von Max Fischer
Ja, ich weiß, das Horrorgame war schon in einer der letzten Kolumnen kurz Thema gewesen, doch der „Shitstorm“ der vergangenen Tage bezüglich des neuesten Teils der Zombiesaga „Resident Evil 6“, veranlassten meine Finger wieder mal die Tastatur zu quälen. Aber warum sollte meine Meinung zur ganzen Diskussion noch irgendjemanden interessieren, nachdem in gefühlt allen Games-Foren dieser Welt jeder, mal mehr, mal weniger höflich, seinen Standpunkt klargemacht hat? Keine Ahnung, ich mach es trotzdem bevor man kein Öl mehr ins Feuer gießen kann. Doch über was wird sich hier eigentlich gestritten, ungeachtet der Qualität des Endprodukts, versteht sich und wer sind diese ganzen Streithähne überhaupt?
Da haben wir einmal die erzkonservativen „Traditionalisten“, die der Serie schon nach dem zweiten Teil den Rücken gekehrt haben. Laut deren Meinung hat schon die verbesserte Kameraführung der Reihe den Todesstoß versetzt. Ihre Aufgabe besteht nun darin, pünktlich zu jedem neuen Teil das Netz zu stürmen und mit dem Finger auf alle Andersgläubigen zu zeigen. Frei nach dem Motto „Ich habs euch doch gesagt“ wird hier gegen jeden Fortschritt gewettert. Dieses Lager lässt sich je nach der Toleranzgrenze noch unterteilen in die „Teil zwei war so toll“- Jünger und die „Code Veronica war mein Liebling“- Verfechter. Aber selbst hier gibt es intern Streitigkeiten, wer denn nun das Diskussionszepter schwingen soll.
Die zweite Gruppe geht es da etwas ruhiger an. „Semi-Traditionalisten“ haben die erste Serienhäutung mit Resident Evil 4 relativ gut überstanden, die frische Neuausrichtung gar gefeiert. Doch ihr Jubel hielt nicht lange und für viele war dann mit der nächsten Fortsetzung endgültig Schluss. „Jetzt ist es aber sogar mir zuviel Shooter“, lautete damals anno 2009 der Kanon. Dieses Lager wartet nun schon seit Jahren auf die Wiederauferstehung des Altmeisters und fühlt sich mit jedem neuen Ableger von „Capcom“ mehr verraten. Deswegen versteht man sich mit den „Traditionalisten“, bis auf einige Differenzen, auch sehr gut. Gemeinsam brüllt es sich bekanntlich lauter!
Nicht zu vergessen ist unser nächster Vertreter. Ich vermeide jetzt einfach mal der Begriff „Call of Duty“- Generation, der zwar leicht von der Zunge geht, aber im Endeffekt totaler Schwachsinn ist, da er dem Leser stets das Bild eines faulen und blöden Teenagers suggeriert, was in der Breite einfach nicht stimmt. Nennen wir sie lieber die „Blockbusteristen“. Diese Gruppe fühlt sich im Actiongenre heimisch und ist mit Titeln wie Gears of War oder Uncharted groß geworden und hat ebenso die Marke selbst groß gemacht. Sie begrüßen die nächste Stufe der „Resident Evil“-Evolution, stellen aber auch Vergleiche zu ihren Lieblingen an. Die meisten kennen die alten Klassiker gar nicht und verbinden spätestens jetzt Resident Evil mit seichter Feierabendkost. Das geht für die „Traditionalisten“ natürlich gar nicht, aber machen wir uns nichts vor: Die „Blockbusteristen“ stellen momentan die größte Armee in diesem ungleichen Kampf.
Man sagt, wahre Fans halten ihren Produkten auch in schweren Zeiten die Treue und so kommen wir zu unserem letzten Diskussionsgast: Die „Zombiekonsumenten“. Ähnlich wie die „Traditionalisten“ begleitet diese Glaubensgruppe ihre Serie meist seit dem Start. Doch sie haben dem Franchise nie den Rücken gekehrt und beglücken Capcom jedes Jahr mit neuen Einnahmen. Sie begrüßen nicht jede Veränderung, aber das Unternehmen kann auf sie zählen. Eigentlich eine lobenswerte Einstellung, jedoch ist mit diesen willenlosen Sklaven kein Fortschritt im Sinne der Fans möglich. In ihrem blinden Konsumrausch sind diese Menschen genau zu dem geworden, was sie seit Jahren bekämpfen: Zombies.
