Visual Novels erfreuen sich seit einigen Jahren immer mehr an Beliebtheit im Westen. Zwar ist der Großteil dieser auf PCs zu Hause und viele werden dank Herausgebern wie Sekai Project oder MangaGamer auf Steam veröffentlicht, aber ein paar Spiele schaffen es mittlerweile auf den Handheld. Dazu zählen auch Otome Games, Visual Novels, die speziell an die weibliche Spielerschaft gerichtet sind. Der bekannteste Herausgeber, in dem Zusammenhang, ist wahrscheinlich Aksys Games, welcher sich die letzten Jahre sehr dafür eingesetzt hat, das Otome Genre im Westen bekannter zu machen und das mit Erfolg!
So bekommen wir nun auch Code: Realize ~Guardian of Rebirth~ zu Gesicht. Ein Steampunk-Fantasy-Abenteuer mit romantischen Elementen, welches auf PlayStation Vita zu Hause ist. Leider hat lediglich die US-Version einen Retail-Release bekommen und wir müssen mit einer digitalen Version aus dem PlayStation Store vorlieb nehmen. Sehr schade, aber es ist überhaupt erfreulich, dass das Spiel nicht, wie zum Beispiel bei Amnesia: Memories, nur digital im Westen erscheint.
Da Otomate dafür bekannt ist, Quantität über Qualität zu stellen, sind ihre Spiele oftmals eine Hit-or-Miss-Angelegenheit. Zum Glück scheint Aksys Games aber ein gutes Händchen zu haben, was die Auswahl bei den Lokalisierungen angeht, denn Code: Realize ~Guardian of Rebirth~ stellt sich als ein erstklassiger Vertreter des Genres heraus. Warum das so ist, erfahrt ihr in unserem Test!
„Steampunk im England des 19. Jahrhunderts“
Stellt euch vor, ihr müsstet euch vor der Welt verstecken, um niemandem versehentlich Schaden zuzufügen und vegetiert, völlig alleine in einer riesigen Villa, einfach nur vor euch hin. Klingt ziemlich einsam, oder? Cardia befindet sich seit zwei Jahren in so einer Situation, weil sie als Monster verschrien ist. Aus einem ihr unbekannten Grund fließt ein starkes Gift durch ihre Adern und dieses lässt bei bloßer Berührung nicht nur Gegenstände, sondern auch Lebewesen schmelzen. Auf Wunsch ihres Vaters, an den sie sich leider nicht erinnern kann, wartet sie alleingelassen in einer großen Villa auf seine Rückkehr.
Ihr einsames Leben findet jäh ein Ende, als Soldaten der britischen Armee die Villa stürmen, Cardia entführen wollen und ein Gentleman-Dieb namens Arsène Lupin dieses Vorhaben vereitelt. Lupin nimmt Cardia mit sich nach Steel London und wird fortan ihr Verbündeter auf der Suche nach ihrem Vater, der, wie sich herausstellt, ein sehr bekannter und talentierter Mann ist. Nur leider weiß niemand, was mit diesem passiert ist. Cardia hofft so, eine Lösung zu finden und das Gift aus ihrem Körper zu bekommen.
Code Realize ~Guardian of Rebirth~ spielt im England des 19. Jahrhunderts, im Viktorianischen Zeitalter, nimmt sich allerdings allerhand Freiheiten bei der Gestaltung der Geschichte. Die Charaktere basieren weitgehend auf bekannten, fiktionalen Figuren, aber auch historische Personen wie Königin Viktoria selbst sind mit von der Partie. Mit zu Lupins Team gehört der Mechaniker Impey Barbicane und im weiteren Verlauf der Geschichte stoßen weitere Charaktere, wie Abraham Van Helsing, Victor Frankenstein und Saint-Germain mit dazu.
Was natürlich bei einem Otome-Game nicht fehlen darf, ist die Möglichkeit, einer Auswahl von hübschen Männern näherzukommen, ihre Charakter-Route zu bestreiten und am Ende ein (glückliches) Ende mit ihnen zu sehen. So erlebt ihr das Abenteuer aus der Sicht von Cardia und dürft an bestimmten Stellen selbst entscheiden, was ihr tun möchtet, um damit Pluspunkte bei eurem Favoriten zu sammeln. Code Realize ~Guardian of Rebirth~ ist nun allerdings kein Spiel, welches die Romanze direkt in den Vordergrund stellt, sondern sich mehr auf die Handlung konzentriert. Jeder der Charaktere verfolgt sein eigenes Ziel, was sie letztendlich dazu bringt, mit der Heldin zusammenzuarbeiten. Hierbei ist jedes Kapitel sehr fesselnd und unterhaltsam gestaltet und die Gruppe erlebt die unterschiedlichsten Abenteuer in Steel London. Sehr schön mit anzusehen ist vor allem, dass keiner wirklich zu kurz kommt oder in Vergessenheit gerät und alle ihre eigene (tragische) Hintergrundgeschichte haben, die ihr, je nachdem, welchen Weg ihr einschlagt, zu Gesicht bekommen werdet.
Cardia lässt sich zu Anfang noch als eine emotionslose Puppe bezeichnen, die den Sinn des Lebens verloren hat und alles mit sich machen lässt. Zum Glück hält dies nicht lange an, denn nachdem sie längere Zeit Kontakt zu anderen Leuten hat, verändert sich ihre Persönlichkeit zum Positiven. Sie lässt sich nicht den Mund verbieten, teilt kräftig aus und wenn sie in Gefangenschaft gerät, befreit sie sich mal eben selbst aus der Situation. Manchmal bringt sie sogar ihre männlichen Kameraden zum Staunen mit ihren Fähigkeiten.
Einen Großteil zur gelungenen Steampunk-Atmosphäre trägt das Design der Hintergründe und der Kleidung, sowie die musikalische Untermalung bei. Auch fällt es positiv auf, dass sich der Entwickler wirklich Gedanken um den Hintergrund des Settings gemacht hat und eigene Ideen darauf basierend umgesetzt wurden. Mithilfe eines Glossars werden wissenswerte Dinge erklärt, sowohl aus der wirklichen damaligen Zeit, als auch die Abänderungen dieser für das Spiel. Alchemie, dampfbetriebene Maschinen und Luftschiffe nehmen allesamt eine wichtige Rolle ein. Steampunk-Fans werden hier voll auf ihre Kosten kommen.
„Eine lobenswerte japanische Synchronisation“
Die im Spiel verteilten Bilder und das Artwork kommen qualitativ hochwertig daher. Leider wirken die Charaktere in Gesprächen dagegen nicht sehr lebendig, da sie lediglich zwischen einigen festgelegten Posen hin und her wechseln. Ein Lob hat die japanische Synchronisation verdient, die mit so einigen bekannten Sprechern wie Tetsuya Kakihara, Yuuki Kaji und Junichi Suwabe aufwarten kann. Zu schade, dass Cardia selbst ohne Stimme auskommen muss…
Völlig frei von Fehlern ist Code Realize ~Guardian of Rebirth~ leider nicht. Durch den Umfang der Geschichte wirkt es stellenweise etwas zu sehr in die Länge gezogen und nicht alles ergibt immer Sinn. Es gibt Elemente, die nicht direkt zum London der Zeit passen und eher an futuristische Werke erinnern. Zudem schleichen sich ab und zu mal Fehler in den englischen Texten ein, die besonders im späteren Verlauf sehr auffällig sind. Gerade bei einer Visual Novel stört so etwas schnell den Lesefluss. Wenn ihr an dem interessiert seid, was die Charaktere auf Japanisch sagen, dann müssen erst einmal die Optionen im Soundmenü entsprechend eingestellt werden. Die Standardeinstellung ist nämlich nicht ideal, weil man die Charaktere kaum versteht.
Um die gesamte Geschichte zu erfahren, werdet ihr mehrere Spieldurchgänge starten müssen. Sobald ihr einmal mit dem Spiel durch seid, stehen euch einige Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder startet ihr ganz von vorne und überspringt alles bereits Gelesene oder aber ihr stellt ein, ab welchem Kapitel ihr spielen wollt. Ihr müsst noch nicht einmal darauf achten, was ihr während der Kapitel auswählt, sondern könnt direkt die Charakter-Route auswählen, die ihr haben möchtet. Da es so einige schlechte Enden gibt, sollte vor jeder Auswahl gespeichert werden. Hier kann auch eine Schnellspeicherfunktion genutzt werden. Wer sich im Bereich der Visual Novels auskennt, der wird diese Funktionen sehr zu schätzen wissen, da sie eine Menge Zeit sparen können.
Zum Weiterklicken der Texte steht euch zusätzlich der Vita-Touchscreen zur Verfügung und wer darauf keine Lust hat, kann auch einstellen, dass der Text automatisch weiterläuft. Dazu gesellt sich eine Funktion, mit der ihr bereits gelesene Texte noch einmal nachschlagen und notfalls sogar an beliebige Stellen zurückspringen könnt. Nach und nach werden einige Extras freigeschaltet wie Bilder, Musik und Kurzgeschichten für alle fünf Hauptcharaktere.
Fazit
Code Realize ~Guardian of Rebirth~ ist ein sehr gelungenes, aber eher untypisches Otome-Game, was in erster Linie Wert auf Setting, Handlung und Charaktere legt. Insgesamt ist die Geschichte spannend und unterhaltsam gestaltet und bietet eine ausgezeichnete Steampunk-Atmosphäre. Sie zieht sich allerdings an einigen Punkten etwas zu sehr in die Länge und ist nicht frei von Fehlern. Die Romanze steht eher an zweiter Stelle, aber natürlich kommen trotzdem genug entsprechende Szenen vor, wenn ihr weiter in Charakter-Routen voranschreitet. Um die gesamte Geschichte in Erfahrung zu bringen, müsst ihr alle Routen lesen, denn erst dann werden alle Geheimnisse aufgedeckt. Ein Must-Have für Genrefans und auch für diejenigen einen Blick wert, die nur wegen des Settings an sich Interesse an dem Spiel haben und nicht darauf aus sind, ihren Auserwählten zu daten. Die Visual Novel komplett in Englisch und nur mit einer japanischen Synchronisation versehen.