In seiner seiner Prä-Ghibli-Zeit zeichnete sich Isao Takahata für ernste wie humorvolle, realistische wie phantastische, ruhige wie abenteuerliche Werke verantwortlich. Mit Die letzten Glühwürmchen und Only Yesterday entwickelte er jedoch ein Image als Regisseur für realistische, bodenständige Filme mit ernsten Themen.
Pom Poko kam 1994 in die japanischen Kinos und geht einen interessanten Mittelweg: Der augenscheinlich fröhliche, familienfreundliche Film hat eine sehr ernste, unbeschönigte und politisch bedeutsame Rahmenhandlung.
Universum Anime hat Pom Poko im Februar erstmals in Deutschland auf Blu-ray veröffentlicht. Nachdem nun auch Erinnerungen an Marnie erschienen ist, fehlen also nur noch Meine Nachbarn die Yamadas und Das Flüstern des Meeres in der Blu-ray-Kollektion der Ghibli-Filme.
Der Film
Es beginnt alles damit, dass in Japan am Ende der 60er-Jahre in einem größtenteils unberührten Bergwaldgebiet etwas abseits von Tokio ein neues Wohngebiet entstehen soll. Damit verbunden ist eine großflächige Zerstörung der Waldflächen, die einen wichtigen Lebensraum zahlloser Tierarten darstellt – so auch der Marderhunde (jap. Tanuki).
Doch die Marderhunde beschließen, sich das nicht so einfach gefallen zu lassen. Sie nutzen ihre Fantasie, um die Menschen von der Zerstörung ihres Lebensraums abzuhalten – manchmal auf harmlose, manchmal auf drastische Weise.
Die Marderhunde beherrschen im Film wie in klassischen japanischen Sagen die Kunst der Verwandlung. Sie können ihr Aussehen nach Belieben verändern. Das alles erfordert natürlich Übung. Ihre Verwandlungen nutzen die Marderhunde, um die Menschen zu erschrecken, sie zu verjagen, sich unter sie zu mischen und über sie zu lernen.
Ihr Vorhaben steht allerdings in ständigem Konflikt mit ihren naturgegebenen Eigenschaften der Gelassenheit, der Faulheit, der Ausgelassenheit und der Angewohnheit, unangenehme Dinge zu vergessen. Marderhunde lieben es, zu feiern; sie lieben menschliches Essen, Schabernack und den Frühling.
Durch diese Gegensätzlichkeiten wird Pom Poko zu einem Film sehr starker Kontraste. Die Handlung des Films ist im Kern eine sehr ernste, aber die Art der Marderhunde sorgt stets dafür, dass alles auf eine sehr verspielte und heitere Weise dargestellt wird, egal, ob das nun die Angriffe auf die Menschen oder die Feiern der Marderhunde sind.
Doch gerade das birgt eine tiefe Tragik in sich, die gerade am Ende des Films sehr stark durchscheint. Pom Poko ist im Kern kein trauriger Film, aber die Nüchternheit und Endgültigkeit und das Wissen, dass die Marderhunde immer stärker von den Menschen zurückgedrängt und dezimiert werden, steht in starkem Kontrast zum Idealismus anderer Kinder- und Familienfilme.
Bemerkenswert ist die starke Anlehnung an die japanische Mythen- und Geisterwelt, für die Takahata schon immer großes Interesse zeigte. Pom Poko zeigt das von all seinen Werken am deutlichsten, denn klassische Fabelgestalten sind die beliebtesten Verwandlungen der Marderhunde. Dem Zuschauer wird quasi die gesamte klassische japanische Mythenwelt präsentiert.
Die Verwandlungsszenen sind es auch, die animationstechnisch am meisten hermachen. Besonders beeindruckend sind die Verwandlungen der Marderhunde in große Lebewesen und Objekte. Hervorzuheben ist hier beispielsweise eine Szene, in welcher die Marderhunde sich gesammelt in Scharen von Fabelwesen verwandeln und durch eine menschliche Stadt ziehen.
Die Musik des Films spiegelt die Stimmung exzellent wieder: Während es einige schöne, ruhige und tragische Stücke gibt, werden die spaßigen Szenen des Films von stark an klassischer japanischer Musik orientierten Stücken untermalt. Pom Poko ist eben ein tief in der japanischen Kultur verwurzelter Film, aber keinesfalls einer, der nur von Japanern genossen werden kann.
