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Im Test! Natural Doctrine

Groß waren die Erwartungen an Kadokawa Games. Natural Doctrine sollte so hart wie ein Ableger der Souls-Reihe werden und dabei so tief wie alte japanische Taktik-Rollenspiele. Eine äußerst verführerische Kombination, die, falls richtig balanciert, das Potential hätte, ein Hit zu werden. Kann das erste komplett eigens von Kadokawa Games entwickelte Abenteuer diesen Drahtseilakt meistern? Oder zerbrechen die Entwickler an den eigenen Erwartungen? Hier findet ihr es heraus.

Da sind sie, die Goblins. Scheinen wohl alle Zwillinge zu sein.
Da sind sie, die Goblins. Scheinen wohl alle Zwillinge zu sein.

Wer kennt das nicht? Ein Haufen Goblins, Orks und viele andere gruselige Kreaturen greifen an. Die Menschheit wird gezwungen, sich zurück zu ziehen und um ihr Überleben zu kämpfen. Die beste Idee ist natürlich eine riesige Festung mit Mauern aus Stein zu bauen. Die letzte große Zuflucht der Menschen. In diesem Fall wäre das Feste. Geoff und seine bunt zusammengewürfelte Truppe wollen Zugang zur letzten großen Stadt. Dafür müssen sie ganz klassisch Goblins töten und Mineralien sammeln. Ganz wichtig ist hierbei das Pluton, welches von der Menschheit benötigt wird, um nicht vorzeitig von der Erde getilgt zu werden. Das sollte fürs Erste genügen, um einen groben Einblick in die Story und ihren Tiefgang zu geben.

Diese ist nämlich weder prominent vorhanden noch wird das bisschen, was da ist, gut erzählt. Zwar gibt es einige Wendungen, die den Spieler komplett überrumpeln und überraschen sowie einige Augenblicke, wo man noch viel mehr vermuten könnte, als das tatsächlich gezeigte, aber im Großem und Ganzen enttäuscht die Geschichte. Die Charaktere und Dialoge stammen einmal mehr aus dem kleinen Japano-Einmaleins und das Gameplay verhindert jeden Aufschwung, den die Story liefern könnte. Erzählt wird unter anderem in kleineren Zwischensequenzen, die kaum als Sequenzen bezeichnet werden können, und in Massen an Dialogen während der Kämpfe. Alles in allem hat man das Gefühl, dass die Entwickler den geringsten Teil ihrer Zeit mit der Geschichte und ihrer Erzählweise verbracht haben.

Zudem sollte man der englischen Sprache mächtig sein, da es Unmengen an fremdsprachigem Text zu lesen geben wird. Nicht in den Dialogen, diese sind überraschend kurz gehalten, mehr für die Tutorials und Tipps, mit denen man überflutet wird.

Natural Doctrine besitzt eine solide Grafik. Leider nur auf der Vita. Das Umgebungsdesign ist jedoch zu steril und undetailiert geworden.
Natural Doctrine besitzt eine solide Grafik. Leider nur auf der Vita. Das Umgebungsdesign ist jedoch zu steril und undetailiert geworden.

Grafisch bewegt sich Natural Doctrine auf einem soliden Niveau. Zumindest gilt das für die PlayStation-Vita-Version. Die Grafik der PlayStation-3- und PlayStation-4-Fassung scheint aber eher von der PlayStaton-Vita-Variante zu stammen, da die Konsolenversionen zwar etwas besser aussehen, aber der Unterschied nicht allzu groß ist. Getestet wurde hier jedoch ausschließlich die PlayStation-Vita-Version, daher gelten die kommenden Absätze auch dieser.

Aus Farbe und einer bunter Welt haben sich die Entwickler nichts gemacht. Natural Doctrine kommt im düsteren grau-braunen Gewand eines realistischen Fantasyspiels. Das gibt der bedrückenden Atmosphäre einen kleinen Schub, aber nimmt der Welt auch ein bisschen das Leben – ebenso wie fast alles andere in diesem Spiel. Ähnlich wie bei Genrekollegen navigiert man über eine schön gestaltete Weltkarte, auf der fixe Punkte markiert sind, wo auch immer Missionen gefunden werden können.

