Der fünfte Teil der Star-Ocean-Reihe hat zwar gut sechs Jahre auf sich warten lassen, dennoch blieb es nach der Ankündigung und zwischen japanischem und Europa-Release nicht still um den Titel. Die negativen Meinungen häuften sich zum Zeitpunkt der Erscheinung von Star Ocean: Integrity and Faithlessness. Mit dem bekannten Entwickler-Team und einer recht soliden Fanbase konnte da eigentlich wenig schief gehen, doch scheinbar war das weit gefehlt.
Mit etwas Verspätung haben auch wir einen Blick auf den umstrittenen Star-Ocean-Ableger Numero fünf geworfen. So viel sei im Vorfeld gesagt, ein Totalausfall ist Star Ocean: Integrity and Faithlessness sicher nicht. Die trotzdem vorhandenen Ecken und Kanten der PS4-Premiere sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Einen Einblick gibt es im folgenden Test zu Star Ocean: Integrity and Faithlessness.
Entwicklungshilfe im Weltall
Die Geschichte von Star Ocean: Integrity and Faithlessness lässt sich grob zwischen dem zweiten und dritten Teil einreihen. Nice to know für Serienkenner, aber eine beiläufige Information für Neulinge, die keinerlei Vorkenntnisse benötigen. Der Planet Feikreed stellt den Schauplatz der Geschehnisse dar um den Protagonisten Fidel, der sich mit seiner Kindheitsfreundin Miki auf den Weg macht, das Königreich Resulia in einem Bürgerkrieg zu unterstützen. Durch einen Zufall trifft er auf das mysteriöse Mädchen Relia, welches unter Amnesie zu leiden scheint. Das Mädchen schließt sich der Truppe an und, wie man vermuten kann, bringt das zwangsläufig Probleme mit sich. Im Laufe der Geschichte wächst die Gruppe auf sieben Mitglieder an, die zwar alle recht wenig Charakterentwicklung zeigen, jedoch das ein oder andere Story-technische Ass im Ärmel haben. Gerade das dubiose Duo bestehend aus Anne und Emmerson trägt später noch seinen Teil zur Fortführung der Story bei.
Wer kein unbeschriebenes Blatt im JRPG-Sektor ist, der wird im Großen und Ganzen nicht überwältigt sein vom Verlauf der Handlung. Alles wirkt bekannt und man wird kaum wirklich überrascht. Der vorhersehbaren Story wird dazu noch mit der neuen Art, Cutscenes einzusparen, der Wind aus den Segeln genommen. In Star Ocean: Integrity and Faithlessness verzichtet man nämlich vornehmlich auf den Einsatz der typischen Story-Sequenzen und greift einfach auf eine Art Echtzeitkonversation zurück, in der man den Charakter, so scheint es, frei bewegen kann. Die Entwickler klopften sich mit den Worten, so würde man Immersion und Zeitersparnis erreichen, selbst auf die Schultern.
Das Ergebnis sind hingegen leider Dialoge ohne Atmosphäre und weniger Immersion als mit vorgerenderten Szenen. Es kann sogar vorkommen, dass man kurzzeitig die Aufmerksamkeit auf den Plot verliert, nur weil man damit beschäftigt ist, den richtigen Kamerawinkel zu finden oder einfach kurz nicht aufpasst. Dass man diese Szenen obendrein nicht einmal überspringen kann, wenn man sie schon einmal gesehen hat, stößt zusätzlich übel auf. In einem auf die Geschichte fokussierten Spiel kann man nicht mehr Immersion erwarten, wenn man die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Fokus nimmt. Diese Neuerung kann man getrost auf den Stapel „nette Idee, aber nicht wirklich kluge Entscheidung“ legen.
