Mit Magical Eyes – Red is for Anguish hat sich Fruitbat Factory ein recht unbekanntes PC-Spiel an Land gezogen. Diese Mystery Visual Novel, die übernatürliche Fälle in den Mittelpunkt stellt, ist Pomera Studios‘ erstes Werk und man sieht ihr das amateurhafte leider auch an. Trotzdem macht sie einen weitaus besseren Eindruck als so einige andere Indie Visual Novels, die auf Steam erhältlich sind. Ob Magical Eyes – Red is for Anguish wirklich lesenswert ist, erfahrt ihr in unserem Test!
Rätselhafte Ereignisse
Ihr werdet Magical Eyes – Red is for Anguish aus verschiedenen Perspektiven miterleben, aber die meiste Zeit verbringt ihr aus der Sicht des Protagonisten Yuu. Der Oberschüler hat durch seine Begabung einen ganz besonderen Job und zwar das Erledigen von sogenannten Variants. Variants sind gerne einmal die Schuldigen, wenn übernatürliche Dinge vor sich gehen. Sie entstehen in dem Moment, wenn ein Mensch mit einer starken emotionalen Bindung stirbt. Davon betroffen sind allerdings auch so einige lebende Menschen, die dadurch spezielle Fähigkeiten entwickeln. Sie werden Disobeyer genannt und und so einige von ihnen sorgen dafür, dass auf den Straßen Sicherheit vor Variants herrscht. Die Organisation, der Yuu angehört, arbeitet eng mit der Polizei zusammen.
Der neuste Fall, in den Yuu verwickelt wird, geht um einen rätselhaften Angriff auf einen Ladenbesitzer, dessen Arm abgeschnitten wurde. Laut seinen Angaben wurde er von einer Puppe angegriffen, die er in seinem Laden ausgestellt hatte. Sowohl die Puppe als auch der Arm sind nach dem Überfall spurlos verschwunden. Normalerweise würde niemand so einer Geschichte Glauben schenken und es wirres Gerede aufgrund eines Schocks nennen. Doch schnell ist klar, dass es sich hier wirklich um keinen normalen Fall handelt. Damit haben auch Yuu und die Leute, mit denen er zusammen arbeitet, alle Hände voll zu tun und das, obwohl gerade die Golden Week anfängt.
Die zweite Hauptfigur, aus deren Perspektive ihr Szenen miterlebt, ist Chiharu. Sie ist eine Klassenkameradin von Yuu und über beide Ohren in ihn verknallt. Yuu selbst meidet aufgrund seiner Fähigkeit den Kontakt mit anderen lieber, aber Chiharu ist eine der wenigen Personen, die er näher an sich heran lässt und er ist ihr auch nicht abgeneigt. Während der Mystery-Part rund um den geheimnisvollen Fall im Vordergrund steht, entwickelt sich nebenbei eine leichte Romanze zwischen den beiden Hauptcharakteren. Schön zu sehen ist hierbei, dass ihr die Gedanken beider zu Gesicht bekommt.
Dazu gesellen sich so einige andere interessante Charaktere, die alle ihre Macken haben. Da wäre beispielsweise der Ramen-Shop-Besitzer, der Teil der Disobeyer ist. Seine Leidenschaft ist das Kochen, allerdings ist er mehr als nur eine Niete darin und wer es wagt, sein Essen zu probieren, darf mit einem Aufenthalt im Krankenhaus rechnen. So wird sein Laden weitgehend nur zum Besprechen neuer Fälle und Teilen von Informationen genutzt. Suzunari, ebenfalls ein Disobeyer, kleidet sich hingegen gerne in Frauenkleidern inklusive Make-up. Nur seine Stimme und sein Auftreten verraten, dass es sich hier eigentlich um einen Kerl handelt.
