Eines der Spiele, welches dieses Jahr aus unterschiedlichen Gründen ein größeres Diskussionsthema darstellte, ist wohl Tales of Zestiria. Als es in Japan erschien, folgte innerhalb kürzester Zeit eine nicht aufhören wollende Flut an Beschwerden, die sogar Morddrohungen mit einschlossen. Natürlich schwappte das auch schnell in den Westen über und viele fragten sich, was es mit der Aufregung auf sich hatte.
Ist Tales of Zestiria wirklich so schlecht, dass man es boykottieren muss oder liegt es wirklich nur am etwas daneben gelaufenen Marketing und einigen technischen Problemchen? Fakt ist, dass es schon im Voraus negativ beeinflusst wurde und die Vorfreude in den Keller sank. Sehr erfreulich war es demnach, dass Bandai Namco sich im Westen nicht daran gestört hat und neben der bereits existierenden PlayStation-3-Version zusätzlich eine Version für PlaySation 4 und Steam ankündigte. Dazu gesellte sich eine Limited Edition mit lohnenswertem Inhalt.
Eines ist auf jeden Fall sicher: Tales of Zestiria ist keinesfalls frei von Mängeln und die Reise des Hirten Sorey dadurch mit mehr Hindernissen verbunden als gewollt. Um was es sich dabei genau handelt und ob andere Punkte das Spiel trotzdem lohnenswert machen, erfahrt ihr in unserem Test zur PlayStation-4-Version!
Die Reise des Hirten

Solange er denken kann, wohnt Sorey in einem Dorf der Seraphim. Er ist einer der wenigen Menschen mit reinem Herzen, die die Gabe besitzen, das unsichtbare Volk der Seraphim zu sehen und gilt als ein festes Mitglied ihrer Familie. Zusammen mit seinem Kindheitsfreund Mikleo, ein Seraph des Wassers, ist er des Öfteren unterwegs, um Ruinen zu erkunden.
Eines Tages führt ein neuer Ausflug dazu, dass die beiden in einem unbekannten Teil des Seraphim-Dorfes landen, welcher sich nahe der Ruinen befindet. Dort treffen sie auf ein Menschenmädchen, welches Sorey kurzerhand mit ins Dorf nimmt, da er die junge Frau nicht alleine lassen kann.
Diese Entscheidung stellt den Beginn eines großen Abenteuers dar, das Sorey und Mikleo weit weg von Zuhause führt und sie in einen Kampf gegen die Bosheit verwickelt, die immer weiter die Welt befällt.
Bandai Namco ließ einmal verlauten, dass sie mit Tales of Zestiria zu den Wurzeln zurückkehren wollen und dieses Gefühl findet man auf jeden Fall in der Fantasy-Geschichte des Spieles wieder. Auch wenn die Handlung letztendlich auf das typische „gegen eine übermächtige Bedrohung ankämpfen“ hinausläuft, wirken einige Ideen frisch und originell. Die Charaktere setzen sich aus sympathischen, unterschiedlichen Stereotypen zusammen, mit denen es Spaß bringt zu reisen. Keiner fällt hier negativ aus dem Rahmen und es ist ein fester Zusammenhalt zwischen den Charakteren zu erkennen, der durch allerhand Gespräche und Plaudereien gestärkt wird. Leider kann man hier nicht auf eine Charakterentwicklung für jeden hoffen. Hinzu kommt, dass die Antagonisten nicht wirklich zu überzeugen wissen. Einige sind einfach nur da und es fehlt einfach nötiges Hintergrundwissen, welches im Spielverlauf nie vermittelt wird.
Schnell wird klar, dass es sich bei Tales of Zestiria um ein Spiel handelt, welches in erster Linie von seinen Charakteren lebt. Leider sind diese gefangen in einer Geschichte, deren gute Ideen mehr schlecht als recht umgesetzt wurden. Eine andere Anordnung gewisser Szenen und eine bessere Absprache beim Schreiben des Szenarios hätten hier sicherlich schon Abhilfe geschaffen, denn Geschehnisse wirken oftmals durcheinander, einige Dinge ergeben keinen Sinn und hie und da schleichen sich Logikfehler ein. Es ist zudem nicht allzu schwer, einige der Twists zu erraten bevor sie geschehen, da an Hinweisen nicht gespart wird.
