Als Kind war es immer etwas ganz Besonderes, einen Spielplatz zu besuchen. Dieser kleine Ort mit einigen wenigen Attraktionen bot für die kindliche Kreativität und Fantasie einen unendlich großen Spielraum. Die Rutsche war eine Hochgeschwindigkeits-Rennbahn, die Schaukel ein meterhohes Sprungbrett und der Sandkasten eine Fundgrube für allerlei Schätze. Just Cause 3 bietet jetzt das Äquivalent dazu, jedoch für ein etwas höheres Alter. Das Maß an Spielspaß und Spielstunden, die man darin investiert, hängt hauptsächlich von der eigenen Kreativität ab, der hier nahezu keine Grenzen gesetzt sind. Ein wahrer Spielplatz für Erwachsene!
Diese Tatsache wird schon in den ersten Sekunden deutlich gemacht. Statt auf einem roten Teppich marschiert Protagonist Rico Rodriguez auf den Trägern eines Flugzeuges in seine Heimatstadt Medici ein. Im Gepäck: ein unendlich großes Arsenal an Fallschirmen, sowie an Raketen und C4-Sprengstoff. Damit ist auch schon alles vorhanden für seine persönliche Agenda: die Befreiung Medicis vom Diktator Sebastiano Di Ravello. Unterstützt wird Rico dabei von den Rebellen, welche diesen Kampf bereits seit einiger Zeit austragen. Das wars. Mehr gibt es zur Story von Just Cause 3 nicht zu sagen. Rico und die Rebellen sind gut und kämpfen gegen den bösen Diktator Di Ravello. Eine dramatische Geschichte voller Verrat, Wendungen und Charakterentwicklungen sollte man daher nicht erwarten. Was aber geboten wird, sind derart überzogene und klischeehafte Charaktere, dass wiederum genug Platz ist für eine gehörige Portion Humor.
In vielen kleinen Zwischensequenzen treffen die Charaktere aufeinander, lassen ihre einzige Persönlichkeit raushängen und schicken Rico dann los, um noch mehr in die Luft zu jagen. Diese Interaktionen sind sehr unterhaltsam, nicht nur wegen der tollen Grafik, die für lebendige Charaktere und ein passendes Klima sorgt, sondern auch dank der Albernheiten, die sich die Charaktere erlauben.
Hier und da gibt es aus Spaß einen Schlag gegen die Kronjuwelen, eine verrückte Wissenschaftlerin stürzt beim Nachdenken fasst von einer Klippe und noch viele weitere solcher Beispiele ließen sich hier nennen. Den Höhepunkt stellt jedoch eine kurze Unterhaltung zwischen Rico und einer angeblich verzauberten Kuh dar. Wie den letzten Absätzen unmissverständlich zu entnehmen ist, nimmt bei diesem Spiel niemand etwas richtig ernst. So sind die Entwickler an die Geschichte herangetreten und so merkt man es auch an den Charakteren. Es handelt sich um die perfekte Symbiose aus der Regie von Michael Bay und einem James Bond mit rein mexikanischer Besetzung und Humor. Die Chemie stimmt einfach und passt herrlich zum Rest des Spieles.
Dabei machen grafisch nicht nur die Charaktere und ihre detaillierte Gesichtsbehaarung eine gute Figur, sondern speziell die Umgebungen. Von den vielen schönen Strandpanoramen Medicis, über die eisbedeckten Hügel im Norden bis hin zu den tiefen Höhlensystemen im Süden. Es sieht einfach alles klasse aus. Besonders beeindruckend ist jedoch nicht nur das Aussehen, sondern die Technik. Wenn man mit über 300 km/h über Strände, Wälder und Berge hinweg fliegt, bleibt alles sichtbar. Es ploppen nur selten Objekte aus dem Nichts auf und meistens auch nur im Detail. Der Fernblick ist eine Wucht. Schießt man mit einem Kampfflugzeug eine Rakete ab, so kann man sie teilweise 30 Sekunden lang verfolgen, bis sie dann etliche Kilometer weiter aufschlägt und explodiert. Und hier ist nun ein Stichwort gefallen: Die unzähligen Explosionen, für die man im Laufe des Spiels verantwortlich ist, sehen einfach atemberaubend aus.