Magical Eyes – Red is for Anguish hat zwar einen etwas langsamen Start, der sich in etwa über die erste Stunde erstreckt, aber geht danach in eine sehr spannende Geschichte über. Der Fall rund um den Überfall und die geheimnisvolle Puppe wird immer mysteriöser, umso mehr Informationen darüber in Erfahrung gebracht werden, und die Sache erscheint viel weitläufiger zu sein als anfangs angenommen. Die Ereignisse werden dabei gut erzählt und keine Details ausgelassen. Hin und wieder wechselt die Perspektive auch zu anderen wichtigen Charakteren, um den Spieler über Dinge auf den Laufenden zu halten, die Yuu nicht mitbekommt. Positiv aufgefallen sind vor allem die Kampfszenen, die trotz einfacher Mittel spannend herübergebracht werden, und die Charakterentwicklung. Zwar betrifft dies leider nicht alle Charaktere, aber es ist schön zu sehen, wie Personen, von denen man es gar nicht erwartet hat, einen ausgearbeiteten Hintergrund bekommen haben.
Eine Puppe auf Abwegen
Um zu sehen ob, ihr gut aufgepasst habt und um den Spieler ein wenig am Geschehen zu beteiligen, gibt es den sogenannten Reasoning Mode. Hierbei werdet ihr in regelmäßigen Abständen dazu aufgefordert, ein kleines Quiz zu meistern, das die bisherigen Entdeckungen über den Fall zusammenfasst. Im Laufe der Geschichte werden hierfür Schlüsselwörter gesammelt, von denen allerdings nur jeweils eines zu der gestellten Frage passt. Ihr müsst die richtigen Antworten finden, um am Ende den höchsten Rang und eine Belohnung in Form von Extras und kleinen Bonusszenen zu erhalten. Da die Bonusszenen zusätzliche Informationen enthalten, lohnt es sich, die Denkarbeit ernst zu nehmen. Allerdings werdet ihr dabei leider gar nicht so sehr gefordert, weil oftmals die Antwort klar auf der Hand liegt oder es nur ein Schlüsselwort bei der jeweiligen Frage zur Auswahl gibt. Das hätte ruhig etwas schwieriger und umfangreicher gestaltet werden können.
Eine weitere Funktion des Spieles ist die Kartenübersicht. Nach jeder Szene werdet ihr auf eine, leider optisch nicht ganz gelungene, Stadtteilübersicht geschickt und könnt den nächsten markierten Ort anwählen. Zwischendurch erscheinen neben den Szenen des nächsten Handlungsabschnittes auch Punkte, die Extraszenen enthalten und nicht unbedingt notwendig sind. An sich handelt es sich hierbei um keine schlechte Funktion, zumal sie gut zusammen mit den Wechseln der Perspektive funktioniert, allerdings werdet ihr wirklich nach jedem noch so kleinen Dialog und Abschnitt auf die Übersicht geschickt. Oftmals auch nur, weil ein Ortswechsel stattfindet und auf Dauer stört dies den Lesefluss sehr. Dazu zeigt sich entsprechend noch der Zusatzbildschirm, der angibt, aus welcher Perspektive man nun spielt und auch dieser wird viel zu viel benutzt. Da wäre weniger echt mehr gewesen.
Von optischer Seite ist die Qualität nicht immer konstant. Die Event-Bilder und das Artwork der Charaktere ist für eine Indie-Visual-Novel als hochwertig zu bezeichnen, allerdings lässt sich dies nicht von den Hintergründen behaupten. Diese wurden mit 3D bearbeitet und sehen recht amateurhaft und detailarm aus. Schön mit anzusehen ist, dass extra ein animiertes Intro für das Spiel erstellt wurde. Zwar ist dies nicht perfekt und einige Charaktere sehen leicht anders aus als auf den Artworks, aber es ist von der Optik und vom Stil her gut gestaltet. Die von Fruitbat Factory beigesteuerten Untertitel fügen sich sogar perfekt in das Gesamtbild ein.
Der Gesprächsstil wechselt regelmäßig. So wird Gebrauch vom typischen Visual-Novel-Stil gemacht, der am unteren Rand ein Textfeld präsentiert und das Artwork der Charaktere auf dem Bildschirm zeigt. Die Charaktere sind übrigens nicht animiert und ändern nur ihre Posen. Der andere verwendete Stil gleicht eher einem Buch. Hier wird der Text über den gesamten Bildschirm geschrieben und im Hintergrund wird entweder der Schauplatz oder eines der Event-Bilder gezeigt. Eine passende Verwendung findet dieser vor allem bei den Kampfszenen oder in Momenten, die sich um Gedanken oder den Hintergrund eines Charakters drehen.
