Titel | Mass Effect: Andromeda |
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21. März 2017 | |
Electronic Arts | |
23. März 2017 | |
Electronic Arts | |
System | PlayStation 4, Xbox One, PC |
Getestet für | PlayStation 4 |
Entwickler | BioWare |
Genres | Action-RPG |
Texte |
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Vertonung |
Eine neue Heimat fernab der Milchstraße. So weit entfernt, dass eine 600-jährige Reise im Kryoschlaf notwendig ist, um dort anzukommen. Das Heleus-Cluster sollte mit seinen fruchtbaren Planeten – goldene Welten genannt – ein neues Zuhause für Menschen, Asari, Kroganer, Salarianer und Turianer bieten – so der Plan. Doch nachdem die Pioniere alles, was ihnen lieb und vertraut war, Jahrhunderte hinter sich gelassen haben, folgt das dunkle Erwachen: Die Nexus, die riesige Station, die als Treff- und Ausgangspunkt dieser fast größenwahnsinnigen Unternehmung gedacht war und mit ihrer Besatzung bereits vorausgereist war, treibt unfertig und scheinbar unbewohnt im All.
Viele der Reisenden sind aus unbekannten Gründen immer noch nicht angekommen und die sogenannten goldenen Welten sind lebensfeindliche Planeten auf denen Besiedelung unmöglich ist. Der große Traum einer neuen Heimat liegt in Trümmern. Aufgeben ist jedoch keine Option, denn die Vorräte und Ressourcen sind begrenzt und sich zurückzulehnen und auf den Tod zu warten, scheint wenig verführerisch. Jetzt ist es am Pathfinder namens Ryder – dessen Rolle der Spieler übernimmt – die Scherben aufzusammeln und eine Lösung zu finden.
Kenner der Serie stellen fest, dass Mass Effect: Andromeda einen Neuanfang wagt und sich narrativ von der Vorgänger-Trilogie löst, um eine neue Geschichte abseits von Reaper, Shepard und Co zu erzählen – Referenzen zu den alten Spielen dürfen natürlich trotzdem nicht fehlen. Eine unabhängige Geschichte ist eine gute Idee, denn der neueste Teil der Reihe tritt bereits in große Fußstapfen und die alte Story dort fortzusetzen, wo sie geendet hat, würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu Enttäuschungen führen. Aber wie macht sich der neueste Ableger? Im Test nehmen wir Mass Effect: Andromeda genau unter die Lupe.
Eine neue Heimat
Es liegt nun am Spieler, das Beste aus diesem Schlamassel zu machen. Hierzu müssen in erster Linie die sogenannten goldenen Welten bereist werden, um nach der Ursache zu forschen, warum diese sich während der 600-jährigen Reise in harsche, gefährliche Orte verwandelt haben, und diese wieder bewohnbar zu machen. Doch bevor hier irgendjemand irgendwo hingeht, muss der Spieler noch ein paar Vorkehrungen treffen: Männlich oder weiblich? Welche Ausbildung hat der Pathfinder genossen? Welches Gesicht hat unser Held? Wie heißt die Hauptfigur Ryder mit Vornamen? Aus neun Köpfen kann einer ausgewählt werden und dieser wiederum kann individualisiert werden. Die Anpassungsmöglichkeiten sind stellenweise recht begrenzt und man muss mit den vorgegebenen „Bauteilen“ des jeweiligen Gesichts arbeiten, welches man ausgewählt hat.
Um das Cluster zu erkunden, braucht es natürlich auch ein passendes Raumschiff – die Tempest. Mit diesem schnittigen Weltraumflitzer und einer kleinen Crew steuert ihr die einzelnen Systeme
an. So groß das Heleus-Cluster auch wirkt, ist es spielerisch natürlich nicht. Oftmals gibt es in einem System nicht mehr als eine Anomalie, die man nach Ressourcen scannen kann. Da die Reise zwischen den Systemen recht langwierig ist und bei dem Scan-Prozess nicht allzu viel Spaß aufkommt, erscheint das Erkunden meist nicht sehr lohnenswert. Die Haupthandlung führt euch aber selbstverständlich in die interessanten Systeme, in denen ihr auf Planeten landen könnt und diese auskundschaftet.
