Während wir dank Firmen wie Sekai Project in den letzten Monaten ordentlich mit Visual Novels versorgt werden, sieht es im Bereich der Otome noch ganz anders aus. Noch sind Vertreter des Genres im Westen sehr rar gesät. Mit den Spielen Sweet Fuse: At Your Side und Hatoful Boyfriend haben wir Ableger aus diesem Bereich mit Begeisterung getestet.
Nun versucht der Publisher Idea Factory International mit der englischen Lokalisierung von Amnesia: Memories, Spieler in Europa und Nordamerika mit einem Titel aus dieser Gattung zu erfreuen. Entwickelt wurde die Geschichte von der japanischen Firma Otomate. Seit dem 26. August ist die Geschichte in Europa für PlayStation Vita und für PCs via Steam als Download erhältlich. Eine Version für mobile Geräte, die auf iOS oder Android läuft, soll in einer Zusammenarbeit mit Gloczus bald folgen.
Die Geschichte beschäftigt sich mit einer Heldin, die an einer Amnesie leidet. Dieser Zustand wurde in den letzten Jahren für sehr viele Rollenspiele, Visual Novels oder Otome verwendet. Kann uns dieses Thema überhaupt noch reizen? Und wie geht das Spiel mit den Stereotypen eines Otome-Spiels um? Wir haben für euch die Version für PCs via Steam getestet und nach dem kompletten Abschluss der Handlung möchten wir euch erzählen, ob sich der Ausflug in die Welten von Amnesia: Memories lohnt.
Herz, Pik, Kreuz oder Karo – die ersten Schritte der Heldin

Die Heldin, die ihr beliebig benennen könnt, wobei der vorgeschlagene Name Karina lautet, erwacht in einer unwirklichen Umgebung. Verwirrt sieht sie ein Wesen, das kein Mensch zu sein scheint. Die Kreatur stellt sich als Orion vor, eine Art Geist, der durch einen Zusammenstoß seinen Weg in Karinas Bewusstsein fand.
Nun sind ihre Seelen miteinander verschmolzen und Orion ist in ihrem Inneren gefangen. Durch die Vereinigung wurden allerdings Karinas Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis gedrückt. Nun will der Geist der Heldin helfen, die Gedanken an ihr Leben wiederzuerlangen. Nur durch die Regeneration von Karinas Verstand sieht Orion eine Chance, wieder aus ihrem Bewusstsein zu gelangen.
Doch welcher Zustand sorgte für ihren Zusammenstoß? Gemeinsam betreten die beiden die Welten, in denen Karinas Freunde warten. Oder sind die Menschen ihre Feinde? Ohne verbleibende Erinnerungen besteht die Gefahr, dass sie an Leute gelangt, die sich aus ihrer hilflosen Situation einen Vorteil verschaffen können. So versuchen die beiden, die Wahrheit hinter ihrem aktuellen Zustand zu verbergen, doch nicht alle Kameraden fallen auf diese Fassade rein.
Eure Aufgabe ist es, die Wahrheit hinter Karinas Amnesie zu entdecken und ihr Leben wieder an den Punkt vor dem Zusammenstoß zu bringen.
Nach einem kurzen Prolog stehen euch vier Welten zur Auswahl. Ihr könnt beliebig einen Ort aussuchen, jedoch wird empfohlen, die Geschichten nach der vorgegebenen Reihenfolge zu spielen. In jedem Abenteuer erfahrt ihr mehr über die Identität der Heldin und über ihre möglichen Partner.
Der coole Typ, Playboy, Brillenträger und der Jugendfreund