Abseits der Hauptgeschichte hat man noch die Möglichkeit, sich in sogenannten Private Actions mit seinen Party-Mitgliedern zu unterhalten. Diese Gespräche sind zum einen sehr oft inhaltliche Zeitverschwendung, zum anderen hapert es auch hier wieder an der Umsetzung. Private Actions aktiviert man, indem man sich vor einer Gaststätte über einen bestimmten Aktivierungspunkt bewegt. Kurz darauf laufen alle Charaktere wie von der Tarantel gestochen in alle Himmelsrichtungen und platzieren sich an bestimmten Orten, abrufbereit für eine kleine Unterhaltung. Unsinnigerweise muss man nach den jeweiligen Gesprächen die Stadt verlassen oder übernachten, um die nächsten Gespräche mitzubekommen. Die Private Actions sind auch quasi die einzigen Events im Spiel, die man tatsächlich verpassen kann. Die umständliche Umsetzung wäre nicht wirklich ein Problem, wenn die Gespräche nicht die verschiedenen Enden beeinflussen würden. Mit jeder Konversation erhöht man die Zuneigung zu den verschiedenen Charakteren, welche dann schlussendlich das dazugehörige Charakter-Ende freischaltet. Erschwerend hinzu kommt, dass der Zuneigungszwischenstand nirgendwo ersichtlich ist. Eine Skit-Umsetzung, wie bei den Tales-of-Spielen üblich, wäre hier vielleicht die bessere Variante gewesen.
An einem bestimmten Punkt im Spiel trifft man auf die aus der Reihe bekannte Welch. Diese wartet auch mit Private-Action-Konversationen auf, die nach dem selben Prinzip wie oben beschrieben funktionieren. Nach dem erfolgreichen Ertragen des Dialoges startet eine Quest, welche mit Specialities belohnt wird. Specialities müssen nach dem Erlernen über das Menü durch SP erstanden werden. Daraufhin erlangt man zum Beispiel Fähigkeiten wie das Herstellen von Gegenständen oder das Nutzen verschiedener Punkte auf der Karte, um Materialien zu sammeln.
Specialities können darüber hinaus verstärkt werden, sodass man mitunter die Möglichkeit erhält, recht früh starkes Equipment herzustellen oder besonders seltene Materialien zu erhalten. Das Specialities-System kann besonders hilfreich sein, wenn man sich ausreichend damit beschäftigt und bildet somit eine nette Alternative zum simplen Kaufen und Verkaufen von Gegenständen.
Gemeinsam sind wir stark?
Im Gegenteil zur holprigen Story-Umsetzung ist das Kampfsystem weitestgehend gelungen. Mit einem simplen und eingängigen System nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip laufen die Kämpfe ab. Starke Angriffe werden mit schwachen gekontert, schwache Angriffe geblockt und die Verteidigung wird wiederum durch starke Techniken durchbrochen. Dieses Grundgerüst wird noch mit der Möglichkeit erweitert, Spezialfähigkeiten einzusetzen, die je nach Entfernung zum Gegner variabel sind. Die Kämpfe haben auf dieser Basis eine eher taktische, strategische Natur, was abwarten teilweise mehr belohnt als das bloße draufhauen ohne Verstand. Die langsame und verzögerte Ausführung der einzelnen Attacken lädt hingegen auch von vornherein nicht zum blinden Button Mashing ein.
