Der in Yokohama ansässige Entwickler und Publisher Arc System Works hat es bewerkstelligt, neben dem bereits seit den späten 90er-Jahren etablierten Guilty Gear den Markt mit einem weiteren Beat ’em up zu bedienen. Zehn Jahre nach dem ersten Guilty Gear, welches 1998 erstmals für PlayStation erschienen ist, setzte das Entwicklerstudio mit BlazBlue: Calamity Trigger ihre zweite Beat’-em-up-Serie in die Welt.
Mit Guilty Gear Xrd -Sign- wagte sich Arc System Works, ebenfalls bekannt für Double Dragon (1988) und Battletoads (1993), bereits auf Current-Gen-Terrain. Ob BlazBlue: Chronophantasma Extend so gut aufgenommen wird wie Guilty Gear oder sich als müder Sparring-Partner entpuppt, erfahrt ihr in unserem Test!
„The wheel of fate is turning! Rebel 1 – Action!“ heißt es, wenn sich Spieler direkt in den Kampf stürzen wollen. Selbstverständlich ist, wie es sich für ein vernünftiges Beat ’em up gehört, auch bei Chronophantasma Extend ein Arcade-Modus mit von der Partie, in welchem es, ohne große Worte, zur Sache geht. Hier zeigt sich übrigens schnell, dass sich Arc System Works bei BlazBlue viel Mühe gegeben hat. Aber ganz langsam und vor allem: ganz von vorne!
„Bunter Anime-Stil vermag zu überzeugen“
Von Anfang an ist klar, dass die über 16 Gigabyte einiges an Content mitbringen. Dass es sich dabei um Inhalte von gefühlt fünfzehn Spielen handelt, war selbst bei der Datenmenge nicht klar. Faktisch handelt es sich um Inhalte im Wert von etwa drei Spielen und diversen Zusätzen. Neben diversen Modi zum Verbessern der eigenen Fähigkeiten liegen selbstverständlich auch Story-Modi vor. Hierzu muss gesagt werden, dass die Geschichte hinter BlazBlue so manche Rollenspiele alt aussehen lässt: Chronophantasma Extend verschachtelt Intrigen, Machtspiele, Geschichten über Familie und Freundschaft, Magie, Religion, Wissenschaft, Rache und vieles mehr.
Neben dem herkömmlichen Story-Modus, welcher gefühlt vier Bücher schwer wiegt, besteht die Möglichkeit auf einen „Teach Me More, Miss Litchi!“-Modus. Hier erklärt Dr. Litchi Faye-Ling dem Katzenmädchen Taokaka vom Kaka-Clan Dinge aus der BlazBlue-Welt. „Teach Me More, Miss Litchi!“ bietet neben Rückblicken zu BlazBlue: Calamity Trigger und BlazBlue: Continuum Shift vier weitere, neue Episoden. Ist euch das nicht genug, könnt ihr der Bibliothek, also dem Library-Mode, einen Besuch abstatten: hier erklärt euch Arc System Works Begriffe aus der Spielewelt.
Von Charakteren und Organisationen über spezielle Waffen und Fähigkeiten bis hin zu speziellen Ereignissen, Orten und Domänen in BlazBlue wird hier alles dokumentiert. Während „Teach Me More, Miss Litchi!“ neue Spieler unbeschwert als Klassenraum-Szenario an das Spiel heranführt, werden die drei Hauptgeschichten als eine Art Visual Novel mit gelegentlichen Kampfeinlagen und Anime-artigen Zwischensequenzen erzählt. Die Sahnehaube, von einem Häubchen ist bei der Textmenge nicht mehr zu sprechen, sind die phasenweise witzigen, leichten Dialoge, die zwischen den jeweiligen Charakteren geführt werden. Dass im Rahmen der Story aber auch andere Facetten aufgezogen werden, ist der zuvor erwähnten Themenauswahl zu entnehmen. Das „Remix Heart Gaiden“ betitelte Szenario entpuppt sich als Visual Novel in Überlänge und findet, etwas komödiantisch angehaucht, nur bedingt einen Anschluss an den Rest des Story-Modus‘.
