Jahr | 2015 |
Animation | Production I.G |
Publisher | Kazé |
Release | 28.10.2016 |
Genres | Historisch Biographie |
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Obwohl Animes in erster Linie natürlich ein Unterhaltungsmedium sind, kommt es hin und wieder vor, dass ein Werk mit einem besonderen kulturellen Hintergrund das Licht der Welt erblickt. Eines dieser Werke ist Miss Hokusai, ein Film über das Leben der von der Geschichte vergessenen Tochter des bekannten Ukiyo-e-Malers Katsushika Hokusai (1760-1849). Eines von Hokusais Werken kennt vermutlich jeder von euch: Die große Welle von Kanagawa.
Der Film basiert auf dem Manga „Sarusuberi“ der 2005 verstorbenen Edo-Expertin Hinako Sugiura und wurde vom renommierten Animationsstudio Production I.G (Ghost in the Shell, Guardian of the Spirit) unter der Regie von Keiichi Hara (Summer Days With Coo, Colorful) umgesetzt. Kazé hat den Film nun in Deutschland veröffentlicht und wir haben einen Blick darauf geworfen!
Über Miss Hokusai
Folgendermaßen beschreibt Kazé die Geschichte:
„Katsushika Hokusai ist einer der bedeutendsten Künstler Japans. Seine Holzschnitte sind in der ganzen Welt berühmt und beeinflussten europäische Meister wie van Gogh und Monet. Was jedoch kaum bekannt ist: Hokusai schuf seine Werke gemeinsam mit seiner Tochter…
Edo im Jahre 1814: Lange bevor er unter seinem Pseudonym Hokusai in die Kunstgeschichte einging, lebt der etablierte Künstler Tetsuzo in dem Großstadtchaos des späteren Tokyos und empfängt Klienten aus dem ganzen Land. Mal pinselt er einen riesigen Dharma auf einen 180 Quadratmeter großen Papierbogen, mal zwei Spatzen auf ein winziges Reiskorn. Der launige Mittfünfziger ist allerdings eher für die Qualität seiner Werke als für die Höflichkeit gegenüber seinen Kunden bekannt.
Tetsuzos dritte Tochter O-Ei steht ihrem Vater dabei weder an Temperament noch an Talent nach. Ihr ganzes Leben lang assistiert sie ihm in dessen Studio und oft ist sie es, die die Bilder an seiner Stelle malt – ohne dabei jemals genannt zu werden.“
Der Anime ist stilistisch größtenteils realistisch gehalten. Es gibt jedoch ein paar Traum- und Fantasieszenen, die in den Film einfließen: fantasievolle, schaurige und unzweifelhaft japanische Momente, die künstlerisch mit Hokusais Werken Hand in Hand gehen. Der Film beschäftigt sich darüber hinaus mit O-Eis Reifungsprozess: Hokusais Tochter meint zwar, alles zeichnen zu können und übertrifft ihren Vater sogar in mancherlei Hinsicht, hat aber noch keine romantischen oder sexuellen Erfahrungen gesammelt, weshalb ihre erotischen Bilder nicht mit denen ihres Vaters mithalten können.
Eine wichtige Rolle spielt O-Eis kleine Schwester, die schwächlich und blind ist. Hokusai ist zu feige, um seiner Tochter O-Nao gegenüberzutreten, denn er hat Angst, dass die Blindheit ansteckend ist und ist von Scham erfüllt, seine Tochter so sehr vernachlässigt zu haben. O-Ei hingegen pflegt eine enge Beziehung zu O-Nao, die für einige herzerwärmende Momente sorgt, und will ihren Vater davon überzeugen, ihr endlich gegenüberzutreten.
O-Nao kann zwar nicht sehen, aber hat eine ausgezeichnete Auffassungsgabe und eine rege Fantasie. In einer Szene wird während einer Bootsfahrt ihre Gedankenwelt als animiertes, klassisches Kunstwerk visualisiert – eine äußerst imposante Darstellung, die zu den beeindruckendsten Szenen im Film gehört.