Hinzu kommt, dass die deutsche Übersetzung so ihre Macken hat und somit das Verständnis unnötig erschwert. Hier werden Dinge vertauscht oder vom Sinn her falsch wiedergegeben, unglückliche Formulierungen gewählt und sogar ganze Stadtnamen ohne weiteres ins Deutsche übersetzt. Ein gänzlicher Fehlschlag ist die deutsche Übersetzung trotzdem nicht, da sie gute Ideen mit eingebaut hat, die bei einigen Witzen, Texten und Begriffen zu sehen sind. Manchmal dachte sich Bandai Namco wohl auch, dass Szenen keine Untertitel bräuchten. Das kommt besonders gut, wenn mit japanischer Synchronisation gespielt wird.
Durch das ganze Land…

Tales of Zestirias Welt ist riesig und bringt ein Open-World-Gefühl mit sich. Allerdings handelt es sich nur um einen kläglichen Versuch, in diese Richtung zu entwickeln. Auch wenn das Erkunden der Gegenden Spaß bringt, wirkt die Welt, als wäre diese in einem gigantischen Ausmaß vergrößert und in die Länge gezogen worden. Zwar stellt dies eine erhebliche Verbesserung zu Tales of Xillias Copy-and-Paste-Gegenden dar, die Armut an Details fällt trotzdem auf. Manchmal ist man deswegen dazu gezwungen, doppelt so lange als gewohnt durch ein völlig karges Gebiet zu laufen, in welchem es außer ein paar Monstern, rar gesäte Truhen und Entdeckungspunkten nichts zu finden gibt. Leider ist dabei nur Sorey zu steuern.
Die Ruinen im Spiel sehen sich hinsichtlich ihres Designs oft sehr ähnlich und die seltenen Rätsel in einigen wenigen Dungeons sind nichts Halbes und nichts Ganzes. Stellen, an denen man wirklich seinen Kopf anstrengen muss um weiterzukommen, sind so gut wie nicht vorhanden. Das haben vorherige Tales-of-Teile besser hinbekommen!
Zum Glück gibt es so einige nette Nebenereignisse zu bestreiten und Dinge zu finden. Hierzu zählen Monolithe, Normins (Tales of Zestirias Maskottchen), Fundstätten und unzählige optionale Gegner. Wer auf so etwas Wert legt, wird seine Freude am Umherreisen und Erkunden haben.
Erleichtert wird die Reise durch unterschiedliche Unterstützungstalente, die mit nützlichen Effekten daherkommen. Rüste einen Charakter mit einem bestimmten Talent aus und er wird dich darauf aufmerksam machen, wenn eine Truhe in der Nähe ist oder er bereitet in regelmäßigen Abständen Snacks zu. Die Effekte verstärken sich, je öfter sie zum Einsatz kommen.
Eine interessante Funktion stellen die Herrscher des Landes dar. Dies sind Seraphim, die über jeweils einen Abschnitt der Welt wachen und bei welchen sich durch im Kampf erhaltene Ränge oder das Abgeben von Gegenständen nützliche Dinge freischalten lassen. Dazu zählen das Umherreisen von Speicherpunkt zu Speicherpunkt, Wiederauffüllen von Truhen und Zuordnen von Normins.
…und noch viel weiter…

Einen eher schlechten Job legt Tales of Zestiria mit dem Erklären der Spielmechaniken hin. Wissenswertes liegt versteckt in Monolithen, die im gesamten Spiel verstreut sind oder wird nur in Plaudereien erzählt, für welche regelmäßig im Gasthaus übernachtet werden muss. Das Problem an der Sache ist, dass solche Informationen verpasst werden können und somit wichtiges Wissen verloren geht.
