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Im Test! htoL#NiQ: The Firefly Diary

Welche Spiele sind am schwierigsten zu testen? Sind es die richtig schlechten Spiele, an denen nichts Gutes zu finden ist? Oder sind es die, mit den treuesten Anhängern, denen man es niemals Recht machen kann? Nein. Die wahre Antwort lautet Spiele, deren einzelnen Elemente von absolut schrecklich bis brillant reichen. Eben in dieses Schema passt Nippon Ichi Softwares kleiner Indie-Ausflug htoL#NiQ: The Firefly Diary, auch bekannt als Hotaru no Nikki. htoL#NiQ: The Firefly Diary ist ein PlayStation-Vita-exklusives Rätselspiel, welches im Vorfeld besonders mit seiner süßen, aber melancholischen Optik auf sich aufmerksam machte. Wieso dieses Review so schwer gefallen ist, erfahrt ihr in den folgenden Absätzen.

Das Spiel beginnt auf eine ungewöhnliche Art und Weise. Ohne jegliche Einführung wacht man als Mion in einer nihilistischen und komplett zerstörten Untergrundwelt auf, die ausschließlich von unbemannten Maschinen, Schattenwesen und Kinderleichen bevölkert zu sein scheint. Mion ist ein junges, an Amnesie leidendes Mädchen, das in dieser düsteren Zukunft den Weg an die Oberfläche finden will. Es gilt, ihr durch die grausamen Pfade einer Welt zu helfen, die nur Tod und Verzweiflung für Lebewesen übrig hat. Dabei hilft das Glühwürmchen Hotaru, welches Mions Weg beleuchtet und sie vor den gefährlichen Maschinen und Monstern schützt, die auf sie lauern.

The Firefly Diary besitzt ein unvergleichbares Art-Design und lebt von den inneren Werten.
The Firefly Diary besitzt ein unvergleichbares Art-Design und lebt von den inneren Werten.

Auf ihrer Reise findet man an vielen versteckten Orten kleine Samen. Diese Stellen Fragmente von Mions vergessener Vergangenheit dar. Berührt man sie, so wird man in die Zeit zurückversetzt, als Mion noch in der warmen Umgebung ihrer Eltern aufgewachsen ist. Je weiter man im wirren Labyrinth der Zukunft voran schreitet, desto mehr Fragmente findet man, und ähnlich wie bei einem Puzzle, wird die gesamte Geschichte um Mion, ihren Eltern und das grausame Schicksal der Menschheit erst vollkommen, wenn alle Fragmente gefunden wurden.

Die einzelnen Teile der Story zusammenzufügen und sich eigene Theorien im Kopf aufzubauen, ist unglaublich spannend und macht sehr viel vom Charme des Spieles aus. Dieser Aspekt ist jedoch nicht der einzige, der die Geschichte von htoL#NiQ: The Firefly Diary zu etwas Besonderem macht. Sie kommt nämlich komplett ohne Dialoge aus. Ähnlich wie bei vielen anderen Indie-Spielen werden die Welt und das Artdesign benutzt, um die Geschichte zu erzählen. Selbst in den Szenen der Vergangenheit, die sich stilistisch kaum noch mehr unterscheiden könnten von der dunklen Zukunft, wird nur mit Bildern in Sprite-Optik gearbeitet.

Dieser starke Kontrast zwischen der anfangs heilen Vergangenheit und der zerstörten Zukunft ist für Auge und Kopf nur schwer zu kombinieren. Man will unbedingt wissen, was mit der Welt und Mions Familie geschehen ist und ehe man sich versieht, baut man eine Bindung zu Figuren auf, die an sich komplett ohne Charakter sind. Dieser Aspekt ist den Entwicklern fantastisch gelungen. Generell treibt die Geschichte weiter. Man will unbedingt das nächste Fragment finden, um zu sehen, ob die eigenen Theorien sich als Wahrheit heraus stellen oder nicht.

Die einzigartige Story und ihre ungewöhnliche Erzählweise zählen neben der Optik zu den größten Stärken von htoL#NiQ: The Firefly Diary, was unter anderem daran liegt, dass diese drei Komponenten untrennbar miteinander verbunden sind. In der Zukunft wird alles durch sanfte Zeichnungen und schwere Farben zum Leben erweckt, aber gleichzeitig findet sich außer Mion und Hotaru kein anderes Leben. Man spielt praktisch das grausamste Bilderbuch, das jemals gezeichnet wurde und das kreiert eine einzigartige Atmosphäre, die zwischen Melancholie und Terror ständig hin und her schwingt.