Beim Schauen von Miss Hokusai stellt man sich als Zuschauer öfters die Frage, wohin die Geschichte überhaupt führen soll. Die Handlung gibt kein Ziel vor und sie arbeitet auch nicht auf ein großes Finale oder eine eindeutige Konklusion hin. Es gibt einen größeren Wendepunkt und es gibt einige bedeutsame Momente, doch die sind auch nur Teil des Lebens von O-Ei und werden nicht viel stärker in Szene gesetzt als andere Momente.
Das macht Miss Hokusai einerseits zu einem faszinierenden Film, der emotional kaum manipuliert und wie ein authentisches, biographisches Portrait einer von der Geschichte vergessenen Person wirkt. Andererseits werden viele Zuschauer den klassischen Handlungsaufbau, eine zielgetriebene Geschichte oder einen aussagekräftigen Abschluss vermissen.
Wie von Production I.G gewohnt, wurde Miss Hokusai ausgezeichnet animiert. Der Film besticht aber vor allem durch sein Design: Das historische Edo wird glaubwürdig in kräftigen Farben präsentiert und dem Zuschauer wird das Gefühl von authentischer, japanischer Kultur vermittelt, die zur damaligen Zeit weit weniger an westliche Werte und Bräuche angeglichen war als heute.
Interessant ist, dass die Musik teils historisch, teils sehr modern wirkt. In den Trailern wurde eine Hintergrundmusik mit Rock-Charakter gewählt und auch das Ending-Lied ist eindeutig moderner Natur. Erstaunlicherweise wirkt das nicht einmal befremdlich. Es verleiht dem Film einen etwas lebendigeren Grundton, der gut zu O-Eis Persönlichkeit passt, und hebt hervor, dass es sich nicht um eine staubtrockene Nacherzählung von O-Eis Leben handelt.
Die deutsche Umsetzung
Synchronstudio | VSI Synchron GmbH |
O-Ei | Mia Diekow |
O-Nao | Hanna Kunze |
Hokusai | Jürgen Kluckert |
Hatsugoro | Sven Gerhardt |
Kuninao | Konrad Bösherz |
Zenjiro | Jan Makino |
Für die deutsche Sprachfassung von Miss Hokusai hat Kazé die Berliner VSI Synchron GmbH beauftragt. Jeder Sprecher passt exzellent zum jeweiligen Charakter. Umso erfreulicher ist auch, dass die schauspielerische Leistung überzeugt. Mia Diekow in der Rolle von O-Ei leistet ausgezeichnete Arbeit. Lediglich Hannah Kunze als O-Nao überzeugt nicht so recht: Die Stimme der 9-Jährigen passt zwar zu einem Kind, doch die gesprochenen Passagen wirken meist recht steif und heben sich unangenehm von der sonst so natürlichen Performance der anderen Sprecher ab. Es ist sehr schwierig, talentierte Kindersprecher zu finden und wir loben deshalb trotzdem Kazés Mut, O-Nao nicht von einer älteren Sprecherin vertont haben zu lassen.
Das deutsche Skript ist sehr gelungen und respektiert das historische Setting des Animes, ohne in geschwollene, altertümliche Dialoge zu verfallen. An den Untertiteln ist ebenfalls nichts auszusetzen.
Der Standard-Edition von Miss Hokusai liegt ein Poster bei, muss aber ohne Bonusmaterial auskommen. Neben dem Film befinden sich lediglich ein gesondertes Credit-Menü und die übliche Trailershow auf der Disc. Wer Wert auf eine extravagante Special Edition und ein umfangreiches Making-of legt, muss sich bis zum 9. Dezember gedulden, denn dann erscheint die prunkvolle Sonderedition des Films mit vielen Extras und Bonusmaterial.
Fazit
Technische Daten & Extras
- Laufzeit: 90 Minuten
- Bild: 1080p High Definition
- Audio: Japanisch (DTS-HD Master Audio 5.1), Deutsch (DTS-HD Master Audio 5.1)
- Untertitel: Deutsch (weiße Schrift, schwarzer Rand)
- Bonusmaterial: –
- Extras: Poster
- Altersfreigabe: ab 6