„Beat’em Up oder Visual Novel?“
Für Freunde des gepflegten Kampfspiels könnte unser Test auch erst hier losgehen: der Arcade- und Network-Modus! Die Arcade-Modi bieten die hinlänglich bekannten Möglichkeiten: ihr wählt einen Charakter aus dem ziemlich breit gefächerten Kader und bestreitet Kämpfe gegen eine Batterie an Gegnern und einen Endgegner in einer stärkeren Form. Ganz nach dem Motto „content is king“ lässt BlazBlue: Chronophantasma Extend den Spieler auch hier nicht im Stich: der Versus-Modus bietet keine Überraschungen und bietet die Möglichkeit auf Kämpfe gegen menschliche Gegner an derselben Konsole.
Im Abyss-Modus stellt ihr euch einer Vielzahl an Gegnern, um die unterste Ebene von Kagutsuchi, dem Schauplatz der ersten beiden BlazBlue-Titel, zu erreichen. Mit, auch in anderen Modi, gesammeltem Geld lassen sich verschiedene, spezielle Fähigkeiten und Verbesserungen wie beispielsweise den „Blood Sucker“, welcher Leben regeneriert, sobald euer Charakter einen der Gegner trifft, zukaufen. Bei einer Niederlage wird der Shop zurückgesetzt und alle Gegenstände müssen erneut gekauft werden. Der Abyss-Modus erinnert entfernt an aus anderen Kampfspielen bekannte Survival-Modi. Im Score-Attack-Modus kämpft ihr gegen vom Computer gesteuerte Widersacher und versucht, unter verschiedenen Eingrenzungen eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Der jeweilige Punktestand lässt sich hochladen und mit dem anderer Spieler vergleichen.
Im seit Continuum Shift Extend präsenten Unlimited-Mars-Modus stellen sich Spieler zehn immens intelligenten, vom Computer gesteuerten Gegnern in vier unterschiedlichen Kursen. Erst nach dem Bezwingen eines Kurses besteht die Möglichkeit auf den nächsten. Wie im Score-Attack-Modus besteht die Möglichkeit, den Punktestand hochzuladen und zu vergleichen. Ein mit BlazBlue: Chronophantasma eingeführter Modus hört auf den Namen Highlander Assault. Nach dem Beenden des Story-Modus‘ besteht die Möglichkeit, mit einem Kämpfer nach Wahl gegen Gigant: Take-Mikazuchi zu kämpfen.
Dass über den Network-Modus die weite Welt des Internets und somit die weite Welt der Konkurrenz erschlossen werden kann, dürfte der Name zur Genüge erklären. Mit von der Partie ist an dieser Stelle eine Art Ranking, welches sich zwischen unterschiedlichen Charaktergruppen unterscheidet. So erreicht Jin Kisaragi auf Level 10 den Rang des „Corporal“, während Iron Trager mit „Class: Cat“ markiert wird. Das eingangs erwähnte Katzenmädchen Taokaka arbeitet sich auf der Farbleiter hoch und erreicht auf Level 10 die Farbe Grün, Ragna the Bloodedge hingegen wird, ähnlich einer Bewertung bei Kriminellen, mit dem „Risk Rating: F6“ eingestuft. Starten alle Spieler auf Level 1, markiert Level 100 das obere Ende der Fahnenstange.
Unter sonstigen Modi sind das Replay Theater und die Galerie aufzuführen. Das Replay Theater bietet die Option, heruntergeladene oder eigene Aufnahmen anzusehen. In der Galerie lassen sich, nach dem erfüllen diverser Bedingungen oder durch Spielgeld, beispielsweise Illustrationen zu Charakteren freischalten.
Sind alle Unklarheiten beseitigt und alle Modi bekannt, kann es ja endlich losgehen. Sollten Einsteiger auch nach dem Tutorial nicht mit dem System vertraut sein, bietet BlazBlue: Chronophantasma Extend als Option ein „Stylish Type“-Layout an. Der „Stylish-Type“ ermöglicht es auch absoluten Neulingen, komplizierte Angriffe durch das wiederholte Betätigen ein und derselben Taste auszuführen, für welche sonst komplexe, perfekt getimte Tastenkombinationen nötig sind.
