Titel | Persona 5 |
15.09.2016 | |
Atlus | |
04.04.2016 | |
Atlus USA | |
04.04.2016 | |
Deep Silver | |
Systeme | PS3, PS4 |
Getestet für | PS4 |
Entwickler | Atlus |
Genres | JRPG |
Texte |
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Vertonung | |
Als Persona 5 Ende 2013 für das Folgejahr angekündigt wurde, hätten vermutlich selbst die pessimistischeren Spieler damit gerechnet, dass wir uns noch bis 2017 gedulden müssen. Momentan befinden wir uns in einer historischen Phase: Zahlreiche langerwartete Titel, die mit Bestwertungen überhäuft werden, sind seit Anfang des Jahres in dichter Folge erschienen. Dazu gehört ohne Zweifel auch Persona 5. Das ist kein Wunder, denn für dieses Spiel lassen sich viele lobende Worte finden. Doch bei all der Begeisterung muss auch Kritik geübt werden, denn es gibt signifikante Schwachpunkte, die in den euphorischen Lobeshymnen nur allzu leicht untergehen.
Die Phantomdiebe schlagen zu
„We’ve come to take your heart“ – das ist der Leitspruch von Persona 5. Die Geschichte dreht sich um eine Gruppe von Phantomdieben, die ihre übernatürlichen Fähigkeiten dazu nutzen, dort einzugreifen, wo das Gesetz versagt. Es ist eine heißblütige Geschichte über Jugendliche, die sich als Außenseiter der Gesellschaft sehen – Rebellen, die ihrer eigenen Form von Gerechtigkeit nacheifern.
Die Phantomdiebe haben die Kraft, einen Sinneswandel in anderen Menschen herbeizuführen. Dazu müssen sie in den Palast dieser Person – einer verzerrten Darstellung der inneren Gedankenwelt – eindringen und einen Schatz stehlen. Die Handlung kann wie in Persona 4 in klar voneinander getrennte Abschnitte unterteilt werden: Für jeden Kriminellen, der das Ziel der Phantomdiebe wird, gibt es einen Dungeon. In jedem Dungeon schließt sich ein neuer Charakter der Gruppe an. Vor und nach jedem Dungeon gibt es eine gewisse Leerlaufzeit, in denen der Spieler frei diversen Tätigkeiten nachgehen kann.
Das Konzept der Handlung ist äußerst ansprechend. Es ist jugendlich, es ist unverbraucht, es steht stellvertretend für die Gefühle einer gesamten Gesellschaftsgruppe. Und, das ist vielleicht das Wichtigste, es wird unheimlich stilvoll in Szene gesetzt. Katsura Hashino und sein Team haben sich hier kreativ richtig ausgetobt: Viele Ideen wird man in keinem anderen Videospiel wiederfinden.
Das ist allerdings nur die Oberfläche, denn schnell merkt man, dass Persona 5 im Kern sehr, sehr nah am Vorgänger ist. Die Idee hinter den Dungeons als Manifestation der inneren Gedankenwelt eines Menschen ist beinahe identisch. Der erste Dungeon könnte vom Design gar ein Teil von Catherine sein. Die gesamte Spiel- und Handlungsstruktur von Persona 5, vom ersten Schultag bis zum letzten Bossgegner, wird Serienfans sehr bekannt vorkommen und höchstens im Detail, aber nicht im Ablauf überraschen. Lediglich, dass das Spiel mit einem Ereignis aus dem späteren Spielverlauf beginnt, ist gänzlich neu.
Mehr noch als die Handlung selbst, stehen in den modernen Persona-Spielen jedoch immer die Charaktere im Vordergrund. Persona 3 startete mit einer Gruppe von Personen, die zunächst ein sehr distanziertes, gar kaltes Verhältnis zueinander hatten. Es war leicht, einige von ihnen nicht zu mögen. Doch die Handlung hat auf glaubwürdige Weise vermittelt, wie sehr die Umstände, denen die Figuren ausgesetzt waren, sie zusammengeschweißt hat und wie die Charaktere an den Problemen, denen sie sich stellen mussten, gewachsen sind.
Persona 4 hat einen beinahe gegenteiligen Ansatz gewählt: Eine freundschaftliche Wärme war von Anfang an vorhanden und die Entwicklung der Figuren wurde über ein Ereignis – der Konfrontation mit den eigenen Schwächen und Ängsten – definiert, nicht über die gesamte Handlung. Es war sehr leicht, ein enges Verhältnis zur Gruppe aufzubauen.