Ein weiteres Plus verdient die japanische Synchronisation. Zwar sind es alles recht unbekannte Sprecher, aber das hält sie nicht davon hab, einen guten Job hinzulegen. Sehr schade ist, dass Yuu als einziger keinen Sprecher abbekommen hat. Da es sich hier um keinen persönlichkeitslosen Protagonisten handelt, in den man sich hineinversetzen soll, ist es eine unverständliche Entscheidung. Sehr störend aufgefallen ist, dass die Charaktere immer noch weitersprechen, wenn man den Text bereits weggeklickt hat und dies lässt sich auch nicht in den Einstellungen ändern.
Begleitet wird Magical Eyes – Red is for Anguish von einem wunderbaren Soundtrack, in dessen Stücken die unterschiedlichsten Instrumente herauszuhören sind. Mal wird man von einem Klavierstück begrüßt, während in anderen Momenten eine Geige zum Zuge kommt. Es gibt sogar ein Lied, das wirklich episch herüberkommt und auch gut Platz in einem RPG finden würde. In einer wichtigen Szene wurde sogar ein gesungenes Lied gespielt und auch eine der Kampfszenen wurde mit Gesang bedacht. Einzig fehl am Platz wirkte das Lied des Intros, welches vom Stil und vom Text her nicht wirklich in eine Mystery Visual Novel passt.
An Fruitbat Factorys Übersetzung gibt es nicht viel auszusetzen. Hier und da haben sich ein paar kleinere Tippfehler eingeschlichen und einige Sätze klingen etwas komisch, aber ansonsten lassen sich die Texte gut lesen.
Einen wirklich großen Umfang darf man allerdings nicht erwarten. Je nach Lesetempo wird euch die Geschichte lediglich fünf bis zehn Stunden beschäftigen, bis ihr das Ende erreicht habt. Es gibt nur dieses eine Ende und keine Auswahlmöglichkeiten, um die Geschichte zu beeinflussen. Lediglich einige optionale Szenen lassen sich ansehen und die bereits erwähnten Bonusszenen, die ihr durch den Reasoning Mode freischaltet. Der behandelte Fall wird dafür ohne Lücken und offene Fragen abgeschlossen und zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht. Trotzdem bleibt eine gewisse Enttäuschung nicht aus, weil sicherlich keiner damit rechnet, nach dem ersten Kapitel schon das Ende erreicht zu haben.
Da einige Charaktere, die wichtig erscheinen, nur namentlich erwähnt werden, kommt es auch so herüber, als sei dies nur ein kleiner Teil eines größeren Projekts. Was wahrscheinlich auch der Wahrheit entspricht, denn laut Spiel wird die Handlung im nächsten Kapitel mit dem Namen Indigo Blue Heaven fortgesetzt, in welchem auch die fehlenden Charaktere ihren ersten Auftritt bekommen werden. Ein wenig seltsam ist allerdings, dass genau diese Charaktere bereits im Intro gezeigt werden und man sich demnach erhofft hat, sie hier schon zu Gesicht zu bekommen. Leider ist die Fortsetzung noch nicht einmal in Japan erschienen und das letzte Update der Seite und des Blogs des Entwicklers Pomera Studios liegt mehr als ein halbes Jahr zurück. Eine Wartezeit, bei der niemand sagen kann, wie lange sie dauern wird, dabei würde man am liebsten jetzt schon einen weiteren rätselhaften Fall, zusammen mit Yuu und Co, lösen wollen.
