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Im Test! Twin Mirror

TitelTwin Mirror
Japan01. Dezember 2020
Dontnod Entertainment, Bandai Namco
Nordamerika01. Dezember 2020
Dontnod Entertainment, Bandai Namco
Europa01. Dezember 2020
Dontnod Entertainment, Bandai Namco
SystemPC, PlayStation 4, Xbox One
Getestet fürPlayStation 4
EntwicklerDontnod Entertainment
GenresAdventure
Texte
Deutschland Nordamerika 
VertonungNordamerika 

Mit der mysteriösen, übernatürlichen Geschichte rund um Max und Chloe in „Life is Strange“ machten sich die Entwickler DONTNOD einen Namen. Damit etablierte sich das Studio als gute Geschichtenerzähler, die ebenfalls tiefgehende Charaktere schreiben können. Jedoch glänzten die nachfolgenden Spiele nicht unbedingt wie Life is Strange. Ob das neueste Werk „Twin Mirror“ an den Erfolg anknüpfen kann, erfahrt ihr in den kommenden Zeilen.

Eine Beerdigung zum Wiedersehen

Wir befinden uns in Basswood, einer kleinen Stadt in West Virginia (USA), die in ihrer Vergangenheit hauptsächlich vom Bergbau lebte. Diese Zeiten sind jedoch lange vorbei. Vor einigen Jahren erschien ein Zeitungsartikel, der auf die Missstände in der Mine hinwies. Daraufhin wurde diese geschlossen und viele verloren ihre Jobs. Redakteur dieses Artikels ist Sam Higgs. Er schwor sich eigentlich, nicht mehr in die Stadt zurückzukehren. Zum einen wegen des Artikels, des Weiteren verbindet er weitere persönliche Schmerzen mit der Stadt.

Mit dem Tod seines damaligen besten Freundes Nick ändert sich jedoch die Situation. Gedankenringend stellt er sich gleich zu Beginn immer wieder die Frage, ob es die richtige Entscheidung ist, zur Beerdigung und anschließenden Trauerfeier zu fahren. Mit sich hadernd und auch durch äußere Umstände geht er zumindest zur Trauerfeier. Dort ist er nicht von allen Personen gern gesehen. Trotz seiner gemischten Gefühle schafft er es, seinem besten Freund die letzte Ehre zu erweisen.

Hier ein Plausch mit einem alten Bekannten, dort einem nichtssagenden Gespräch zugehört, landet er letztlich an der Bar. Es kommt, wie es kommen musste. Sam trinkt einen über den Durst, wacht am nächsten Morgen verkatert und mit großen Erinnerungslücken in seinem Hotelzimmer auf. Als wäre das noch nicht schlimm genug, entdeckt er Blutflecken auf seinem Shirt, die nicht von ihm sind. Zwar wollte Sam Basswood so schnell wie möglich verlassen, doch nun gilt es, den eigenen Erinnerungen und der möglichen Tat auf den Grund zu gehen. Dabei stößt er auf weitere Geheimnisse im Stadtleben.

Solide Krimigeschichte oder psychologischer Thriller?

»Die besondere Stärke von DONTNOD sind ihre Erzählungen. Sind diese schlecht umgesetzt, stürzt dies im Grunde das gesamte Spiel in den Abgrund. Leider ist das in Twin Mirror hin und wieder der Fall.«

Die besondere Stärke von DONTNOD sind ihre Erzählungen. Sind diese schlecht umgesetzt, stürzt dies im Grunde das gesamte Spiel in den Abgrund. Leider ist das in Twin Mirror hin und wieder der Fall. Wie jeder gute Krimi startet das Spiel relativ seicht und mit einem kurzen Schockmoment, um die eigentliche Handlung in Gang zu bringen. Im Grunde steigt die Spannungskurve auch nicht weiter. Ich hatte während des Spielens nie das Gefühl, ich würde von der Handlung mitgerissen und müsse unbedingt wissen, wie es weitergeht. Meistens dümpelte die Geschichte so vor sich hin.

Grund dafür ist die sehr lineare Erzählstruktur. Sam und seine Umgebung geben einem immer die Handlung mehr oder weniger vor. Nur selten musste ich richtig grübeln, um an mein Ziel zu kommen. Das gilt sowohl für die zwischenmenschlichen Unterhaltungen als auch spielerischen Interaktionen. Entsprechend hatte ich das Gefühl, dass bis zum Ende nichts sonderlich Großartiges passiert, mit Ausnahme vom letzten Akt. Vieles kannte ich bereits aus Krimiserien oder -filmen. Die größeren Geheimnisse werden ebenfalls erst im letzten Atemzug beantwortet, wenn die „richtigen“ Entscheidungen getroffen wurden.