Persona 5 geht eher den Weg von Persona 4, hat aber zunächst keinen ganz so engen Gruppenzusammenhalt. Jeder Charakter hat in der Regel einen emotionalen Wendepunkt, der nicht ganz so sehr in Szene gesetzt ist wie in Persona 4. Es dauert eine ganze Weile, bis die ganze Gruppe beisammen ist, weshalb sich die Dynamik innerhalb der Gruppe im Spiel auch mehrfach ändert, weshalb es nie zu monoton wird. Die emotionalen Höhepunkte der Vorgänger werden nie ganz erreicht, aber als Spieler hat man trotzdem bald ein enges Band zu den Figuren geknüpft.
Einige Momente der Charakterentwicklung wirken nachvollziehbar, andere zu simplifiziert oder überzeichnet. Es liegt ein schmaler Grat zwischen bewegenden und überinszenierten Dialogen und bei all dem guten Drama gibt es auch Momente, die sehr von Anime-Kitsch triefen und dadurch an Authentizität einbüßen.
Die Handlung selbst wartet im späteren Verlauf mit einigen spannenden Wendungen auf, aber überspannt bisweilen das Maß der Glaubwürdigkeit. So wird das Thema der „bösen Erwachsenen“ deutlich zu dick und aufgetragen und einseitig dargestellt, während die Selbstgerechtigkeit der Phantomdiebe nicht kritisch genug hinterfragt wird. Die Bevölkerung Japans wird als dumme Masse dargestellt, die sich je nach Situation extrem einfach mal in diese, mal in jene Richtung manipulieren lässt und zu kritischem Denken nicht fähig ist – keine besonders elegante Art des Storytellings. Auch schade ist, dass die Antagonisten alle als Bösewichte schlechthin dargestellt werden – nach Catherine, das bewusst auf Schwarzweißmalerei verzichtet hat, etwas enttäuschend. Teilweise wirken sie auch zu sehr wie ein Mittel zum Zweck, denn man lernt manche Gegenspieler nicht einmal kennen, bevor man ihren Dungeon betritt. Löblich hingegen ist, dass die Motivationen aller Protagonisten gut fundiert sind und kein Charakter zur sehr im Hintergrund steht – alle bleiben vom ersten Moment bis zum Ende des Spiels relevant und haben eine starke Präsenz, was bei RPGs mit vielen spielbaren Charakteren keine Selbstverständlichkeit ist.
Unterm Strich ist die Handlung letztlich leider nur mittelmäßig – am stärksten glänzt das Spiel in den alltäglichen, nicht in den dramatischen Momenten. Das Gruppengefühl hingegen wurde wieder gut umgesetzt und ist nach wie vor ein großer Reiz der Persona-Spiele.
Bekanntes Spielprinzip mit Feinschliff
Die größte Neuerung in Persona 5 sind die Dungeons, die nun nicht mehr zufallsgeneriert sind, sondern durchdacht gestaltet und mit interaktiven Elementen wie Sprungpassagen, Geheimgängen und kleinen Rätseln ausgestattet sind. Visuell wie auch spielerisch ist das ein riesiger Sprung nach vorn. Störend ist höchstens, dass man Gegnern noch immer nur schwerlich aus dem Weg gehen kann, was insbesondere dann nervenaufreibend werden kann, wenn die Gegner nach dem Verlassen einer Zone wieder respawnen.
Das Kampfsystem ist ein wunderbarer Beweis dafür, wie sehr rundenbasierte Systeme in der heutigen Zeit noch funktionieren können. Man steuert vier Charaktere, von denen alle eigene Skills haben. Der Hauptcharakter kann wie in den Vorgängern eine Vielzahl von Personas ausrüsten und somit alle möglichen Fähigkeiten ausführen. Die Kämpfe spielen sich recht flott, haben strategische Tiefe und der Schwierigkeitsgrad ist angemessen. Bosskämpfe können auf höheren Schwierigkeitsgraden durchaus herausfordernd sein, normale Kämpfe gewinnt man hingegen oft nach einer Runde, wenn man die Gegner aus dem Hinterhalt angreift und ihre Schwächen ausnutzt, was ja in den meisten modernen Shin-Megami-Tensei-Spielen der Schlüssel zum Sieg ist.
Einen zufallsgenerierten Dungeon gibt es allerdings auch noch. Der ist größtenteils optional, hält aber viele nützliche Schätze bereit. Das Design wird leider schnell monoton, denn die zugrundeliegenden Algorithmen sorgen leider für wenig Variation: Jedes Stockwerk ist ähnlich aufgebaut, die Interaktionsmöglichkeiten der normalen Dungeons fehlen gänzlich und die gelegentlichen Skin-Wechsel helfen auch nur marginal.