Neben genug Speichermöglichkeiten verfügt die Visual Novel über eine Funktion, bereits gelesene Texte noch einmal einzusehen, was auch die Stimmen mit einschließt. Eine Auto- und Skip-Funktion inklusive Geschwindigkeitseinstellungen darf natürlich auch nicht fehlen. Ein netter Zusatz ist zudem das Magipedia, ein Lexikon, das mit Begriffen befüllt wird, welche man jederzeit nachschlagen kann. Einige der Texte sind mit ganz amüsanten Kommentaren versehen. Als Extra bietet das Spiel eine Galerie mit den Event-Bildern, eine Materialsammlung mit Beschreibungen (deren Inhalt allerdings erst freigeschaltet werden muss) und kleine Extraszenarien. Außerdem lassen sich das Intro und der Abschluss jederzeit wieder ansehen. Wer weitere kleinere Gespräche zwischen den Charakteren lesen möchte, kann der offiziellen Seite einen Besuch abstatten. Zwar ist Fruitbat Factory sehr langsam darin, die Dialoge zu übersetzen, aber ein paar sind bereits online einzusehen.
Fazit
Magical Eyes – Red is for Anguish ist zwar eine eher kurzweilige Mystery Visual Novel, aber insgesamt als sehr lesenswert zu bezeichnen. Lohnenswert macht sie vor allem die spannende Handlung, die Erzählweise und die sympathischen Charaktere. Einmal über den langsamen Anfang hinaus, wird es schwer fallen, eine Pause einzulegen, zumal man zu gerne wissen möchte, wie der Fall nun ausgeht. Die Wahl, die Handlung in kleinere Szenen aufzuteilen, wirkt sich allerdings leider etwas negativ auf den Lesefluss aus, zumal von der Kartenfunktion übermäßig gebraucht gemacht wird, selbst dann noch, wenn es gar nicht nötig wäre.
Es wäre besser gewesen, an den Stellen einfach einen Zwischenbildschirm einzublenden und dann die nächste Szene zu spielen. Zwar ist optisch nicht alles perfekt und besonders die Hintergründe fallen unliebsam auf, aber für eine Indie-Visual-Novel macht Magical Eyes – Red is for Anguish einiges her. Sogar für ein animiertes Intro und eine japanische Synchronisation wurde gesorgt. Etwas enttäuschend ist, dass es sich bei diesem Spiel nur um das erste Kapitel einer Reihe handelt und Indigo Blue Heaven, der Nachfolger, selbst in Japan noch nicht fertiggestellt wurde. Zudem wurden einige Charaktere aus dem Intro, von denen man sich einen Auftritt erhofft hat, nur namentlich erwähnt. Sie werden allerdings eine wichtigere Rolle im nächsten Teil einnehmen. Bleibt nur zu hoffen, dass es bald weiter geht.
Eine Empfehlung hat Magical Eyes – Red is for Anguish, trotz kleinerer Schwächen, auf jeden Fall verdient! Besonders Mystery-Fans, denen übernatürliche Elemente gefallen, werden ihre Freude an dieser Visual Novel haben.
Magical Eyes – Red is for Anguish bietet englische Texte und eine japanische Sprachausgabe an. Es ist lediglich in digitaler Form auf Steam oder bei MangaGamer erhältlich.
Story: Eine spannende Mystery-Geschichte, vermischt mit einer kleinen Portion Romanze. Die Idee des Settings ist nicht neu, aber die Handlung wird interessant und mitreißend erzählt.
Gameplay: Da es sich hier bei um eine Visual Novel handelt, besteht das Gameplay hauptsächlich aus lesen. Neue Szenarien können auf einer Karte ausgewählt werden. Zwischendurch muss der Spieler ein kleines Quiz lösen.
Grafik: Sehr einfach gehalten, ohne Animationen. Das Artwork ist hübsch anzusehen, die Hintergründe in einem eher schlechten 3D gestaltet. Einzig das Intro ist animiert.
Sound: Ein wunderbarer Soundtrack mit einer guten Auswahl an Liedern. Darunter auch ein paar gesungene Tracks. Lediglich das Introlied wirkt fehl am Platz und passt nicht zum Thema.
Sonstiges: Freischaltbare Galerie, Zusatzgespräche und ein Lexikon, in dem wichtige Begriffe erklärt werden.