Leider kann man gerade bei einer Gruppe von sieben Leuten schnell den Überblick verlieren und die etwas störrische Kamera trägt hier sicherlich noch ihren Teil dazu bei. Hier ist es klüger, sich erst einmal zurückzuziehen und Fernangriffe zu starten, um sich wieder einen Überblick über die Gegner zu verschaffen.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Kampfsystem ist die Rolleneinstellung. Über Rollen leitet man das Verhalten der KI-gesteuerten Party-Mitglieder. Je nach Level der Rollen werden Statuswertboni vergeben und neue Rollen freigeschaltet. Grob lassen sich die Rollen aber in die Kategorien Attacker, Healer und Defender einteilen, welche sich mit den richtigen Feinheiten zu nützlichen Rollenkombinationen aus vier individuellen Rollen zusammenfügen lassen. Eine wirklich klare Strategie kann man allerdings nicht einstellen, sodass man mitunter Rollen im Kampf austauschen oder selbst Hand anlegen muss. Die Gegner hingegen scheinen die klare Anweisung zu haben, direkt mit aller Kraft auf das schwächste Glied der Kette zu gehen, was sich bei schlechtem Equipment und unterlevelten Rollen schnell zu einem starken Nachteil für den Spieler entwickeln kann. Neben den Gegnern ist aber auch die Kamera nicht selten der Gegenspieler. Seltsame, automatische Winkel und eine unruhige Führung stellen den Spieler vor weitere Herausforderungen.
Über bestimmte Gegenstände lassen sich neue Spezialattacken erlernen, die man nun sowohl auf die Tasten für den starken und schwachen Angriff legen, als auch den Entfernungsfaktor bestimmen kann. Möchte man die Fähigkeiten ausreichend entwickeln, so ist es nötig, diese aktiv zu benutzen. Aufgrund der bestimmten Rollen kann es sein, dass die anderen Mitglieder nur ein und dieselbe Attacke einsetzen, daher sollte man auch für diese die gewünschten Attacken festlegen.
Später erhält man die Fähigkeit sogenannte Reserve-Rush-Attacken auszuführen. Hier gilt es, einen Balken mit erfolgreichen Schere-Stein-Papier-Aktionen zu füllen. Hat man einen bestimmten Punkt erreicht, lässt sich eine besonders starke Attacke ausführen, die das Blatt im Kampf durchaus noch einmal wenden kann, falls es gerade mal nicht so gut aussieht.
Die Kämpfe in Star Ocean: Integrity and Faithlessness sind nach einer gewissen Eingewöhnungsphase durchaus spaßig und erfrischend. Der direkte Wechsel in den Kampfmodus läuft nahtlos ab und Framerate-Einbrüche sind die Seltenheit. Der starke Schwierigkeitsanstieg im Laufe der Story ist zwar ein wenig unausgeglichen, aber mit dem richtigen Equipment sehr wohl zu meistern. Spielt man das Spiel durch, so winken weitere Schwierigkeitsgrade, die womöglich nicht so spielerfreundlich sind wie noch die beiden Anfangsschwierigkeitsgrade. Ein Zusatz-Dungeon, welchen man mehrmals durchlaufen kann, belohnt das Durchspielen mit einer weiteren Herausforderung. Auf eine New-Game-Plus-Option wurde unverständlicherweise komplett verzichtet.
Klein aber fein
Neben Kämpfen und Story bleibt noch die Möglichkeit, Quests zu erledigen. Diese findet man auf einer Art schwarzen Brett in den Städten und je nach Fortschritt werden diese mit neuen Quests gespickt. Besonders viel Tiefgang bieten die Aufgaben nicht und eine gehörige Ladung an Backtracking wird man zudem auf sich nehmen müssen, wenn man sich derer annimmt. Im Großen und Ganzen geht es bei den Quests nur ums Sammeln und Beseitigen bestimmter Gegner. Ein bisschen mehr oder eben richtige Sidequests mit kleineren Geschichten hätten dem Spiel sicher gut getan.
Die Welt, in der Star Ocean: Integrity and Faithlessness spielt, ist zwar nicht sehr groß, wenn man bedenkt, dass es sich um einen ganzen Planeten handelt, aber schön anzuschauen ist diese sicherlich. Mit besonders viel Liebe zum Detail und einem interessanten Art-Stil wurden Umgebung und Bewohner gestaltet, sodass man stets ein Gefühl von Lebendigkeit und der richtigen Atmosphäre verspürt. Wer sich der stumpfen Quests annehmen möchte, der wird sich irgendwann trotz alledem satt an den Landschaften gesehen haben, denn hier fehlt es wider der schönen Darstellung an Vielfalt.