In seiner Freizeit kann man außerhalb der Dungeons auch viele andere Dinge tun: Mit anderen Charakteren interagieren, für die Schule lernen, seine sozialen Fähigkeiten verbessern, kleine Minispiele spielen, sich neue Ausrüstung kaufen, Personas fusionieren, Bücher lesen, Filme gucken und mehr.
Die optionalen Interaktionen mit Haupt- und Nebencharakteren – früher Social Links, nun Confidants genannt – sind inhaltlich fast alle solide bis gut. Wie in den Vorgängern kann man mit einer Vielzahl unterschiedlicher Personen, vom besorgten Schulfreund bis zum frustrierten Politiker, interagieren. Je näher man einem Confidant kommt, umso mehr steigt sein Level bis zu einem Maximum von Zehn. Jeder Levelanstieg ist an ein einzigartiges Event gekoppelt. Etwas unglaubwürdig ist wieder, wie schnell die Figuren dem Hauptcharakter ihre Probleme offenbaren und wie sehr sie ihn nach einer gewissen Weile regelrecht als Heiland anbeten, obwohl der Spieler nichts anderes tut, als gelegentlich eine Antwort zu geben. Das ist allerdings ein typisches Problem der meisten Social- und Dating-Simulationen. Leider sind diese Interaktionen wieder größtenteils losgelöst von der Haupthandlung: In Story-Events wird nie Bezug auf Dinge genommen, die man im Rahmen der Confidant-Interaktionen getan oder erfahren hat, was stellenweise sogar zu Inkonsistenzen führen kann. Erfreulich ist aber, dass die Interaktionen nun spielerisch einen größeren Einfluss haben, denn jeder Confidant schaltet mehrere aktive oder passive Effekte frei, wenn man ihm näherkommt – Dinge wie mehr Erfahrungspunkte, höhere Fluchtwahrscheinlichkeiten oder die Möglichkeit, Essen für den nächsten Dungeon-Besuch zuzubereiten.
Wer Persona 5 spielt, sollte textlastige Spiele definitiv mögen, denn abseits der Kämpfe laufen die meisten Aktivitäten rein durch Text-Events ab. Es gibt zwei, drei kleine Minispiele, die alle äußerst simpel sind, aber abgesehen davon wird der Spieler quasi nie zur Interaktion aufgefordert, von regelmäßigen Antwortmöglichkeiten in Dialogen mal abgesehen. Hier wäre auf jeden Fall noch Luft nach oben gewesen.
Die größte Stärke des Gameplays von Persona 5 ist, dass es extrem kurzweilig ist und sehr einfachen, erfüllenden Spaß bietet. Die Segmente sind stets in angenehme Portionen unterteilt, es gibt jede Menge zu tun und man hat ein stetiges Gefühl von Fortschritt. Dadurch, dass dem Spieler nur begrenzte Zeit für alles zur Verfügung steht, wirkt jede Aktivitäten wertvoll und der Spieler muss eigene Prioritäten festlegen, weshalb jeder Spieldurchgang etwas anders ist. Gelegentlich wird man leider noch ein bisschen zu sehr vom Spiel eingeschränkt: Wann immer ein Story-Event stattfindet, so kurz es auch sein mag, werden sämtliche Freizeitaktivitäten für diesen Tag blockiert, was gelegentlich frustrierend sein kann.
Es gibt auch zwei kleine Online-Features, die man beliebig an- und abschalten kann: Man kann jederzeit nachsehen, mit welchen Aktivitäten andere Spieler statistisch den aktuellen Tag verbracht haben, und in manchen Situationen in Kämpfen kann man sich von anderen Spielern helfen lassen (das läuft vollkommen automatisch ab). Aufs das eigentliche Spielgeschehen haben diese Funktionen minimalen Einfluss und sind daher als nette Gimmicks zu sehen.