Mit zwei kleinen Glühwürmchen steuert man sowohl Mion, als auch die Umgebungen. An sich eine gute Idee.
Mit zwei kleinen Glühwürmchen steuert man sowohl Mion, als auch die Umgebungen. An sich eine gute Idee.

Da man nur als Hotaru und nie als Mion spielt, baut sich schnell ein Beschützerinstinkt auf, der besonders durch Mions liebliches Design und ihren traurigen Animationen um ein vielfaches verstärkt wird. Taucht man jedoch in die Erinnerungen ein, so zeichnet sich ein komplett anderes Bild. Mit quietschbunten Farben und einer reinen Sprite-Optik navigiert man Mion direkt.

Hier wird besonders am Anfang mit Musik und Grafik eine warme und lebendige Atmosphäre aufgebaut, die im kompletten Kontrast zur Zukunft steht. Da letzteres jedoch die Norm im Spiel ist, bleibt auch bei den Erinnerungen ein melancholischer Beigeschmack, den man einfach nicht los wird. Jede Bewegung und jeder Hintergrund strotzt nur so vor Detailverliebtheit und machen das Spiel zu einer der optisch schönsten Reisen, die man auf PlayStation Vita erleben kann.

Doch so eindeutig dieses kontrastreiche Bild auch sein mag, so unschuldig und verloren Mion auch zu sein scheint, da ist ein kleiner Punkt, der dem Spieler nicht aus dem Kopf geht. Aus Mions Kopf wachsen kleine Holzhörner – und hier belasse ich es einmal mit der Story. Der Rest ist Kopfsache.

Musikalisch weiß htoL#NiQ: The Firefly Diary die richtige Atmosphäre aufzubauen, aber richtig ins Ohr gehen die Melodien nicht. Sie sind schnell wieder vergessen. Es wird nur sehr minimalistisch mit den Liedern umgegangen, was ihrem seltenen Einsatz dann jedoch nur zu Gute kommt. Auch hier gibt es zwischen den beiden Welten einen gigantischen Unterschied. In der Zukunft wird mit tiefen und dunklen Klängen gearbeitet, die von Maschinen selbst zu kommen scheinen, und in der Vergangenheit arbeitet man mit einem süßen 8-Bit-Sound, der zusätzlich zur Optik das Herz erwärmt.

Die seltene Kombination von ineinander übergehende Geschichte, Grafik, und Sound baut die unvergleichbare Atmosphäre des Spieles auf. Alleine für diese Aspekte lohnt sich ein Blick auf htoL#NiQ: The Firefly Diary. Es ist ein wahres Fest zu sehen, wie diese einzelnen Elemente zusammen ein Gesamtbild erschaffen, das tief im Inneren trifft und starke Gefühle auslöst. Aber so stark diese Gefühle auch sein mögen, es gibt besonders bei Videospielen eines, das all diese kreative Arbeite zunichtemacht. Dabei handelt es sich um Frustration. Hier nun der Grund, wieso das Bewerten dieses Spieles so unheimlich schwer fällt.

Wenn man mehrmals in Versuchung geführt wird die Vita gegen die Wand zu schmeißen, dann stimmt etwas ganz und gar nicht.
Wenn man mehrmals in Versuchung geführt wird die Vita gegen die Wand zu schmeißen, dann stimmt etwas ganz und gar nicht.

Kurz und gebündelt: das Gameplay ist eine wahre Folter. Mehr als nur einmal kommt das starke Verlangen auf, den Handheld gegen die Wand zu werfen, denn Mion wird sterben – nicht einmal, nicht zweimal, sondern hunderte Male. Nicht nur die Tatsache, dieses unschuldige Mädchen, für das man einen Beschützerinstinkt aufgebaut hat, so oft und so grausam sterben zu sehen, führen zur Frustration, sondern auch die Tatsache, wie banal und unfair diese Tode sind.

Wie bereits erwähnt, steuert man Mion nicht direkt. Mit Hilfe von zwei kleinen Glühwürmchen kann man sie jedoch indirekt beeinflussen. Mit dem vorderen Touchscreen steuert man Hotaru. Dieses kleine Insekt kann man über den gesamten Bildschirm ziehen und je nachdem, wo man mit dem Finger gerade ist, dorthin wird auch Mion wandern. Drückt man auf den hinteren Touchscreen, so sieht man ausschließlich die Schatten der Umgebungszeichnungen.

Ausschließlich in diesen Schatten kann sich ein zweites kleines Glühwürmchen bewegen. Auf diese Weise kann man Schalter betätigen und mit der Umgebung interagieren. Dies ist besonders bei den Bosskämpfen von Nöten. Mit den beiden kleinen Helfern gilt es nun, Mion durch die zerstörte Zukunft zu führen und auf diesem Weg einige Kopfnüsse zu lösen. Da es sich bei htoL#NiQ: The Firefly Diary um ein reines Rätselspiel handelt gibt es jedoch kein Kampfsystem. Mit Hilfe von Hotaru kann man Mion durch die Gänge und Tunnel navigieren, sie auf Leitern klettern und Kisten verschieben lassen.