Musikalisch ist Star Ocean: Integrity and Faithlessness nicht wirklich ein Hinhörer. Der Komponist Sakuraba hält sich weiterhin an sein gewohntes Schema von Hintergrundbeschallung, das kaum jemandem in Erinnerung bleibt. Ob Tales of oder Star Ocean, Unterschiede und herausragende Stücke wird man hier lange suchen können. Nichtsdestotrotz erfüllt die Musik ihren Zweck. Die Synchronisation in englisch und japanisch gibt hingegen eine solide Leistung ab, auch wenn die Lippenbewegungen oft unpassend wirken. Darüber kann aber getrost hinweggesehen werden, denn die Mimik der Charaktere ist dank der Realtime-Sequenzen sowieso kaum zu erkennen.
Gespräche mit NPCs laufen meist ohne Stimmenuntermalung und meist auch automatisch beim Vorbeigehen ab. Der Text, der nun auf dem Bildschirm aufploppt, ist durch die Größe kaum angenehm zu lesen. Auch die Texte in den Sequenzen verschwimmen sehr oft mit dem Hintergrund, was die Konzentration zusätzlich stören kann.
Solides Spiel mit zu hohen Erwartungen
Es wäre schon fast verwunderlich, wenn Star Ocean: Integrity and Faithlessness keine Schwächen hätte und den Erwartungen der Fans gerecht geworden wäre, denn so etwas kam schon relativ lange nicht mehr vor bei Fortsetzungen großer JRPG-Serien. Natürlich gibt es Schwächen und die ein oder andere Fehlentscheidung wurde sicherlich getroffen, doch im Prinzip ist das fünfte Star Ocean auch diesmal wieder ein solides JRPG geworden mit keinerlei storytechnischen Höhenflügen, aber einem sehr eingängigen und spaßigen Kampfsystem, was den Spieler länger bei Laune halten kann. Das Ersetzen der Zwischensequenzen mit dem Realtime-Pendant nimmt der Geschichte leider mehr an Atmosphäre als dies angedacht war und das Fehlen einer Skip-Funktion nervt zusätzlich. Der schöne Grafikstil ist hingegen gut gelungen und passend. Star Ocean: Integrity and Faithlessness erntet zu recht negative Kritiken, aber ist bei weitem nicht so schlecht wie es dargestellt wird.
Wer ein JRPG mit tiefgründigen Charakteren, Entwicklung und einer Story, die mit größeren Twists und Tiefgang aufwartet, erwartet, der ist hier sicherlich an der falschen Adresse. Star Ocean: Integrity and Faithlessness bietet jedoch sowohl ein eingängiges und spaßiges Kampfsystem mit taktischem Konzept und guter Umsetzung, als auch eine schön anzusehende Optik, die einem Debüt auf PlayStation 4 gerecht wird.
Star Ocean: Integrity and Faithlessness bietet meiner Meinung nach trotz der Schwächen eine gute Basis, worauf man in zukünftigen Produktionen aufbauen kann.
Story: 08/15-JRPG-Kost, die stark, dank unglücklich implementierter Realtime-Story-Sequenzen, an fehlender Atmosphäre leidet. Charaktere bieten kaum Entwicklung.
Gameplay: Eingängig, taktisch, spaßig. Das Kampfsystem ist in Kombination mit dem Rollensystem eine recht gelungene Umsetzung. Quests mit wenig Anspruch und viel Backtracking.
Grafik: Hübscher Art-Stil und schöne Umgebungen.
Sound: Zweckmäßig und kaum hervorzuheben. Sprachausgabe ist solide.
Sonstiges: Zusatz-Dungeon und weitere Schwierigkeitsgrade nach dem Durchspielen. New-Game-Plus-Option fehlt. Kamera ist gewöhnungsbedürftig.