Das gleißende Licht am Anfang, das Flammenmeer in der Mitte und die Aschewolke am Ende. Daran wird man sich nie sattsehen können. Doch leider gibt es eine Kehrseite dieser Medaille. Die unzähligen Explosionen können der Performance ganz schön zu schaffen machen. Treten nämlich mehrere zur selben Zeit auf dem Bildschirm auf, so kommt es zu starken Einbrüchen in der Framerate, sodass man das Gefühl hat, in Zeitlupe zu spielen. Und wo wir schon bei Zeitlupen sind: Die Ladezeiten bei Just Cause 3 sind viel zu lang. Bis zu einer Minute muss man nach dem Ableben warten, um erneut einsteigen zu dürfen. Das ist wirklich schrecklich, denn mit unendlich viel Sprengstoff in der Hosentasche sprengt man sich ziemlich oft selbst in die Luft. Normalerweise wären diese beiden Kritikpunkte kein so großes Dilemma, doch sie kommen eindeutig zu häufig vor.
Beim Sound kann man da schon weniger meckern. Geboten werden zwei komplette Sprachausgaben, einmal in Englisch und dann noch in Deutsch. Und obgleich man sich bei der deutschen Synchronisation Prominenz gesichert hat, so reicht es trotzdem nicht an das englische Original heran. Akzente spielen nämlich eine große Rolle und diese klingen dann im Original doch spürbar besser. Nichtsdestotrotz ist die deutsche Tonspur keinesfalls schlecht. Sie ist sehr gelungen und kann sich definitiv hören lassen. Die Musik fällt bei diesem Spiel kaum auf. Neben den vielen mexikanischen Akzenten, dem Aufheulen von Motoren und den betäubenden Explosionen ist anscheinend kein Platz dafür gewesen. Dafür sind die Soundeffekte aber umso wuchtiger.
Nun zum Gameplay. Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist: Was unterscheidet Just Cause 3 vom Vorgänger und von anderen Third-Person-Action-Adventures? Fallschirme, Enterhaken und Explosionen gab es schon in beiden Vergleichen zur Genüge. Hier kommt jetzt der Wingsuit ins Spiel. Mit einem simplen Knopfdruck spreizt Rico seine Extremitäten aus und ähnlich wie bei einem Flughörnchen gleitet er dann gemütlich durch die Lüfte. Ist dieser eine Aspekt nun Grund genug, um Just Cause 3 zu kaufen? Nein!
Es ist die Kombination aller Einzelteile, die dieses Spiel zu einer spaßigen Achterbahnfahrt macht. Während man gegnerische Gebäude in die Luft jagt, kann der Auftrieb der Explosionen genutzt werden, um mit dem Fallschirm in die Luft geschleudert zu werden. Ganz oben angekommen, nimmt nun der Wingsuit seine Rolle wahr und ermöglicht, große Distanzen in kürzester Zeit hinter sich zu bringen. Mit dem Enterhaken kann an Oberflächen erneut Schwung geholt werden, ohne den Boden zu berühren. Dann gilt es, sich an einen Helikopter zu hängen. Der Fallschirm wird wieder aufgespannt, um mehr Kontrolle zu haben und mit dem Enterhaken reißt man sich auf das Flugobjekt und übernimmt es.
Es ist diese Verschmelzung der einzelnen Komponenten, die so viel Platz für Kreativität und Spaß bietet. Mit ihrer großen Sorgfalt bei den Übergängen und dem Gefühl von Geschwindigkeit haben die Entwickler von Avalanche einen perfekten Spielfluss geschaffen. Für diesen Fluss braucht es aber eine Menge Übung. Mehrere Stunden sind notwendig, bis man in der Lage ist, zu jeder Zeit die verschiedenen Elemente zu kombinieren. Doch selbst die Eingewöhnungszeit macht einen Heidenspaß. Nach diesen Stunden kann man sich selbst verschiedene Herausforderungen stellen. Wie zum Beispiel ein feindliches Gebiet komplett aus der Luft zu übernehmen oder aus einem brennenden Fahrzeug zu springen und dieses als Projektil nutzen, während man in ein Flugzeug einsteigt. Der Kreativität sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Einige Herausforderungen wurden sogar bereits gestellt. Der längste Wingsuit-Flug oder Drift sind auch nur einige Beispiele.
Natürlich kann man Di Ravello auch auf konventionelle Weise bekämpfen. Dabei steht ein Arsenal an bewaffneten Fahrzeugen, leichten sowie schweren Waffen und einmal mehr der Enterhaken zur Verfügung. Letzterem haben die Entwickler eine kleine neue Funktion spendiert. Hält man die L1-Taste gedrückt, wird der Enterhaken ein Mal abgefeuert. Jedoch zieht man sich nicht an diesen Punkt heran. Lässt man die Taste mit einem anderen Ziel los, werden die beiden Punkte verbunden. Mit der L2-Taste verkürzt sich diese Verbindung rasant. Das hört sich nicht spektakulär an, aber auch hier kommt es hauptsächlich darauf an, was der Spieler daraus macht.