Genau solche Umstände machen auch das Fähigkeitensystem viel komplizierter als es letztendlich ist. Beim erstmaligen Ansehen des Menüs wird dieses nur notdürftig erklärt. Das System bietet viel zum Herumexperimentieren, gerade durch das richtige Verschmelzen von Ausrüstung. Wenn man weiß wie es funktioniert, aber auch nur dann, kann das System nicht nur interessant, sondern auch nützlich sein.
Tales of Zestirias Kampfsystem lässt sich in erster Linie mit dem Kampfsystem aus Tales of Graces vergleichen. Nachdem man eines der auf der Oberwelt sichtbaren Monster berührt oder mit Soreys Schwert schlägt, geht es ohne weitere Unterbrechungen in das Kampfgeschehen über. So werdet ihr immer an der Stelle der Begegnung gegen den Feind kämpfen. Um Widersacher zu bezwingen könnt ihr eure Figur über das Feld bewegen, Angriffe und Kombinationen ausführen, spezielle Fertigkeiten einsetzen und neben Angriffen verteidigen, Gegnern auch geschickt ausweichen. Allerdings haben eure Aktionen Grenzen. Eure Freiheiten gibt euch der Seelenketten-Wert vor. Jede Aktion steht damit in Verbindung und zerrt an der Seelenketten-Leiste. Ist die Seelenketten-Leiste leer, muss diese, bevor man wieder agieren kann, wieder aufgeladen werden.
Die Zusammensetzung des eigenen Teams in Tales of Zestiria ist speziell. Um einen Seraph im aktiven Kampf dabei zu haben, muss er einem Menschen zugeordnet sein. So kann es dazu kommen, dass man ein volles Team hat, aber nur zwei den Kampf bestreiten. Dafür hat Bandai Namco sich eine andere Methode ausgedacht, die sich als sehr hilfreich erweist. Seraphim können jederzeit ausgetauscht werden, selbst dann, wenn ein Seraph kampfunfähig wird. Im Standby-Modus regeneriert sich dieser Charakter dann von selbst und ist nach einer Weile wieder einsatzbereit. Abhilfe kann auch eine Armatisierung verschaffen. Hierbei verbindet sich ein menschlicher Charakter mit einem Seraph, um eine neue, stärkere Form anzunehmen. Mit einer Verwandlung wird automatisch der kampfunfähige Charakter wiederbelebt. Die Verbindung bringt allerdings auch ein Risiko mit sich: stirbt man in besagter Form, bedeutet dies das Ableben beider Charaktere.
…um die Bosheit in der Welt zu besiegen…

Auch wenn die Grafik weit entfernt von einem Meisterwerk ist und die Aufhübschung der PlayStation-4-Version nur für geringfügige Verbesserungen sorgt, sind doch einige Gegenden vertreten, die eine wirklich schöne Aussicht bieten. Die Modelle der Charaktere sind frei von Pixeln, hinsichtlich Design und Präsentation gibt es hier nichts zu beanstanden. Mängel finden sich weitgehend in anderen Punkten der Gestaltung wieder: die bereits erwähnten kargen Gebiete, lieblos gestaltete Vegetation und NPCs, die wie Puppen wirken. Außerdem kann ein Großteil der Gebäude in Städten nicht betreten werden.
Schön ist hingegen, wie übergangslos und ruckelfrei sich das Spiel präsentiert. Sowohl Kämpfe, als auch Szenen starten weitgehend ohne jegliche Ladezeiten, wodurch ein angenehmeres Spielgefühl vermittelt wird. Negativ anzumerken ist, auch in der Version für PlayStation 4, dass die Oberwelt und Städte mit Pop-Ups zu kämpfen haben. Zudem darf man mit einer mehr als nur katastrophalen Kamera im Kampf rechnen.
Qualitativ hochwertig zeigt sich Ufotables Charakterdesign, welches im Statusmenü und den Plaudereien zum Zuge kommt. Zudem kann man sich auf so einige epische Zwischensequenzen und eines der besten Openings freuen. Wenn auch letzteres leider nur instrumental mitgeliefert wird.