Betritt man einen dieser Punkte, findet man sich in den meisten Fällen auf einem Schlachtfeld wieder. Diese bestehen zum größten Teil aus faden Schlachtfeldern oder alten Minen, da schließlich Pluton eines der Ziele darstellt. Diese geben auf der einen Seite dem Spieler einen Hauch Klaustrophobie, aber nehmen ihm auf der anderen eine große Freiheit, denn sie bestehen fast nur aus engen Korridoren, in denen sich die Goblins gerne tummeln. Leider sieht fast jeder Stollen aus wie der andere und auch auf PlayStation Vita fehlt es oftmals an Details, welche die Umgebungen realistischer machen. Doch auch draußen gibt es nicht viel zu sehen. Manchmal bricht Natural Doctrine in eine Eis- oder Wüstenlandschaft aus, aber einen Mangel an Details und Liebe findet man einfach überall.

Die Hauptcharaktere sind wirklich gut designt. Leider gilt das nur für diese.
Die Hauptcharaktere sind wirklich gut designt. Leider gilt das nur für diese.

Die Charaktere sind im Gegensatz zu den Umgebungen etwas besser gelungen. Jeder Hauptcharakter hat sein eigenes auffallendes Design. Hier wurde nicht mit Details gespart. Auch die Animationen sehen größtenteils realistisch aus, obwohl das Angreifen, Blocken und Hinzufügen von Verletzungen aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Was die übrigen Charaktere und 90 Prozent der Feinde angeht, so hat man ebenso viel Liebe investiert wie in die Umgebungen. Ganz besonders bei den Feinden wird auffallen, dass diese sehr häufig aus der Klonmaschine stammen und 1:1 die selben Animationen besitzen. Selbst auf Sonys Handheld wäre technisch weitaus mehr möglich gewesen als das Gebotene.

Beim Sound liegen auch nicht gerade die Stärken von Natural Doctrine. Der Soundtrack bietet einige wenige interessante Stücke, die positiven Einfluss auf die Atmosphäre haben, aber viel zu oft verläuft man sich hier in uninteressante Kompositionen, die nach zwanzigmaligem Anhören zu einer reinen Qual werden- und da man jeden Dungeon mehrmals durchlaufen muss, bleibt nur noch eine einzige Wahl: den Sound abzustellen. Bei den Effekten wurde hier und da auch ein wenig gespart. Diese hören sich billig an und stammen ebenfalls aus einer Ära, die schon einiges an Zeit zurück liegt.

Die Synchronsprecher hingegen haben sich bei ihrer Arbeit wirklich Mühe gegeben. Die englische Synchronisation ist sehr gut gelungen. Zwar wirkt der ein oder andere Satz etwas aufgesetzt und übertrieben, aber das Gesamtbild ist sehr zufriedenstellend. Eine andere Sprache wird hier nicht angeboten.

Bevor es nun zum Gameplay geht, sollte noch eines klar gestellt werden: ich habe alle drei Teile der Souls-Reihe durchgespielt und hatte viel Spaß mit der Herausforderung, die sie geboten haben. Zudem habe ich mit viel Freude Final Fantasy Tactics und Tactics Ogre gespielt. Da dies nun geklärt ist, wird nicht lange um den heißen Brei herum geschrieben.

Natural Doctrine erfolgreich zu spielen, ist viel zu hart, nervenaufreibend und unglaublich frustrierend. Kaum ein Spieler hat etwas gegen richtige Herausforderungen, welche alle gebündelten Fähigkeiten abverlangen. Aber hier schlägt man einfach über die Stränge. Den Drahtseilakt zwischen Herausforderung und Frustration, den die Souls-Spiele schaffen ist unheimlich schwer zu kopieren und die Entwickler von Kadokawa Games haben es einfach nicht geschafft.

Der überladene Bildschirm verdeckt einfach viel zu viel vom Spielgeschehen.
Der überladene Bildschirm verdeckt einfach viel zu viel vom Spielgeschehen.

Natural Doctrine ist nicht hart der Herausforderung wegen, sondern einfach nur der Vermarktung wegen. Somit entstand ein künstlich in die Höhe geschobener Schwierigkeitsgrad, der dem Spiel und dem ansonsten tiefen Gameplay einfach komplett den Spaß nimmt. Mehr als nur einmal wird man bei diesem Spiel den Controller oder den Handheld in die Ecke schmeißen und laut aufschreien, denn die meisten Game-Over-Nachrichten entstehen nicht, aufgrund eigener Fehler, sondern einfach, weil das Spiel dahingehend designt wurde. Oftmals ist es sogar unmöglich einige Levels erfolgreich zu bestehen, weil man nicht genug gelevelt hat. Das ist auch in Ordnung, aber nicht, wenn man keinen Indikator dafür hat.

Zudem kann ein Dungeon sehr viel Zeit beanspruchen. Bis zu einer Stunde können die Gefechte dauern und von Checkpoints haben die Entwickler wohl nur in fernen Mythen gehört. Diese sind nämlich viel zu selten und sehr oft muss man aufgrund des Spieles oder einfach nur aufgrund von Pech die gesamte Stunde von vorne beginnen. Was eigentlich auch nicht so schlimm wäre, wenn das Gameplay Spaß machen würde.

Leider helfen die vier Schwierigkeitsgrade da kaum. Die eben beschriebenen Szenen haben sich alle beim einfachsten abgespielt. Man kommt einfach viel zu langsam in diesem Spiel voran und das liegt nicht am Spieler, sondern am Spiel. Dieser Fakt zerstört einfach jede Lust auf Natural Doctrine und überschattet jeden anderen Faktor.

Hinter dem Kampfsystem steckt enorm viel Arbeit. Schade, dass man es nicht genießen kann.
Hinter dem Kampfsystem steckt enorm viel Arbeit. Schade, dass man es nicht genießen kann.

Das Gameplay an sich besitzt tiefe und wohl überlegte Züge, aber um es vollkommen zu erfassen, wären mehrere tausend Seiten Tutorial notwendig. Das spricht für viel Arbeit hinter dem System, aber nicht gerade für die Freundlichkeit dem Spieler gegenüber. Daher lässt es sich hier nicht einmal im Geringsten ankratzen. An sich handelt es sich dabei um ein reines Taktikspiel.

Vor dem Kampf wird eine Reihenfolge der Charaktere und Feinde festgelegt und jeder macht dann seinen Zug. Je nach Statuswerten können die Charaktere unterschiedlich weit in einem Zug voranschreiten. Je nach Abstand zum Feind kann man dann angreifen. Ob mit Fernwaffen, Nahkampf-Waffen oder Spezialattacken, das kommt auf den Spieler an.

Entscheidet man sich für einen Angriff, so kann nicht nur der Charakter angreifen, der am Zug ist, sondern auch alle anderen Charaktere in der Nähe. Das hört sich im ersten Moment nicht schlecht an. Aber was für die Spieler gilt, gilt ebenso für die Feinde und diese sind in ihrer Zahl der Heldentruppe um ein Vielfaches überlegen – und eben hier kommt einer der größten Nachteile des Kampfsystems zum Vorschein. Jeder Charakter und jeder Feind hat seine eigene Runde und Animation, wenn er jemanden angreift.

Wenn jetzt zehn Feinde in einer Runde angreifen, so dauern alleine die Animationen, die immer identisch sind, über eine Minute. Dann dürfen sich vielleicht noch die 30 anderen Feinde, die im Dungeon sind, ein paar Schritte bewegen. Was ebenfalls mehrere Minuten beanspruchen kann. Damit zieht sich jede komplette Runde so unglaublich in die Länge, dass man einfach nicht mehr auf den Bildschirm gucken will. Wenn man dann noch mehrmals das Zeitliche segnet und alles wieder von vorne angucken muss, dann kann schon der Kragen platzen. Es gibt zwar eine Taste, mit der man das Geschehen beschleunigen kann, aber diese hätte noch vier Mal so schnell sein müssen, damit es keine Folter mehr ist.

Natural Doctrine
Natural Doctrine

Hat man es aber seltenerweise mit einer kleineren Zahl an Feinden zu tun, dann entfaltet Natural Doctrine sein volles Potential. Jeder Meter muss genau geplant werden. Wo steht der Schütze, wie werden die Nahkämpfer positioniert und wie würde sich dies ändern, wenn man es nur mit Feinden zu tun hätte, die im Fernkampf erprobt sind? Außerdem kann man die eigenen Angriffe verlinken. Je nachdem, wie weit die angreifenden Charaktere im selben Bereich voneinander entfernt sind, desto stärker wird der Angriff.

Zudem stehen unzählige Fähigkeiten zur Verfügung, welche perfekt abgestimmt werden müssen, um ein Dungeon zu bestehen. Leider ist diese perfekte Abstimmung so gut wie unmöglich und viel zu sehr von den Feinden abhängig, denn man kommt in diesem Spiel nur durch das Trial-and-Error-Prinzip voran. Wenn man den selben Dungeon zwanzig Mal anläuft, erkennt man ein Muster bei den Feinden. Man weiß genau, aus welcher Tür gleich jemand springt und welche Schalter in welcher Reihenfolge betätigt werden müssen. Das macht einfach keinen Spaß.

Hinzu kommt, dass der Bildschirm im Kampf zu jeder Sekunde mit Informationen so vollgepackt ist, dass der Großteil des Kampfgeschehens sich hinter Buchstaben und Zahlen verbirgt. Jeder Schritt, jeder Atemzug wird als Information auf dem Battle-Log angezeigt. Dazu kommen alle Spezialfähigkeiten, die wichtigen Leisten, die Charakterprofile und ihre Dialoge. Die Entwickler haben sich hier wirklich keinen Gefallen getan.

Wenn die Entwickler noch vier Schwirigkeitsgrade nach unten hinzufügen, dann kommt vielleicht Spielspaß auf.
Wenn die Entwickler noch vier Schwirigkeitsgrade nach unten hinzufügen, dann kommt vielleicht Spielspaß auf.

Man muss einfach auf viel zu vieles achten und wenn man dies mal geschafft hat und am Ende aufgrund eines kleinen kritischen Schlages oder aufgrund eines einzigen Millimeters (ja, wirklich ein Millimeter) trotzdem stirbt, vergeht einfach jede Lust an diesem beinharten Spiel. Was vielleicht noch erwähnt werden soll, ist, dass das Spiel vorbei ist sobald nur ein einziger der spielbaren Charaktere stirbt.

Natural Doctrine war ein ambitioniertes Projekt, aber es wurde einfach viel zu viel falsch gemacht. Der künstlich in die Höhe getriebene Schwierigkeitsgrad. kombiniert mit dem viel zu komplexen Kampfsystem, nimmt dem Spiel jeden Spaß und jede Geschwindigkeit. In diesem Abenteuer schlummert zwar ein Biest, das stundenlang für Freude sorgen könnte, aber dieses schläft noch tief und fest in seiner Höhle. Wenn man eine masochistische Ader hat und ein absoluter Vollbluttaktiker ist, dann stellt Natural Doctrine den Heiligen Gral dar. Alle anderen lassen entweder die Finger davon oder erwerben das Spiel, um sich von der Härte selbst ein Bild zu machen.

Story: Dünn, kaum vorhanden und wenn mal etwas da ist, dann überschattet das Gameplay jeden kleinen Funken.

Grafik: Solide grau-braune Optik. Dazu sich wiederholendes, enges Leveldesign und Monster aus der Klonmaschine. Einziger Lichtblick: das Design der Hauptcharaktere.

Sound: Beim Soundtrack heißt es eher schlecht als recht, ebenso bei den Effekten. Die englischen Synchronsprecher machen jedoch eine äußerst gute Figur.

Gameplay: Künstlich in die Höhe getriebener Schwierigkeitsgrad, zu komplexes Kampfsystem, Trial-and-Error-Prinzip, so gut wie unspielbar.

Sonstiges: Vier verschiedene Schwierigkeitsgrade, die kaum einen Unterschied machen können. Multiplayer und viele, viele Stunden voller Frust, Leid und Hass.