Wie eingangs erwähnt, sind die Welten extrem gefährlich: Alles, was auf ihnen kreucht und fleucht, versucht euch umzubringen und das Klima löscht jeden ohne den richtigen Schutz in wenigen Sekunden aus. Damit sich Ryder auf den Planeten überhaupt fortbewegen kann, ohne tot umzufallen, ist die Nomad notwendig. Hierbei handelt es sich um ein recht langsames, gepanzertes Vehikel, das für nahezu jedes Gelände tauglich ist. Mit einem regelmäßigen Turbo-Boost fährt es kurzzeitig auch schneller.
Nur ein Schwein kämpft allein
Man erkundet immer gemeinsam mit zwei Crewmitgliedern die unbekannten Welten, die dem Pathfinder natürlich auch im Kampf zur Seite stehen. Dabei haben die Besatzungsmitglieder jeweils
unterschiedliche Fähigkeiten. Während einer im Team nützliche Biotik-Fähigkeiten verwendet, setzt der andere auf rohe Kraft und Schrotflinte. So kann man sein Team nach den eigenen Bedürfnissen zusammenstellen. Zwar ist es nicht möglich, den Begleitern unterschiedliche Waffen und Ausrüstungsgegenstände zu geben, so kann man aber nach Belieben deren Fähigkeiten skillen. Das funktioniert genauso wie bei dem Held des Spiels. Jeder Levelanstieg bringt Fähigkeitspunkte, die in einzelne Skills investiert werden können. Während die Mitglieder eures Trupps nur eine Handvoll Fähigkeiten besitzen, kann der Pathfinder aus drei Kategorien wählen, die wiederum eine ganze Reihe Skills beinhalten. Das lässt viel Raum zum Anpassen eures persönlichen Helden und man muss auch keine Sorge davor haben, seinen Charakter schlecht auszubalancieren. Die aufgeteilten Punkte können zurückgezogen und neu verteilt werden.
Wenn ihr ein Areal betretet, in denen praktisch verteilte Deckungsmöglichkeiten platziert sind, wisst ihr im Regelfall immer, welche Stunde geschlagen hat: Es kommt ein Kampf auf euch zu. Mit Waffen und Fähigkeiten setzt ihr euch gegen die immer gleichen Gegnertypen zur Wehr. Die mangelnde Abwechslung eurer Widersacher zieht sich über die unterschiedlichen Planeten hinweg und bietet bis auf wenige Ausnahmen kaum Highlights oder Überraschungen. Ansonsten bietet Mass Effect: Andromeda ein
solides Deckungsshooter-Erlebnis, dem euer Jetpack, mit dem ihr euch einen kräftigen Boost in eine beliebige Richtung verschafft, etwas Würze verleiht. Durch die Auswahl von Fähigkeiten und Waffen, kann man die Kämpfe auch nach den eigenen Vorlieben angehen. Die KI eurer Teammitglieder lässt oft zu wünschen übrig. Da sie aber recht viel aushalten, kann man es ihnen verzeihen, wenn sie sich mitten ins gegnerische Feuer stellen.
Wer trotz der häufigen Gefechte im Singleplayer nicht genug von den Kämpfen bekommen kann, hat die Möglichkeit, sich in den Multiplayer-Modus zu stürzen. In einem Team mit vier anderen Spielern können unterschiedliche Modi ausgewählt werden. Beispielsweise müsst ihr Gegnerwellen überleben oder habt die Aufgabe, bestimmte Ziele auszuschalten. Das Level-System innerhalb der Mehrspieler-Kampagne ist motivierend, der Schwierigkeitsgrad ist im Vergleich zum Hauptspiel aber ziemlich knackig.
Looten, leveln, scannen, scannen, scannen
Die Hauptquest von Mass Effect: Andromeda braucht seine Zeit, bis er richtig Fahrt aufnimmt. Folgt man dem roten Faden lang genug, wartet eine durchaus fesselnde Geschichte auf euch. Leider ist besonders das erste Drittel davon ziemlich zäh und zwingt euch zu viel Leerlauf. So verbringt ihr viel Zeit damit, von Punkt A zu Punkt B zu gelangen, indem ihr sehr lange Strecken mit der Nomad oder zu Fuß zurücklegt. Viel zu oft muss ein Areal nach einem bestimmten Punkt abgescannt werden. Hier wird lediglich ein quadratisches, holografischen Feld beim Laufen auf die Umgebung projiziert, bis etwas sich unter diesem Feld farblich abhebt – spannend. Vielleicht wäre mein Sarkasmus hier nicht angebracht, wenn das Spiel mich nicht viel zu oft zu dieser Tätigkeit gezwungen hätte.