Durch die Mitwirkung zweier Komponisten unterscheidet sich die musikalische Untermalung fast schon extrem! Während Go Shiina eher auf starke, wilde Stücke setzt, wirkt Motoi Sakurabas Musik dagegen wenig originell und zu schwach. Das heißt nicht, dass die Musik Sakurabas schlecht ist. Einige hörenswerte Stücke haben sich auch bei Sakaruba eingeschlichen, allerdings klingt es stellenweise so, als hätte er Stücke aus seinen anderen Werken wiederverwendet. Zudem fehlt die Abwechslung. Ohne das Mitwirken von Go Shiina wäre der Soundtrack wohl fast genauso bedeutungslos geworden wie der vergangener Tales-of-Ableger.
An Umfang mangelt es Tales of Zestiria zum Glück nicht. Dafür sorgen unter anderem optionale Dungeons und Bosse, sowie ein zusätzliches Gebiet nach Beenden des Spieles. Wer das Spiel auf 100% bringen möchte, wird leicht über 80 Stunden daran sitzen und das Abenteuer vielleicht sogar zwei Mal miterleben müssen. Wie gewohnt gibt es eine New-Game-Plus-Funktion inklusive Rangladen zum Aussuchen nützlicher Dinge, welche einen weiteren Durchgang erleichtern sollen.
Das Einzige, was man in Tales of Zestiria fast vergeblich sucht, sind Kostüme. Zwar hat man daran gedacht, einige Charaktere mit alternativen Outfits auszustatten, allerdings handelt es sich dabei um eine extrem kleine Anzahl. Bandai Namco versucht es erneut auf die gleiche (erfolgreiche?) Tour und bietet Kostüme als kostenpflichtigen DLC im PlayStation Store an. Mit von der Partie ist ein DLC, welcher eine Extrastory freischaltet. Noch ist dieser auf der offiziellen Seite von Bandai Namco kostenlos anzufordern, allerdings auch nur für wenige Wochen.
Fazit
Es ist wirklich schwer Tales of Zestiria zu bewerten und eine Empfehlung auszusprechen. Auf einen positiven Punkt folgt sofort mindestens eine Sache, die es zu bemängeln gibt und insgesamt macht das Spiel leider mehr falsch als richtig. Die Atmosphäre, Charaktere, das Kampfsystem und Musik vermitteln ein typisches Tales-of-Gefühl. Fans wird dies sicherlich gleich gefallen, allerdings wird die Begeisterung schnell durch eine wirre, stellenweise unlogisch präsentierte Handlung getrübt.
Hinzu gesellen sich technische Probleme und ein unnötig kompliziert erscheinendes Fertigkeitensystem. Trotz allem ist Tales of Zestiria kein schlechtes Spiel und bringt, wenn man die Fehler verkraften kann, eine Menge Spielspaß mit sich. Fans, die Tales of Graces‘ Kampfsystem mögen und für die Charaktere eine wichtige Rolle spielen, dürfen gerne einen Blick riskieren. Freunde von Rollenspielen, die sehr auf technische Leistung und Grafik achten, sollten stattdessen lieber die Finger von Tales of Zestiria lassen.
Story: klassische Fantasy-Geschichte mit netten Ideen, sehr sympathischen Charakteren, aber leider eher schlechter Präsentation, wenig überraschenden Twists und dem einen oder anderen Logikfehler
Gameplay: spaßiges Kampfsystem, welches an das von Tales of Graces rankommt, eine riesige, leider wenig detaillierte Oberwelt zum Erkunden, unnötig kompliziert erscheinendes Fertigkeitensystem
Sound: Auswahl zwischen japanischer und englischer Synchronisation
Musik: Positive Abwechslung bietet die Musik von Go Shiina. Motoi Sakuraba hat dagegen nur sehr wenig Hörenswertes zu bieten.
Sonstiges: qualitativ hochwertige Animezwischensequenzen, großer Umfang mit New Game+ und optionalem Teil, nur instrumentales Opening, so einige technische Probleme, geblockte Share-Funktion (PlayStation-4-Version)
