns treten auch erneut auf. Obwohl jede Sub-Serie eine eigene Kontinuität hat, gibt es auch einige Referenzen. Einige Namen der Dämonenauktionäre von Devil Survivor sind Charaktere aus Megami Tensei. Manche Nachnamen aus Devil Survivor treten auch in Persona auf, zum Beispiel der Nachname Mochizuki. Der Held aus Nocturne tritt auch als geheimer Boss in Digital Devil Saga auf. Es gibt zahlreiche Referenzen innerhalb der Spiele.
Und wo sollte man anfangen?
Last-Bible-Reihe: Wer einen leichten Einstieg mit gemäßigtem Schwierigkeitsgrad sucht und alte, klassische RPGs mag, ist hier richtig. Problem: Nur ein Teil ist im Westen erschienen.
DemiKids-Reihe: DemiKids bietet ebenfalls einen leichten Einstieg. Wer das Pokémon-Prinzip mag, aber sich mehr Handlung und Twists wünscht, wird hiermit seine Freude haben.
Megami Tensei & Shin Megami Tensei: Wer postapokalyptische Settings mag und Herausforderungen sowie taktische Abwechslung sucht und Geduld sowie Frusttoleranz hat, ist hier richtig. Die älteren Titel haben noch eine recht dünne Handlung, die neueren Teile sind deutlich spielerfreundlicher, besonders Shin Megami Tensei IV. Fan-Übersetzungen zu den nicht lokalisierten Spielen teils vorhanden,
Devil-Summoner-Reihe (inklusive die Raidou-Titel): Für Fans von Dungeon-Crawling und Dämonenrekrutierung. Die Raidou-Titel haben ein Action-Kampfsystem und Detektiv-Flair. Nicht so herausfordernd wie die Hauptreihe.
Devil-Survivor-Reihe: Für Fans fordernder SRPGs mit gewisser Frusttoleranz, die moderne Settings mögen. Wer Growlanser oder Langrisser kennt, fühlt sich vermutlich schnell wohl.
Digital Devil Saga: Wer ein charakter- und storyorientiertes Spielerlebnis mit fordernden, gut durchdachten Kämpfen haben will. Ohne Dämonenrekrutierungen, stattdessen mit Skillsystem für die Charaktere.
Majin-Tensei-Reihe: SRPGs wie Devil Survivor, aber leichter. Besser mit Fire Emblem vergleichbar. Leider Japan-only.
Wir würden uns übrigens auch über Kommentare von Leuten freuen, die mit der Serie vertraut sind. Hier könnt ihr eure Erfahrungen teilen und andere dazu ermutigen (oder je nach Ansicht auch davon abraten), es doch selbst einmal zu probieren.
Kurzüberblick (Auszug):
- 1987: Digital Devil Story: Megami Tensei (NES)
- 1988: Digital Devil Story II: Megami Tensei (NES)
- 1992: Shin Megami Tensei (SNES)
- 1992: Megami Tensei Gaiden: Last Bible (SNES)
- 1994: Majin Tensei (SNES)
- 1994: Shin Megami Tensei II (SNES)
- 1994: Shin Megami Tensei if… (SNES)
- 1995: Shin Megami Tensei: Devil Summoner (SAT)
- 2000: Devil Children: Red Book / Black Book (GBC)
- 2003: Shin Megami Tensei III: Nocturne / Lucifer’s Call (PS2)
- 2004: Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga (PS2)
- 2005: Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga 2 (PS2)
- 2006: Shin Megami Tensei: Devil Summoner: Raidou Kuzunoha vs. The Soulless Army (PS2)
- 2008: Shin Megami Tensei: Devil Summoner 2: Raidou Kuzunoha vs. King Abaddon (PS2)
- 2009: Shin Megami Tensei: Devil Survivor (NDS)
- 2009: Shin Megami Tensei: Strange Journey (NDS)
- 2011: Shin Megami Tensei: Devil Survivor 2 (NDS)
- 2013: Shin Megami Tensei IV (3DS)
Eine umfassendere Übersicht findet ihr hier.