Bevor jetzt aber der entrüstete Aufschrei kommt hier die flotte Entwarnung: Natürlich handelt es sich bei den oben dargestellten Ausführungen nur um einen groben und ziemlich überrissenen Einblick in die Einstellung einiger Fangruppierungen. Nichtsdestotrotz kommen diese gegensätzlichen Meinungspole nicht von ungefähr und wer sich nur kurz mit dem Thema beschäftigt hat, wird mir zustimmen wenn ich sage, dass die Freundschaft zwischen Resident Evil und seinen Spielern immer auf wackeligen Beinen gestanden hat, da immer irgendjemand an dem Stuhlbein des anderen gesägt hat.
Dabei ist die momentane Entwicklung in gewissen Punkten nicht nur kommerziell für Capcom sinnvoll, sondern auch inhaltlich gar nicht verkehrt. Seit den ersten Gehversuchen der Untoten ist einiges an Zeit ins Land gezogen und aus einem kleinen Spiel mit wenigen Entwicklern und einer lokalen Bedrohung ist ein großes Spiel mit vielen Entwicklern und einer globalen Bedrohung geworden. Da ist es klar, dass die Firma dem Spiel einen erweiterten Rahmen spendiert. Und dass Survival-Horror auch zwischen explodierenden Hochhäusern und riesigen Mutanten funktionieren kann, zeigt das neue Werk in mehreren großartigen Momenten. Das die Gesamtkonzeption am Ende viele nicht überzeugen konnte, ist schade, aber kein Grund, gleich alles und jeden zu verteufeln.
Jetzt sind wir schon wieder bei meiner persönlichen Resi-Beziehung angekommen, was ja auch eigentlich das Thema der Kolumne werden sollte, jetzt aber leider Randnotiz bleiben muss (ich schreibe meine Kolumnen während ich denke, nur so nebenbei).
Meine Horrorreise begann nicht etwa in einem verlassenen Herrenhaus oder in den finsteren Wäldern Spaniens, sondern unter der brennende Sonne Afrikas mit Chris Redfield. Hier habe ich mich, schwitzend, gegen allerhand untotes Zeugs zur Wehr gesetzt und ein grandioses Koop-Spielerlebnis genießen dürfen, bevor mich mein Urlaubsticket dann doch nach Spanien schickte, während ich mich mit der allgemeinen Rahmenhandlung vertraut machte. So wurde ich praktisch von einem „Blockbusteristen“ zu einem „Zombiekonsumenten“, denn auch ich habe mir Resident Evil 6 und weitere Produkte blind gekauft. Schande über mich, aber jetzt ist es eh zu spät.
Zum Abschluss soll hier noch eine ausführliche Kritik zum aktuellen Spiel folgen … Ne Spaß, ich bin doch nicht die Wohlfahrt. Das können hier schön andere machen. Nur so viel: Das Game ist, trotz zahlreicher Mängel, toll geworden und wird jeden zufriedenstellen, der sich nicht gegen diesen emotionalen Trip sträubt. Doch der Unmut der Allgemeinheit ist verständlich. Die Serie entfernt sich weiter von ihren Wurzeln und begeht endgültig den symbolischen Kniefall vor dem Shooter. Lediglich die Story mit ihren markanten Charakteren lässt einen Hauch Identität durch das Zimmer wehen. In einer für das Werk undankbaren Zeit, in der sich die Branche technisch wie erzählerisch im Umbruch befindet, scheint kein Platz mehr für die einstige Vorzeigereihe. Sollten die Verantwortlichen sich in Zukunft jedoch zumindest auf die alte Tugend des „Survival“ besinnen, dann gibt es Hoffnung. Hoffnung durch erneute Veränderung bei der„Traditionalisten“ wie „Blockbusteristen“, sowie alle anderen Gruppen, als eine geschlossen Einheit helfen könnten.
von Max Fischer
Das war erst der dritte Teil unserer neuen Kolumnen-Serie. Wollt ihr eine Kolumne auf jpgames.de veröffentlichen und eure Meinung zu einem aktuellen Thema zur Diskussion stellen? Oder einfach nur loswerden? Gern! Meldet euch bei tony@jpgames.de!