Der neueste Ableger der Serie konzentriert sich wieder verstärkt auf Elemente wie dem Looten, dem Craften von Waffen und Ausrüstung und der Implementierung von Modifikationen. Wem das zusagt, wird auf jeden Fall Freude daran haben. Zunächst muss derjenige sich jedoch durch das überladene Menü wursteln und den Überblick über die gesammelten Blaupausen und Komponenten gewinnen. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass man sich damit nicht auseinandersetzen muss, um gut durch das Spiel zu kommen. Kein Zwang also.
Wie für Mass Effect typisch, gibt es jede Menge Dialoge, bei denen ihr bis zu vier Antwortmöglichkeiten auswählen könnt. In diesem Ableger wurde aber auf extreme Dialogoptionen verzichtet und ihr könnt nicht wie Shepard Engelchen und Teufelchen spielen. Dafür könnt ihr nun zum Beispiel eine professionelle Antwort geben oder eher emotional reagieren. Besonders beim Flirten mit eurer Besatzung können die Dialoge etwas holprig sein, insgesamt waren die Gespräche aber meist unterhaltsam und interessant.
Wo ihr auch hingeht, es warten zahlreiche Nebenquests an jeder Ecke. Diese schwanken qualitativ und reichen von spannender Enthüllungsgeschichte bis hin zum generischen Fetch-Quest. Leider kranken diese Aufgaben an ähnlichen Makeln wie stellenweise auch die Hauptquest: Leerlauf und künstliches Strecken der Spielzeit. Ein spoilerfreies Beispiel: Ihr bereist einen Planeten und erhaltet eine Information, die zu einem Quest führt. Dafür erhaltet ihr einen Navigationspunkt auf eurer Karte und reist in das jeweilige System, betretet den Planeten und fahrt eine beträchtliche Zeit über den weitläufigen Planeten. Dort angekommen, scannt ihr etwas oder erhaltet einen neuen Informationsschnipsel von einem NPC. Ein neuer Navigationspunkt tut sich auf… Häufig werden auch kleine Gefechte und kurze Dialoge eingebracht, die aber selten über den großen Zeitaufwand für eine kleine Quest hinwegtrösten.
Die Loyalitätsmissionen, Missionen, mit denen ihr das Vertrauen eurer Crew gewinnt, gab es auch bei den Vorgängern und sind auch hier gut gelungen. Es treten teilweise die oben genannten Kritikpunkte auf, jedoch fühlt man sich dank Cutscenes und kreativerer Missionsstruktur besser unterhalten. An dieser Stelle muss auch gesagt werden, dass die Crew zu den großen Pluspunkten des Spiels gehört. Kann man anfangs vielleicht mit manchen Mitgliedern der Besatzung nicht viel anfangen, lernt man diese auch über die Loyalitätsmissionen hinaus kennen und lieben. Jeder Einzelne schickt Ryder witzige, nachdenkliche, traurige E-Mails, jeder Einzelne hat immer wieder etwas Interessantes zu erzählen, jeder Einzelne hat eine individuelle Beziehung zu den anderen Mitgliedern des Tempest-Teams. Das fällt vor allem bei Missionen auf, wenn die quirlige Asari mit dem steinalten Kroganer Lebensweisheiten austauscht oder sich zwei andere Mitglieder überhaupt nicht grün sind und Grundsatzdiskussionen führen. Dieses dynamische Miteinander lässt das Spiel lebendig wirken und man erhält einen stärkeren emotionalen Bezug zu den Geschehnissen im Spiel.
Hübsches All mit hässlichen Macken
Mass Effect: Andromeda zeigt sich grafisch sehr durchwachsen. Während die Landschaften auf den Planeten, das Cluster mit seinen unzählbaren Sternen und die Raumanzüge mit ihren verspielten Details atemberaubend schön sein können, müssen an anderen Stellen starke Abstriche gemacht werden: ständiges Nachladen der Texturen, Pop-ups, wo man hinsieht, und unnatürliche, leblose Gesichter und steife Animationen. Letzteres wurde durch einen neuen Patch etwas verbessert, sodass besonders die Augen natürlicher wirken. Insgesamt ist das Erscheinungsbild der Menschen und Aliens trotzdem noch sehr verbesserungswürdig. Einige grafische Glitches sind dermaßen erheblich, dass man nicht einmal mit viel Mühe darüber hinwegsehen kann. Wenn ich mich mit einem Teammitglied unterhalte und es in T-Pose herumsteht, während der Unterarm herumschlackert oder Ryder nicht in eine Sequenz geladen wird und meine Romanze den Arm um Luft geschlungen hält kann man es nicht mehr ignorieren.
Die Zukunft klingt gut
Die musikalische Untermalung des Titels reicht von orchestralen Tönen bis hin zu elektrischen, futuristischen Stücken. Zwar ist der Soundtrack eher unauffällig und produziert keine Ohrwürmer, so untermalt er dieses Weltraum-Abenteuer doch wunderbar und macht das Sounderlebnis rund. Auch die Soundeffekte fügen sich gut ein und besonders die satten Geräusche der biotischen Attacken und der röhrende Antrieb der Tempest klingen super. Hier und da treten Soundglitches auf, diese sind aber selten und fallen deshalb kaum ins Gewicht.
Auch die englischen Sprecher können sich wirklich hören lassen und bringen mit unterschiedlichen Akzenten und Dialekten Abwechslung. Natürlich schwankt auch hier die Qualität zwischen den Sprechern, aber bei so vielen NPCs ist das wirklich verständlich. Die deutsche Synchronisation hingegen ist zwar solide, klingt aber oft hölzern und seltsam.
Gelungene Weltraumoper oder Sci-Fi-Schmierentheater?
Die Spielwelt von Mass Effect: Andromeda ist lebendig und steckt neben der Hauptstory voller spannender Geschichten und interessanter Charaktere. Die Umsetzung hinkt an vielen Stellen, sodass eine Mission trotz spannendem Inhalt langatmig, holprig inszeniert und unspektakulär wirkt. Insgesamt hätten die Quests deutlich gestrafft werden können.
Die Planeten, die wieder bewohnbar gemacht werden sollen, sind riesig und hübsch anzusehen. Gleichzeitig sind sie aber, abgesehen von kleinen Gegnerstützpunkten, leer und Erforschung ohne
Questbezug lohnt sich nicht. Auf Raumstationen und seltenen Siedlungen kann man seinem Erkundungsdrang besser nachgehen und im Vorbeigehen den vielen Gesprächen der NPCs lauschen. Auch auf der Tempest begegnet man zufälligen Gesprächen zwischen den Mitgliedern der Crew – hier zeigt sich Biowares Liebe zum Detail. An dieser Stelle muss aber gesagt werden, dass in Puncto Spielwelt viel Potential verschenkt wurde. Größtenteils wirken die Planeten zu vertraut, Flora und Fauna bieten keine echten Überraschungen, vielerorts ist es einfach zu erdähnlich. Zudem gibt es nur zwei neue Alien-Rassen.
Insgesamt bietet das Spiel eine in sich stimmige Welt, die lebendig ist und Neugierde weckt. Die Crew wächst besonders gegen Ende dieses Abenteuers ans Herz und gewinnt immer mehr an Tiefe – hierzu muss der Spieler aber auch bereit sein, etwas Eigeninitiative zu zeigen und seinem Team öfter mal einen Besuch abstatten. Zudem gilt es auch den „love interest“ zu umwerben. Mass Effect: Andromeda leidet aber massiv unter zahlreichen Bugs, Glitches und Unsauberkeiten, die aus der Immersion herausreißen und selten auch den Neustart der Speicherung erforderlich machen. So negativ das nun klingt: Mass Effect: Andromeda ist ein unterhaltsames Spiel mit sehr guten Ansätzen und Ideen. Leider verstecken diese sich häufig unter einem Deckmantel von Langatmigkeit, Monotonie und ungeschickter Inszenierung.
Story: Die Handlung ist 600 Jahre nach den Vorgängern angesiedelt und begleitet die Pioniere der Andromeda-Initiative bei der Erschließung einer neuen Heimat.
Gameplay: Ein Action-RPG mit vielen Shooter-Einlagen und einem großzügigen Crafting-System, neben Kämpfen und Erkundungen warten viele spannende und nicht so spannende Quests und Dialoge.
Grafik: Zwar ist die Umgebung hübsch anzusehen und recht schön in Szene gesetzt, so leidet die Optik stark an nachladenden Texturen, Pop-Ups und unnatürlichen Animationen.
Sound: Musik und Soundkulisse bieten eine ideale Untermalung, selten kleine Macken beim Sound, englische Tonspur muss sich nicht verstecken, deutsche Stimmen wirken hölzern.
Sonstiges: Multiplayer, Quests im Post-Game, kleine Quests, nach Vollendung des Spiels.