Anstatt feindliche Helikopter mit Raketenwerfern zu bearbeiten, reicht auch eine kleine Verbindung zum Boden und durch das Verkürzen wird der Helikopter an der Oberfläche zertrümmert. Alternativ lassen sich so auch feindliche Soldaten an einem Gastank befestigen. Der Freiflug bis hin zur Explosion ist dann immer wieder für einen Lacher gut. Wer etwas ganz Anderes erleben will, kann Ziegen an Windkrafträdern befestigen oder den Kopf von Person A ans Genital von Person B hängen. Einmal mehr wird deutlich: von Realismus keine Spur.
Bei all dieser Freiheit und Kreativität wirkt das Missions-Design ein wenig eintönig. Bei den Story-Missionen hat man sich noch Mühe gegeben, diese vielfältig zu gestalten. Mal steht man auf einem Zug, um diesen zu beschützen, dann gilt es einen modernen Panzer unbeschadet zu übernehmen und dann gibt es noch Missionen, bei denen man in einem Kampfjet sitzt und weniger gepanzerte Flugobjekte schützt. Langeweile kommt hier garantiert nicht auf. Aber, und jetzt kommt das große “ABER“, um einige Story-Missionen erst einmal freizuschalten, ist es nötig, Städte zu befreien und feindliche Basen einzunehmen. Auf Dauer gestaltet sich diese Aufgabe sehr eintönig, denn das läuft stets identisch ab. Hier kommt nun die persönliche Spielart zum Tragen. Wer ganz konventionell spielen und nur schnell ans Ziel kommen will, der wird tatsächlich genervt und gelangweilt werden vom sich ständig wiederholenden Ablauf. Wer jedoch experimentierfreudig an die Sache geht, der wird auch ohne Aufforderung feindliche Gebiete unschädlich machen.
Hat man eines für sich beansprucht, werden viele Extras freigeschaltet. Neben Garagen und Waffen gibt es noch spezielle Herausforderungen, welche nötig sind, um Rico noch stärker beziehungsweise agiler zu machen. Selbstverständlich gibt es die für ein Open-World-Spiel gewöhnlichen Nebenaufgaben, die gelegentlich auf der Karte zu finden sind. Auch hier ist die Spannweite groß. Mal hilft man einem alten Mann, sein Auto aufzutanken und mal klaut man eine Limousine, um die gegnerische Prominenz zu entführen. Ärgerlich und ungewöhnlich für dieses Genre ist jedoch die Tatsache, dass man die Schnellreise-Funktion stark limitiert hat und nur unter bestimmten Umständen nutzen kann.
Just Cause 3 ist eine Box voller Ideen und Spielzeuge, die der Spieler nach Belieben nutzen und kombinieren kann. Wer schon immer nach mehr Freiheit und einem perfekten Spielfluss gesucht hat, der wird hier eindeutig auf seine Kosten kommen. Die überzogenen Charaktere, die witzigen Dialoge und das atemberaubend schöne Medici sind da nur eine willkommene Zugabe. Leider sorgen die instabile Framerate, die ätzend langen Ladezeiten sowie einige Design-Entscheidungen für einen kleinen Dämpfer.
Story: Rebellen gut, Diktator böse! Einfacher geht es wohl kaum. Zum Glück sorgen die Charaktere und Dialoge immer mal wieder für den nötigen Humor.
Grafik: Von Ricos Bartstoppeln, über die Wälder Medicis bis hin zu den etlichen Fahrzeugen: Es wirkt alles wie aus einem Guss. Der tollen Fernsicht und den grandiosen Explosionen stehen aber Framerate-Probleme und lange Ladezeiten entgegen.
Sound: Geboten wird englische und deutsche Sprachausgabe. Beide sind sehr gut gelungen, wobei das Original die Nase vorne hat. Und wer braucht schon Musik, wenn es bombastische Soundeffekte gibt?
Gameplay: Enterhaken, Fallschirme, Wingsuit, Sprengstoff, Waffen und Fahrzeuge, über deren Physik man sich durchaus streiten kann. Die Entwickler bieten alles an und machen die Kombination perfekt. Spielspaß ist garantiert.
Sonstiges: Die Story ist in etwa 15-20 Stunden geschafft. Doch Kreativität kennt kein Limit. Eine Menge Herausforderungen, Nebenaufgaben und Experimente warten auch außerhalb der Geschichte auf den Spieler. Kleine Info: Man muss die Vorgänger nicht gespielt haben!