Luft nach oben bei der Präsentation
Nach der Veröffentlichung der englischsprachigen Fassung des Spiels wurde die Lokalisierung teilweise stark kritisiert. Die Kritik war in vielerlei Hinsicht natürlich überzogen – das haben Plattformen wie Twitter und YouTube so an sich –, aber sie ist nicht ganz ungerechtfertigt. Während die Übersetzung in großen Teilen des Spiels sehr gelungen ist, gibt es in der Tat einige Stellen, die unnatürlich klingen, weil sie sich vom Wortlaut zu sehr am Japanischen orientieren. Hinzu kommen einige fragwürdige Entscheidungen und ein paar Tritte ins Fettnäpfchen: Dass die japanischen Namenssuffixe in Text und Ton beibehalten wurden, ist ungewöhnlich, aber nicht unbedingt störend. Dass hingegen Yen an einer Stelle als Dollar lokalisiert wurde und merkwürdig klingende Phrasen es teilweise bis ins Dubskript geschafft haben, legt leider die Vermutung nahe, dass die Lokalisierung unter großem Zeitdruck fertiggestellt werden musste und die Qualitätsprüfung nicht mehr alle Makel ausmerzen konnte.
Die Figuren wurden passend von englischen Sprechern besetzt. Erfreulich ist besonders, dass Morgana nicht nervig klingt, was bei Maskottchen-Figuren in japanischen Videospielen sonst oft der Fall ist. Was Spielern, die bereits viel gespielt haben, allerdings negativ auffallen könnte, ist, dass man die Sprecher alle schon mal gehört hat, oft auch in ähnlichen Rollen mit sehr ähnlichen Sprechweisen. Ein größeres Problem sowohl in der englischen als auch der japanischen Fassung ist jedoch, dass es oft keinen richtigen Dialogfluss gibt: Ebenso wie man sich durch die Textboxen klickt, klingen auch die Dialoge Zeile für Zeile eingesprochen. Alleinstehend hören sich die Sprechsegmente zwar gut und passend an, aber die Authentizität einer lebendigen Konversation zwischen Freunden wird nicht angemessen simuliert. Wenn ein Charakter beispielsweise von einem anderen unterbrochen wird, hört er mitten im Satz auf zu sprechen, doch bis die nächste Textbox und damit der nächste gesprochene Satz folgt, vergeht wieder eine Sekunde. Eine positive Neuerung sind die Anime-Portraits, die in verschiedenen Emotionslagen vorliegen, sich beim Sprechen nun bewegen und die gelegentlich auch mit ausdrucksstarken Effekten eingeblendet werden.
Das Spiel hat durchaus auch neben den Anime-Sequenzen richtige Cutscenes, in denen man sieht, wozu die Engine des Spiels eigentlich fähig ist. Leider macht das Spiel davon nur sehr, sehr selten Gebrauch. In mindestens 95 Prozent aller Szenen stehen sich die Figuren größtenteils statisch gegenüber und reden der Reihe nach. Dass Persona 5 zu einem cineastischen Erlebnis wird, hat sicher niemand erwartet, doch dass so selten das volle Potenzial der Präsentationsmöglichkeiten ausgenutzt wird, ist nach der langen Entwicklungszeit doch etwas enttäuschend.
Großes Lob gebührt dem Grafikstil des Spiels, der nicht nur unglaublich viel Ausdruck hat, sondern auch zu den besten Beispielen von Anime-Grafik in Videospielen gehört. In Menüs wirkt der individuelle Stil des Spiels teilweise etwas überwältigend, sodass man sich an die Navigation erst gewöhnen muss. Am Umgebungs- und Dungeondesign hingegen ist nichts auszusetzen. Auch Shoji Meguro hat mal wieder einen unverkennbaren und dennoch einzigartigen Soundtrack gezaubert, erneut mit vielen gesungenen Liedern, und diesmal auch mit vielen Stücken aus dem Acid-Jazz-Bereich, der sonst kaum in Videospielen repräsentiert wird. Die emotionalen Stücke sind insgesamt weniger eingängig als in den Vorgängern. Erneut positiv fällt hingegen auf, wie sehr die Musik die generelle Stimmung des Spiels prägt, ohne zu aufdringlich zu werden. Die Texte der Lieder passen zum Teil übrigens auch sehr gut zu den Themen des Spiels (insbes. „Beneath the Mask“).
Ein Spiel, das Herzen stiehlt
Story: Mitreißende Geschichte über Phantomdiebe, die inhaltlich und erzählerisch ein paar Probleme hat. Tolles Gruppengefühl und gut ausgearbeitete Charaktere.
Optik: Einzigartiger Stil, tolle Anime-Grafik und gelungenes Dungeon-Design. Mehr Anime-Zwischensequenzen als die Vorgänger.
Sound: Unverkennbarer und einzigartiger Soundtrack mit vielen gesungenen Stücken. Gelungene englische Sprachausgabe, allerdings mit wenig neuen Sprechern.
Sonstiges: Online-Funktionen als nette Gimmicks, japanische Sprachausgabe als kostenloser DLC. Keine deutschen Texte.