Habt ihr es bis in den Kampf geschafft, weiß BlazBlue wie gewohnt mit an Anime angelehntem Stil und bunten, hervorragend ausgearbeiteten Effekten zu überzeugen. Jeder Pixel scheint perfekt gesetzt und alle Charaktere reagieren frei von jeglicher Verzögerung. BlazBlue: Chronophantasma Extend glänzt ferner mit Mechaniken wie dem Break Burst, welcher gegnerische Kombinationen unterbricht oder dem Crush Trigger, mit welchem gegnerische Versuche, Angriffe zu parieren, zunichte gemacht werden.
Ein großes Lob muss für das Balancing ausgesprochen werden: eine kunterbunte, absolut vielfältige und unterschiedliche Auswahl an Charakteren wird hier auf einem nahezu durchgehenden Niveau untergebracht. Während einige für Einsteiger geeignete Charaktere sicher einfacher zu handhaben sind als auf die Offensive fokussierte und weniger ausgeglichene Charaktere, kam zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, dass Charaktere stark bevorteilt oder benachteiligt sind. Ist der eine Kämpfer gemeistert, könnt ihr absolut schmerzfrei zu einem anderen wechseln. Dabei muss nicht befürchtet werden, dass der eine Charakter einem anderen in irgendetwas nachsteht. Viele der Charaktere spielen sich einzigartig und bei 28 Kämpfern findet sicher jeder Topf den zugehörigen Deckel.
Das in Full-HD-Auflösung bei 60 Bildern pro Sekunde daherkommende Kampfspiel vereint zweidimensionale Charaktere auf einem dreidimensionalem Hintergrund. Ohne den geringsten Zweifel lässt sich sagen, dass es sich bei BlazBlue: Chronophantasma Extend um eins der bisweilen schönsten Kampfspiele im vorliegenden Stil handelt. Untermalt wird das Kampfgeschehen von aggressiven J-Rock-Gitarrenriffs und diese ziehen einen, wenn dem nicht schon der Kampf selbst zuvorkam, in seinen Bann. Das Tempo der Musik geht sozusagen Hand in Hand mit der auf dem Bildschirm dargestellten Action!
„Großes Lob für das Balancing“
BlazBlue: Chronophantasma Extend ist mit einem tief greifenden Kampfsystem ausgestattet und, vorausgesetzt der Anime-artige Stil stößt euch nicht übel auf, hervorragend präsentiert. Die musikalische Untermalung steht der Präsentation hierbei in nichts nach. Abseits des Kampfsystems wartet Chromophantasma Extend mit drei Story-Strängen auf, welche immens viel Text und Geschichte und ziemlich wenig Kampf und Action mit sich bringen. Spieler, die Zeit und Lust haben, sich auf ein neues, durchaus interessantes Universum einzulassen, werden mit einer überdurchschnittlichen Auswahl verschiedenster Charaktere entlohnt. Freunde klassischer Beat-’em-up-Spiele kommen zwar in den Arcade-Modi auf ihre Kosten, sind bei klassischeren Ablegern des Genres aber vermutlich besser aufgehoben.
Story: Die Story ist verworren, verknotet und ziemlich tief. Neueinsteiger bräuchten theoretisch begleitende Lektüre in Form eines Literaturschlüssels um durchzublicken. Einigen Nebengeschichten fehlt es an der nötigen Qualität, um sich den drei Hauptsträngen anzuschließen.
Grafik: Prädikat herausragend. Hintergründe sowie Charaktere und deren Animationen sind detailliert und liebevoll gestaltet. Hier gibt es nichts zu bemängeln!
Sound: J-Rock-Gitarrenriffs untermalen das Kampfgeschehen passend. Lediglich während längerer Textpassagen kommt es zu Wiederholungen von Musikstücken, die an sich zwar schön sind, nach einer Zeit aber trotzdem aufkratzend wirken.
Gameplay: Die Steuerung in der Luft ist zeitweise fordernd. Das Move-Set ist simpel aber abwechslungsreich. Wermutstropfen sind gelegentliche Einbrüche der Bildrate, welche das Gameplay aber nur marginal beeinflussen.
Sonstiges: BlazBlue: Chronophantasma Extend platzt vor Content aus allen Nähten – Spieler, die nach einem klassischen Beat ’em up ohne große Worte dürsten, sind vermutlich woanders besser aufgehoben.