Nun kann man sagen, das gehört zu solchen Spielen dazu. Diese Aussage würde ich insoweit auch unterstützen. Dann möchte ich in meiner Handlung jedoch Hinweise oder Vermutungen finden, die zur Auflösung des eigentlichen Geheimnisses beitragen. Es wirkt sehr lieblos, wenn plötzlich in den letzten 15 Minuten mehr oder weniger aus dem Nichts alles entschlüsselt wird. Wie bereits erwähnt auch nur beim „richtigen“ Ende. Ansonsten erhält man die Antwort nicht. Einen großen Wiederspielwert konnte ich dem Spiel ebenfalls nicht entnehmen. Dafür war es mir zu linear und die präsenten Entscheidungsmöglichkeiten zu banal.

Entscheide sich, wer kann

Apropos Entscheidungsmöglichkeiten. Diese gibt es wie in jedem Spiel des Entwicklerstudios und sie beeinflussen die Handlung. Wobei ich sagen muss, so richtig Einfluss haben sie recht wenig, und zwar nur in den Gesprächen, die Sam führt. Auf seiner Reise ist er nämlich nicht allein. An seiner Seite befindet sich ein zweiter Sam in seinem Kopf. Er ist quasi seine gute Fee und hilft Sam in vielen Gesprächen, schlägt ihm vor, wie er möglichst ehrlich antworten oder Handlungen tätigen sollte.

Sam selbst als Charakter ist im Gegenzug eher der introvertierte Typ. Er mag es nicht gerne mit Leuten zu reden und verlässt sich mehr auf die Fakten. Des Weiteren kann er nicht gut mit emotionalen Gesprächen umgehen. An solchen Punkten taucht dann der innere Sam auf und versucht in auf die richtige Spur zu leiten. Im Laufe des Spiels sympathisierte ich mit beiden Sams und fand die beiden ein gutes Gespann. Es war irgendwie schön zu sehen, wie jemand, der sehr verschlossen war, offener gegenüber seiner Welt wird. Solche zwischenmenschlichen Interaktionen sind die Stärke des Spiels.

Zwar ist und bleibt Sam Mittelpunkt der Handlung, dennoch sind gerade diese Interaktionen schön anzusehen. Wie Sam mit alten Konflikten nun besser umgeht, Beziehungen mit den Charakteren aufbaut und sich teilweise selbst dazu zwingen muss. Wie eine Umgebung einen Menschen beeinflusst, haben DONTNOD gut dargestellt. So mochte ich es, mit den Personen in der Stadt zu reden und das eventuell auch länger, als es nötig war.

Eine Entscheidung, die Sam treffen kann, ist es, Gespräche einfach abzubrechen, wenn er quasi keine Lust mehr hat, seinem Gegenüber zuzuhören. Als Spieler konnte ich mich also eher auf die faktische oder emotionalere Seite von Sam schlagen. In handlungswichtigen Gesprächen präsentierte sich der innere Sam vor mir und ich musste letztendlich eine spielentscheidende Option wählen. Bleibe ich bei den Fakten und verheimliche eventuell Sachen beziehungsweise bleibe eher in mich gekehrt? Oder ich wähle den inneren Sam und wähle die offene Haltung. Je nachdem, wie ich mich entschied, reagierten die Personen anders.

Zwar wurden mir diese Entscheidungen vor die Füße geworfen, jedoch hatte ich nie das Gefühl, dass sich dadurch wesentliche Handlungsstränge ändern. Vielmehr ändern sich nur die Antworten von den Gesprächspartnern. Am Ende läuft die Geschichte auf das linear vorgegebene Ziel hinaus. Egal, ob ich mich offen oder verschlossen verhalte. An dieser Stelle sind SpielerInnen selbst gefragt. Ich hätte gerne mehr Konsequenzen für meine Entscheidungen gehabt.

Mehr als nur Gedanken

Natürlich gibt es in Twin Mirror nicht nur eine Handlung. Um den Geschehnissen auf den Grund zu gehen, besitzt Sam seinen sogenannten Gedankenpalast. In diesen zieht er sich zurück, um bestimmte Entscheidungen in Ruhe zu überdenken, verschiedene Szenarien zu simulieren, Rätsel zu lösen oder alte Erinnerungen aufleben zu lassen. Letzteres begegnet euch hin und wieder in der Spielwelt. Diese kleinen Erinnerungen geben Sam noch einmal ein wenig mehr Charakter.

Die anderen Punkte helfen euch unter anderem dabei, Sams Erinnerungen von der vergangenen Nacht zurückzuholen. Dafür begebt ihr euch zurück in die Bar und sucht nach Hinweisen, die den Tathergang rekonstruieren. Das mag relativ simpel klingen und im Grunde ist es das auch. Nichtsdestotrotz gelingt es dem Spiel nicht, dies sauber auf die Kette zu bekommen. Einige Hinweise sind gefühlt unsichtbar. An mehreren Stellen musste ich quasi Meter für Meter abklappern, weil kein Untersuchungssymbol auftauchte.

Das war insoweit nervig, weil dadurch weitere Hinweise am Tatort nicht freigeschaltet wurden, die ich aber bereits erkannt hatte. So musste ich unnötig viel Zeit für die Suche verschwenden. Zwar gehört in einem Krimi dazu, Hinweise zu suchen. Ich bin allerdings der Meinung, diese sollten so platziert werden, dass diese für alle SpielerInnen passend erkennbar sind, ohne dass Frust aufkommt. Der Frust entsteht nicht bei jeder Suche, kam für mich jedoch oft genug vor, um mein Spielgefühl zu trüben.

Ein Spiel von DONTNOD

Grafisch erkennt man auf den ersten Blick, dass es sich bei Twin Mirror um ein Spiel von DONTNOD handelt. Die Charaktermodelle der Protagonisten und Nebencharaktere sind gut ausgearbeitet. Bei den restlichen NPCs lassen die Gesichtsanimationen teilweise zu wünschen übrig, das ist allerdings kein Beinbruch. Gleiches gilt für die Umgebung. Ich würde sie als „sie ist halt da“ beschreiben. Nichts ist mir in dem Spiel sonderlich aufgefallen. Das gilt sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.

Einziger Unterschied dazu ist der Gedankenpalast von Sam. Dieser wirkt recht leer. Zwar spielen sich dort seine Erinnerungen ab, jedoch wirkt es dafür zu klar. Bis auf die eigentliche Erinnerung gibt es dort kaum andere Dinge zu sehen im Hintergrund. Es sind einfach ein blauer Himmel oder Kristalle zu erkennen. Ein wenig mehr Liebe zum Detail wäre wahrscheinlich nicht unangebracht gewesen, zumal der Palast ein zentrales Feature ist.

»Bei der Musik setzt DONTNOD erneut auf melancholische Klänge, die vor allem in den Zwischensequenzen die richtigen Akzente setzen.«

Bei der Musik setzt DONTNOD erneut auf melancholische Klänge, die vor allem in den Zwischensequenzen die richtigen Akzente setzen. Abseits davon taucht bei Sams Untersuchungen hin und wieder eine seltsame Denkmusik auf. Bei meinem Spieldurchlauf störte mich diese Musik, da sie mir die falschen Akzente beim Überlegen gegeben hat. Wenn ich mich auf die Hinweise konzentrieren wollte, störte mich die Musik bei meinen Überlegungen, statt zu unterstützen.

Wie ein mittelmäßiger Tatort

Twin Mirror wirkt sehr ungeschliffen. Erst gegen Ende des Spiels nimmt die Handlung mehr Fahrt auf, wird jedoch nur richtig spannend, wenn man das passende Ende findet. Ansonsten bleibt das eigentliche Fragezeichen bis zum Ende ungelöst. Zumal es kaum Hinweise für SpielerInnen gibt, damit man selbst darauf kommen könnte. Es wird einem irgendwie gegen Ende hingeworfen. Nach dem Motto „das solltet ihr noch gehört haben“. Das hätte man sicherlich besser darstellen können.

Einziges Highlight ist die charakterliche Darstellung von Sam und wie dieser mit seiner Umgebung und seinen Mitmenschen umgeht. Wer also gerne Geschichten mit guten Charakterdarstellungen spielt, kann sich Twin Mirror durchaus anschauen. Würde diese Darstellung noch auf eine gute Krimigeschichte treffen, hätte es mich mehr überzeugt.

 

Story

Geheimnisse in einer kleinen, amerikanischen Stadt, in die der Protagonist Sam irgendwie hineingerät, obwohl er der Stadt den Rücken kehrte.

Gameplay

Klassische DONTNOD-Erzählung mit Entscheidungen, die nur Einfluss auf die Gespräche haben und nicht auf die Handlung.

Grafik

Fällt weder positiv noch negativ auf.

Sound

Melancholische Klänge, die die Zwischensequenzen unterstreichen.

Bildmaterial: Twin Mirror, Bandai Namco, Dontnod Entertainment, Shibuya Productions