Wie einst bei Natural Doctrine haben die Entwickler von Nippon Ichi Software es auch hier nicht geschafft, den schmalen Grat zwischen Herausforderung und Frustration zu meistern. Ähnlich wie bei eben genanntem Spiel sorgen einige Aspekte dafür, dass das Spiel fast unspielbar wird. Die Rätsel an sich reichen von gewöhnlich bis clever. Kaum ein Rätsel verlangt zu viel vom Spieler.

Wo liegt nun das Problem? Diese Antwort wird bereits in der ersten Spielstunde klar. Das Problem liegt bei der Steuerung. Nicht nur, dass sich Mion unglaublich langsam bewegt und kleine Ewigkeiten braucht, bis sie mal eine Leiter hochgeklettert ist oder einige Kisten verschoben hat, auch Hotaru ist so träge, dass man bei Rätseln, die ein wenig Geschwindigkeit benötigen halb wahnsinnig wird. Erschwerend hinzu kommt noch, dass bei vielen der Rätsel das Trial-&-Error-Prinzip an der Tagesordnung steht, welches an sich oft bei Spielen dieses Genres zum Einsatz. Dass dieses Prinzip auch hier genutzt wird, ist für die Atmosphäre nur von Vorteil. Man hat nicht nur das Gefühl, dass einfach alles in der Zukunft Mion töten will, nein, Mion WIRD auch von allem getötet. Dadurch wird das nihilistische Weltbild, was in seinen besten Momenten an Limbo erinnert, nur noch weiter ausgebaut.

Leider hat man so eine träge Steuerungseinheit, eine noch trägere Hauptcharakterin und Rätsel, bei denen man erst einmal viele Male sterben muss, um auf die Lösung zu kommen oder zumindest durchzukommen. Dies gilt besonders für die Bosskämpfe. Dies wird, je weiter man im Spiel kommt, nur noch schlimmer. Hat man eine nervenzerfetzende Passage gemeistert, so wartet um die nächste Ecke schon die nächste – und hier sind nicht nur Rätsel gemeint, sondern auch tatsächlich Passagen. Einfache Wege, denen man nur folgen muss, aber die dank der trägen Steuerung so schwierig zu manövrieren sind, sodass auch hier unzählige Mion-Leichen zu sehen sein werden. In dieser Frequenz ist das einfach zu viel und zerstört jeden Spielfluss, jede Atmosphäre und jede Lust am Spiel.

Gameplay vs. alles andere! Hier muss jeder selbst entscheiden, ob er sich das antut.
Gameplay vs. alles andere! Hier muss jeder selbst entscheiden, ob er sich das antut.

Hier ein kleiner Tipp, der erst durch Nachforschungen im Internet ans Licht kam: im Menü lässt sich die Steuerung von den Touchscreens auf die Analogsticks und Knöpfe verlegen. Das hilft, aber bei weitem nicht genug.

Wie soll man nun ein Spiel wie htoL#NiQ: The Firefly Diary bewerten? Kann man die einzigartige Atmosphäre, die fantastisch erzählte Geschichte und das unvergleichbare Artdesign einfach weg lassen und das kaputte Spielsystem fertig machen. Oder soll man diesen Aspekten ihren verdienten Platz einräumen, aber dafür riskieren, dass einige aufgrund der zu trägen Spielmechanik diese positiven Elemente nicht richtig erleben? Ich entscheide mich für die Mitte und hoffe, dass die Leser, die am Spiel interessiert sind, sich den gesamten Text zu Gemüte führen.

Story: Die Geschichte um die kleine, gehörnte Mion und ihrer Welt, ist nicht nur fantastisch erzählt, sondern wartet auch mit spannenden Wendungen und einer einzigartigen Atmosphäre auf.

Grafik: Ein lebendig gewordenes, grausames und nihilistisches Bilderbuch, das schöner und schrecklicher kaum sein könnte. Das muss man gesehen haben.

Sound: Der Soundtrack trägt zur starken Atmosphäre bei und wird sehr präzise eingesetzt. Auch an den Soundeffekten gibt es nichts auszusetzen.

Gameplay: Süßer 2D-Stil und einfache bis clevere Rätsel stehen einem im Kern brutalen System gegenüber, der nur Frustration für den Spieler übrig hat. Grund dafür ist einzig und allein die Trägheit der Steuerung und des gesamten Spieles.

Sonstiges: