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Im Test! Der Puppenspieler

„Die erste Idee, die ich für dieses Spiel hatte, war, eine Schere zu benutzen“, so Director Gavin Moore zu seinem Puppentheater auf der PlayStation 3. Was aus dieser einen Grundidee entstanden ist, ist jedoch weitaus mehr als nur ein Spiel mit einer Schere. Der Puppenspieler ist ein interaktives Puppentheater mit allem Drum und Dran.

Ein Erzähler, ständig wechselnde Bühnen, grandiose Licht- und Schattenspiele und selbstverständlich ein mitfieberndes Publikum. Was dieses Spiel außer seinem Setting so einzigartig macht, ist jedoch die Präsentation und die unendlich große Liebe zum Detail, welche die Mannen von Sony da an den Tag gelegt haben. Jedes Pixel, jede Textur strotzt vor Leidenschaft. Der Puppenspieler ist ein Must-Have zum Ende dieses Konsolenzyklus.

Betrachtet man nur die Präsentation an sich, so kann man schnell dem Fehlglauben erliegen, dass das Spiel ausschließlich an Kinder gerichtet ist, doch die Story und die Dialoge lassen diese Fassade schnell zerbröckeln. Der Junge Kutaro ist ein unschuldiges Kind, das in seinem Schlummer vom bösen Mondbärkönig entführt wird. So weit so kindlich. Dann jedoch reißt ihm der wahnsinnige Tyrann seinen Kopf ab. Somit ist unser kopfloser Held geboren. Im letzten Moment gelingt ihm die Flucht vor seinem grausamen Schicksal.

Fortan muss sich der junge Kopflose durch die unterschiedlichsten Welten schlagen mit dem einen Ziel, den bösen Tyrann von seinem Thron zu stürzen und den Mond zu befreien. Natürlich gibt es noch viele wichtige Charaktere und Beweggründe, doch da das Neue und die ständigen Überraschungen Teil des Spiels sind, bleiben diese hier ungenannt.

Der böse Mondbärkönig herrscht mit flauschiger Hand über den Mond!
Der böse Mondbärkönig herrscht mit flauschiger Hand über den Mond!

Allein diese Zusammenfassung macht bereits deutlich, dass der Puppenspieler viele Elemente eines Märchens nutzt, diese aber gleichzeitig zum Absurden wandelt. Viele liebevolle Szenen verdeutlichen dieses Prinzip. Zum Beispiel in der Unterwasserwelt, wo Kutaro auf Meerjungfrauen trifft und diese ganz Disney-like versuchen die Story durch eine Musical-Nummer voran zu treiben. Anders als in den Disney-Filmen, werden diese hier unterbrochen weil sie den Meereskönig damit zum Rand der Verzweiflung treiben. Unglaublich viele Elemente aus modernen Erzählungen und Filmen finden sich in diesem Theaterstück.

Von Tim Burtons Kopfloser Reiter bis zum weißen Kaninchen aus Alice im Wunderland, hier ist viel Hintergrundwissen gefragt. Doch wie bereits erwähnt, handelt es sich hier um ein unkonventionelles Theaterstück. Das machen auch besonders die Charaktere und der allwissende Erzähler deutlich. Dieser begleitet die Reise von Kutaro. Wird die Bühne umgebaut, so nutzt er diese kleine Pause um den Spieler auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Aber ab und zu bricht auch dieser aus seiner Rolle und fängt an, mit den Puppen auf der Bühne oder dem Publikum zu streiten. Diese Szenen sind stets unglaublich humorvoll und dienen dem Aufbau einer persönlichen Beziehung zu den Charakteren.

Zudem machen sie deutlich, dass es sich nicht um Puppen handelt, sondern tatsächlich um Schauspieler. Einfach genial. All diese Referenzen und Absurditäten sorgen für zehn Stunden voller Lachen, vor allem bei Erwachsenen, da nur diese das nötige Hintergrundwissen besitzen. Für diese Story und die Präsentation haben die Entwickler großes Lob verdient.

Die grafische Aufmachung von Der Puppenspieler ist über jeden Zweifel erhaben und passt perfekt zum Spiel. Die größte Energie der Entwickler floss in das Design der unterschiedlichen Welten, welche Kutaro besucht. Das Besondere hier ist, dass die Welten/Bühnensets sich alle paar Sekunden ändern können. Spaziert man im einen Moment noch durch die Wüste, kann sich plötzlich das Hintergrundplakat drehen und man findet sich am eisigen Nordpol wieder. Dieser Übergang verläuft so reibungslos, dass man teilweise kurze Zeit braucht um das vollkommen veränderte Setting in seiner Gesamtheit wahrzunehmen. Gavin Moore erzählt gerne, dass man teilweise wochenlang an den einzelnen Stages gearbeitet hat und diese im Spiel nur wenige Augenblicke füllen, bis man sie nie wieder sieht.

Eine Theaterbühne durch und durch. In jedem Pixel wird das deutlich.
Eine Theaterbühne durch und durch. In jedem Pixel wird das deutlich.

Unterwasser- und Lava-Welten, Schnee und Kosmos. Hier fließt alles in grandiosen Animationen ineinander über und überrascht den Spieler immer und immer wieder. Doch nicht nur die einzelnen Bühnensets überzeugen vollends. Auch die Charaktere fügen sich in diese Bühne perfekt ein. Alle sind aus Holz geschnitzt, klackern beim Bewegen und obwohl hier nicht das selbe Maß an Mimik und Gestik erreicht werden kann wie in anderen Spielen, fiebert und trauert man immer mit.

Jeder Charakter ist so liebevoll gestaltet, dass er selbst nach dem Spielen noch lange in den Erinnerungen bleibt. Einige Puppen fangen schon an den Rändern an zu faulen, oder anhand ihrer Ringe lässt sich ihr Alter schätzen. Genau zu beschreiben, welches Maß an Detail und Liebe in dieses Puppentheater gesteckt wurde ist einfach unmöglich.

Dieses optische Festmahl wird von einer Soundkulisse begleitet, die ebenfalls sehr rar in der heutigen Videospiellandschaft zu finden ist. Für den Soundtrack zeichnet sich der weltbekannte und mehrfach Oscar-nominierte Patrick Doyle verantwortlich. Mit einem kleinen Orchester zaubert dieser Mann einen Traum für die Ohren. Jede Note schmiegt sich an die brilliante Atmosphäre und das ungewöhnliche Bild. Dabei werden alle Register gezogen.

Düstere Klänge und heitere Partymusik wechseln eben wie das Bild im Sekunden, beziehungsweise Minutenakt, und tragen so einen gigantischen Beitrag zur Einzigartigkeit von Der Puppenspieler bei. Hinzu kommen Synchronsprecher, die jedem Charakter Leben und Liebe einhauchen und einen unglaublich guten Job machen. Ganz besonders der Erzähler erweist sich im Englischen als absolutes Highlight. Die deutsche Sprachausgabe ist ebenfalls sehr gut, wie jedoch so oft, nicht annähernd so gut wie das Original im Englischen. In Sachen Optik und Sound ist an der Puppenspieler absolut nichts auszusetzen. Hier wurden weder Kosten noch Mühe gescheut, um ein einzigartiges Theater-Feeling zu schaffen, dass es so noch nie auf einer Konsole zu finden gab.

Spektakuläre Präsentation trifft auf Gameplay, dass ihr einfach nicht gerecht wird.
Spektakuläre Präsentation trifft auf Gameplay, dass ihr einfach nicht gerecht wird.

Da das Spiel sich visuell und soundtechnisch keine Blöße gibt liegt nun besonderes Augenmerk auf das Gameplay. Hier erfindet Der Puppenspieler das Rad nicht neu, weiß jedoch über eine gewisse Zeit lang gut zu unterhalten. An sich ist das Prinzip alt und bewährt. Der Puppenspieler ist ein typisches 2D-Jump’n’Run. So heißt es, von einem Bildschirmrand zum nächsten, dabei über Hindernisse und Abgründe springen und den ein oder anderen Feind platt zu machen. Doch auch hier legen die Entwickler eine solche Liebe zum Detail an den Tag, dass man einfach nur noch staunen kann.

Drei Prinzipien bilden den Grundbaustein von Kutaros Reise. Zum Einen die bereits genannte magische Schere Calibrus (Excalibur!?!), die Kutaro als ihren Meister erwählt – und was soll sie mit Stoff, Plakaten und Holz anderes machen, als diese zu schneiden. Mit diesem Werkzeug kann sich unser junger Held durch die Szenerie schneiden. Eine ganz besondere Szene bleibt hier in den Gedanken. Nachdem ein Ofen angeheizt wurde, steigt Qualm empor. Da es sich hier um ein Puppentheater handelt wird der Qualm mit Papier dargestellt. Nun kann Kutaro sich mit Calibrus nach oben durch die Szenerie schneiden.

Diese Szene ist nur eine der vielen, die beweisen, dass es bei einem Jump’n’Run nicht nur von links nach rechts gehen kann. Das hat man natürlich auch schon in Rayman und Super Mario Bros. erlebt, aber so kreativ wie bei diesem Spiel noch nie. Im Laufe der Spiels erhält der Held noch weitere wichtige Objekte, wie einen Haken oder die Fähigkeit, sich in einen Rammbock zu verwandeln. All diese Kräfte fügen sich dem Setting perfekt ein und lassen sich dazu präzise steuern.

Ladys and Gentlemen Kutaro präsentiert: CALIBRUS!
Ladys and Gentlemen Kutaro präsentiert: CALIBRUS!

Die zweite Grundmechanik liegt in den Köpfen, die Kutaro auf seiner Reise findet. Natürlich kann er nicht kopflos bleiben, nachdem der Mondbärkönig ihn enthauptet hat. Und deshalb findet er die unterschiedlichsten Objekte, die er sich auf den Kopf stecken kann, so wie Sushi. Diese besitzen verschiedene Funktionen. Zum Beispiel sind sie die Lebensanzeige des Helden. Insgesamt drei Köpfe kann dieser mit sich tragen. Wird er von einem Feind getroffen, so fällt ihm der Kopf von den Schultern. Nun hat er wenige Sekunden zeit ihn wieder einzusammeln.

Gelingt dies nicht, so wird der Ersatzkopf verwendet. Sind alle Köpfe „aufgebraucht“ heißt es entweder Game Over, oder man schiebt dem Sensenmann ein paar Kröten zu, um nochmal das Licht der Bühne zu erblicken. Neben dieser Eigenschaft besitzen die verschiedenen Köpfe einzigartige Fähigkeiten, die entweder bei einem Kampf behilflich sein können oder versteckte Orte auf der Bühne freilegen. Neben einigen Pflichtköpfen, die sich während der Reise ansammeln, gibt es dazu noch ein paar optionale, welche mit Hilfe einer ganz zickigen kleinen Fee, Pikarina, ergattert werden können. Diese kann man mit dem rechten Analogstick steuern und unerreichbare Orte und Geheimnisse aufdecken. Interessanterweise kann Pikarina auch von einem zweiten Spieler separat gespielt werden.

Beim Gameplay von Der Puppenspieler liegt die Stärke erneut bei der Präsentation. Denn im Laufe der zehn Stunden, machen sich ab und an Ermüdungserscheinungen breit und die Monotonie gewinnt ab und an die Überhand. Auch die toll inszenierten Bosskämpfe laufen alle nach dem selbem Muster ab und schließen mit Quicktimeevents ab.

Der Puppenspieler ist kein Spiel. Es ist ein interaktives Puppentheater, das so viel Liebe zu Detail und Kreativität an den Tag legt, wie sie in kaum einem anderen Spiel zu finden sind. Jedes Bühnenbild und jede Holzpuppe haben ihren persönlichen Charme und verändern sich so schnell, dass man einfach weiter machen will, um zu sehen was sich die Entwickler als nächstes haben einfallen lassen.

Kombiniert mit der fantastischen Optik, dem makellosen Soundtrack und einer Story, die voller humorvoller Referenzen ist, ergibt sich hier eine Präsentation, die man auf jeden Fall gesehen haben muss. Auch wenn das Gameplay keineswegs schlecht ist, so steht es dennoch im Schatten der unerreichbaren Präsentation und kann nicht über die gesamten zehn Stunden fesseln. Aber trotzdem kann ich jedem nur empfehlen die unglaubliche Reise des kopflosen Kutaros mit eigenen Augen mitzuerleben.

Story: Märchenhaft und zeitgleich abstrus und gepickt mit Charakteren, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben. Hier werden Disney, Grimm, Burton und noch viele mehr in humorvoller Weise dem Spieler präsentiert. Nicht nur was für Kinder.

Grafik: Brilliante Farben, fantastisches, kreatives und einzigartiges Design im Puppentheater-Look. Hier stimmt einfach alles. ANSEHEN!

Sound: Patrick Doyle zaubert ein Theater für die Ohren und haucht den Bühnensets Leben und Liebe ein. Hinzu kommen grandiose englische und gute deutsche Synchronsprecher. Einfach toll.

Gameplay: Eine magische Schere, die sich durch den Bühnenaufbau schneiden kann, Sushi und Ähnliches, das sich der Held auf den Kopf kleben kann und eine kleine Fee, die ihm immer zur Seite steht. Bekannte Ideen, die toll verpackt sind, aber leider der Monotonie zum Opfer fallen.

Sonstiges: Mit zehn Stunden ist Der Puppenspieler nicht das längste Spiel, aber so etwas hat man noch nie gesehen. Das ist ein Spiel das beweist, dass Videospiele auch Kunst sein können! Etwas banaler Multiplayer inklusive.