Die deutsche Veröffentlichung
Die deutsche Vertonung von Pom Poko ist von bemerkenswerter Qualität. Die anfängliche Skepsis, wie natürlich die Figuren eines solch japanischen Films auf Deutsch vertont werden können, verfliegt sehr schnell. Man merkt bereits an der Erzählerstimme, dass die deutsche Synchronfassung gar nicht versucht, die japanische zu kopieren, und das war eine absolut richtige Entscheidung. Dass Nuancen verloren gehen, ist unabdingbar, aber das Endprodukt wirkt dennoch sehr stimmig und vor allen Dingen natürlich.
Alle Marderhunde, ob jung oder alt, sind von passenden Sprechern besetzt worden, die größtenteils ausgezeichnete Arbeit liefern. Das gilt übrigens auch für die menschlichen Nebenfiguren, die im Film auftreten. Als größte Schwäche ist dem Film anzulasten, dass einige der im Film gesungenen oder eingespielten japanischen Lieder auf Deutsch vertont wurden, die meisten aber Japanisch geblieben sind, was für einen leicht inkonsistenten Eindruck sorgt.
Die Untertitel in weißer Schrift mit schwarzem Rand sind gelungen, die Sprache klingt natürlich und es handelt sich nicht um Dubtitles – hier gibt es also nichts zu beanstanden. Die japanischen Lieder wurden zudem auf Deutsch untertitelt.
Wie alle Ghibli-Filme wurde Pom Poko exzellent in High Definition restauriert und macht der Blu-ray-Fassung somit alle Ehre. Da Ghibli-Filme zudem für hervorragende Animationsqualität bekannt sind, ist der Film trotz seines Alters von über 20 Jahren sehr gut gealtert.
Das Bonusmaterial ist leider etwas spärlich ausgefallen, lediglich die typischen Extras „Storyboards“, „japanische Originaltrailer“ und „Studio Ghibli Trailershow“ befinden sich auf der Disc. Interviews und einen Blick hinter die Kulissen sucht man vergebens.
Wie jede andere Veröffentlichung der Studio Ghibli Collection für Blu-ray befindet sich die Disc in einem Digipack mit Pappschuber in Scherenschnittoptik. Es liegen zudem drei Postkarten mit Scherenschnittmotiven von „Pom Poko“, „Tränen der Erinnerung – Only Yesterday“ und „Das Königreich der Katzen“ bei.
Fazit
Bei Pom Poko handelt es sich um einen bemerkenswerten und durchaus unterschätzen Film, der auf selten gesehene Weise eine primär humorvolle und ausgelassene Handlung mit unerwartet nüchternen und traurigen Wahrheiten verbindet, ohne dabei zu dramatisch oder zu künstlich moralisierend zu wirken. Der Blu-ray-Fassung fehlt zwar interessantes Bonusmaterial, aber der Film macht in HD einen hervorragenden Eindruck und die deutsche Vertonung ist äußerst gelungen.
Um noch eine persönliche Beobachtung zum Schluss einzubringen: Als ich Pom Poko vor etwa fünf bis sechs Jahren zum ersten Mal sah, mochte ich den Film durchaus, empfand ihn aber nicht als herausragend. Beim erneuten Schauen sind mir nun aber sehr viele Details aufgefallen, die ich damals gar nicht gesehen hatte, und gerade das Ende des Films stimmte mich unerwartet emotional. Pom Poko ist also durchaus ein Film, der mit dem Zuschauer reift, und erwachsenen möglicherweise noch einmal eine ganz andere Perspektive bietet als jüngeren Zuschauern.
Technische Daten & Extras
- Laufzeit Hauptfilm: 119 Minuten
- Laufzeit Bonusmaterial: 133 Minuten
- Bild: High Definition (1080p/24), Bildformat 16:9
- Audio: Japanisch (DTS-HD Master Audio 2.0), Deutsch (DTS-HD Master Audio 2.0)
- Untertitel: Deutsch (weiße Schrift, schwarzer Rand)
- Bonusmaterial: Storyboards, Originaltrailer, Studio Ghibli Trailershow
- Extras: drei Postkarten
- Altersfreigabe: ab 6