Im Laufe der Jahre entwickeln sich Genres, einige geraten in Vergessenheit und haben dementsprechend wenige Vertreter und andere, beispielsweise das First-Person-Exploration-Genre, genießen einen Aufschwung und sind, auch was die Themenvielfalt angeht, breit aufgestellt. Das Konzept hierbei ist simpel: laufen, erkunden und entdecken! Während Titel wie Amnesia: The Dark Descent den Horror als Subgenre wählen, gibt es Vertreter wie Beyond Eyes, welche Themen wie Blindheit und Emotionen aufgreifen. In Gone Home besteht die Aufgabe darin, ein Haus zu durchsuchen, um mehr über die Anwohner zu erfahren. Auch der hier vorgestellte Titel, Firewatch, aus dem Hause Campo Santo gehört diesem Genre an. Ob der Funke überspringt oder im Keim erstickt, erfahrt ihr in unserem Review! Im Sinne der Rücksichtnahme auf Leser, die sich dem Spiel annehmen möchten, verzichten wir auf Details hinsichtlich des Plots.
In Firewatch schlüpft der Spieler in die Rolle von Henry, welcher, um dem Chaos seines Lebens zu entfliehen, die Arbeit bei der Brandwache im Shoshone National Forest im Bundesstaat Wyoming annimmt. Die Reise geht allerdings ganz wo anders los: in einer Bar, in welcher unser Protagonist seine spätere Ehefrau, namentlich Julia, kennenlernt. Die erste Viertelstunde von Firewatch hat mit Brandschutz nichts gemein: der Spieler wird durch Konversationsstränge geführt, welche als Prolog zum Spiel dienen sollen. Witzig, romantisch und stellenweise herzzerreißend wird der Werdegang einer Beziehung zwischen zwei Menschen erzählt und Details aufgegriffen, welche eben eine solche Beziehung ausmachen. Es kommt selten vor, dass ein so authentischer Prolog in ein Spiel einleitet und gleichzeitig so nahe geht.
Im Shoshone National Forest angekommen, spielt sich Firewatch fast wie ein herkömmliches Erkundungs-Abenteuer. Der Spieler bewegt sich durch die Spielwelt und hat während des Erkundens der wunderschön anzusehenden Spielwelt die Möglichkeit, Gegenstände und Kisten zu untersuchen und Notizen aufzusammeln. Einige der eingesammelten Gegenstände können wiederverwendet werden. Neben Seilen und Snacks ist beispielsweise von der Taschenlampe die Rede. Eine Navigation im herkömmlichen Sinne gibt es nicht, denn in Firewatch ist der Spieler noch analog unterwegs. Mit Karte und Kompass bahnt sich Henry den Weg durch Gestrüpp und über Felsen und aktualisiert besagtes Kartenmaterial.
Das Alleinstellungsmerkmal von Firewatch kommt jedoch in Form eines gelben, kleinen Plastikgerätes daher: einem Walkie-Talkie. Über das Handgerät steht der Protagonist mit seiner Vorgesetzten, Delilah, in Verbindung. Schnell wird klar, dass nicht nur die Schreiber der Geschichte eine erstklassige Leistung erbracht haben, sondern auch die Synchronsprecher. Die Konversationen zwischen den Charakteren bestehen nicht nur aus Anordnungen von oben, sondern auch aus freundschaftlichen Gesprächen, sinnlosem Gerede, unsinnigen Witzen und vertraulichen, aufrichtigen Gesprächen inklusive dem gegenseitigen Herz ausschütten! Im Rahmen der Gespräche bestehen unterschiedliche Antwortmöglichkeiten, welche allerdings nur einen geringen Effekt auf die Dialoge haben.
Der Tag als Lookout im Nationalwald klingt auf Papier wenig aufregend: im Turm herumsitzen und auf Rauchschwaden warten, um die Feuerwehr zu benachrichtigen. Ist der Spieler anfangs damit beschäftigt, Feuerwerk zündende Teenager zu ermahnen, verwickeln spezielle Umstände Henry schnell in ein Mysterium. Bei der Rückkehr von einer Patrouille ist im Gegenlicht der Sonne die Silhouette eines Mannes zu erkennen. Kurze Zeit später muss Henry seine Schreibmaschine und weitere Gegenstände vom Boden vor seinem Wachturm aufsammeln, da in den Turm eingebrochen wurde.
Während Freunde entspannter Unterhaltung sicher auf ihre Kosten kommen, ist nachzuvollziehen, dass etwa sechs Stunden Erkundung nicht jedermanns Sache ist. Sicher wird in Diskussionen der Begriff „Walking Simulator“ fallen und ganz abstreiten lässt sich dieser Vorwurf nicht. Die Interaktionen mit der Umwelt beschränken sich auf Gegenstände, welche wie Puzzleteile zusammengesetzt werden können und so eine eigene, kleine Geschichte erzählen.
Nach den ersten Stunden finden sich Entdecker und Abenteurer allerdings auf der rastlosen Suche nach eben diesen Kleinigkeiten, die diese Welt mit Geschichten füllen, wieder. Der hervorragende Grafikstil und die gelungene Umsetzung unterstützen nicht nur den Drang zu erkunden, sondern bieten, gepaart mit der dezenten, musikalischen Untermalung und großartigen Soundeffekten eine dichte und packende Atmosphäre.
Während am Morgen und am Abend jeweils der Auf- und Untergang der Sonne bestaunt werden kann, bietet auch der nächtliche Sternenhimmel eine Vielzahl von Motiven für Wallpaper. Der Verzicht auf ein Interface im herkömmlichen Sinne unterstützt die Wirkung der Landschaft und ohne eingeblendete Karte lernt der Spieler den Park tatsächlich kennen und kann sich, ohne ständig die Karte einzublenden, durch die Landschaft navigieren. Ein Wermutstropfen stellt leider die Performance auf PlayStation 4 dar. Einen Patch für die Vielzahl an Mikrorucklern und die gelegentlichen, heftigeren Stotterer gibt es derzeit nicht. Laut Campo Santo sollen besagte Umstände durch ein baldiges Update behoben werden.
Firewatch ist sehr speziell. Die Geschichte verliert gegen Ende ein wenig an Fahrt, die Interaktionen mit der Umwelt erfüllen selten einen „wirklichen Zweck“, dafür glänzt Campo Santo mit einer malerischen Landschaft und einer Authentizität, die es so selten gibt. Lässt man sich auf Firewatch ein, wird man mit einem sechsstündigen Trip durch eine wunderschöne Spielwelt belohnt, in der viel mehr der Weg das Ziel darstellt, als das eigentliche Ende des Titels. Optionale Kurzgeschichten finden sich verstreut in der Spielwelt wieder und laden zum Erkunden ein. Angesprochene Performanceprobleme stellen, neben dem geringen Effekt unserer Entscheidungen, die einzigen, wahren Kritikpunkte dar.
Story: Die Geschichte hinter Firewatch ist wenig spektakulär, zweckdienlich und verliert gegen Ende etwas an Fahrt.
Gameplay: Interaktionen mit der Umwelt beschränken sich auf ein Minimum. Die analoge Führung durch die Spielwelt weiß, ebenso wie Interaktionen über das Walkie-Talkie, zu gefallen.
Grafik: Hier macht Campo Santo alles richtig und wartet mit einem passenden, künstlerischen Stil und mit dem Tag- und Nachtwechsel mit ausreichend Abwechslung auf.
Soundtrack: Die Musik ist gut in Szene gesetzt und unterstreicht Dialoge und Bilder. Nicht zuletzt dient der Soundtrack als tragende Säule der Atmosphäre.
Sonstiges: Das Walkie-Talkie, Design, die einzigartige „Einsamkeit“, Emotionalität und Atmosphäre machen Firewatch zu dem einzigartigen Spielerlebnis, welches es ist.