In jeder Geschichte steht ein männlicher Charakter im Vordergrund, mit dem Karina eine romantische Beziehung eingehen kann. Jedes Kapitel besteht aus einem guten Ende, sowie normalen und mehreren schlechten Enden. Ihr lest die Geschichte in Form einer Visual Novel und trefft an bestimmten Punkten Entscheidungen.
Die Antworten beeinflussen die Parameter Zuneigung (Affection), Vertrauen (Trust) und Argwohn (Suspicion). Das Ziel liegt darin, die beiden ersten Leisten möglichst zu füllen, während man das Misstrauen niedrig halten sollte.
Die charakterlichen Einstellungen der Männer bleiben in den verschiedenen Welten gleich, nur ihre Verbindungen zu Karina können sich je nach Geschichte ändern.
Als mögliche Kandidaten stehen der coole Shin, Playboy Ikki, der pragmatische Brillenträger Kent und der Jugendfreund Toma, der sich wie ein älterer Bruder verhält, zur ersten Auswahl. Die Daten, die euch über die verschiedenen Routen informieren, verraten, dass es noch einen anderen Charakter gibt, den ihr allerdings zuerst freischalten müsst.
„Am Ende folgt ein großes Aha-Erlebnis“
Als Vertreter der Otome-Spiele beschäftigt sich Amnesia: Memories natürlich mit der Romantik, die jedoch nicht immer komplett im Vordergrund steht. Neben diesem Element wurde die Handlung noch mit anderen Bestandteilen versehen, die für Abwechslung in der Erzählform sorgen. Eine Geschichte wirkt wie eine Kriminalgeschichte, eine versteckt ein trauriges Geheimnis, eine andere erzählt von einer dunklen Leidenschaft und eine andere von Mobbing.
Auch wenn die Episoden in unterschiedlichen Welten spielen, gibt es eine Verbindung, von der ihr immer mehr erfahrt. Doch nur wenn ihr alle guten Enden erspielt, werdet ihr die Wahrheit hinter diesem Zusammenhang erfahren. Deswegen lautet unser Tipp, den Titel komplett zu spielen, weil ihr ansonsten ein großes Aha-Erlebnis verpassen würdet.
Neben den Hauptcharakteren gibt es Nebencharaktere, welche die Handlung bereichern und nicht immer im gleichen Verhältnis zu Karina stehen. Natürlich kommt das Otome nicht ohne die bekannten Stereotypen aus und auch Karina wirkt in den ersten Stunden wie ein stummer Protagonist. In Wahrheit führt euch Orion durch die Geschichte, der nur von Karina vernommen wird. So scheint die Heldin sehr unbeteiligt, doch dieser Zustand ändert sich mit dem Erhalt ihrer Erinnerungen, die an manchen Punkten in den Handlungen ausgelöst werden.
Lust auf eine Runde Air-Hockey?

Wenn ihr einige Stunden mit Lesen verbracht habt und mehr Action benötigt, bietet der Titel zwei Minispiele. Entweder verbringt ihr die Zeit mit Air-Hockey oder mit einer Runde Schere, Stein, Papier, wobei ihr gegen die männlichen Charaktere antretet. Als Extras gibt es ein Album mit einer Galerie, Filmen und einer Liste der verschiedenen Enden.
Habt ihr für ein Kapitel das gute Ende erreicht, werden die Erinnerungen dieser Person freigeschaltet, die euch durch eine kurze Episode führen. Gelingt es euch, alle guten Enden zu finden, dann gibt es eine Nebengeschichte für jeden Junggesellen.
Die Schönheit dieser Welten
Mit der Darstellung der Figuren haben sich die Entwickler sehr viel Mühe gegeben. Die Illustrationen der Personen stecken voller Liebe und Details. Der Stil ist sehr ästhetisch und farbenfroh gehalten. Verschiedene Winkel, aus denen man die Charaktere sieht, sowie ihre Bewegungen sorgen für eine richtige Lebendigkeit. Leider verwenden sie nur eine begrenzte Auswahl an Gesten, die für eine Wiederholungsrate sorgen.
„Für Action sorgen zwei Minispiele“

Die Hintergründe sind gezeichnet und je nach Raum oder Ort in einem übergehenden Farbton gehalten. Jedoch entdeckt man bei dieser einfach klingenden Darstellung viele Einzelheiten, zudem stechen die animierten Figuren in dieser Kulisse deutlicher hervor und verschmelzen nicht mit ihrer Umgebung.
Die Computergrafiken sind sehr hochwertig und beeindrucken mit ihrer Qualität. Diese Momente werden von den sanften und reibungslosen Bewegungen der Figuren untermalt.
Die Melodien sind friedlich und bestehen vorwiegend aus Stücken, die auf einem Klavier gespielt werden. Durch diese Auswahl an Lieder wird die gefühlvolle Atmosphäre unterstützt. An einigen Punkten nimmt der Soundtrack an Spannung zu, um unangenehme Szenen zu verdeutlichen. Die beruhigenden Klänge tendieren, während man über Stunden eine Geschichte liest, doch auch dazu, hinter der Handlung zu schwinden. Die Tonspur ist nur auf Japanisch.
Der erfolgreiche Weg der Erinnerung
Für eine Route benötigt ihr um die fünf Stunden, sofern ihr das Geschehen nicht überspringt und von einer Entscheidungsmöglichkeit zur nächsten springt. Die Entwicklung des Verlaufs könnt ihr anhand der Parameter ständig überprüfen. Es ist via PCs jederzeit möglich, den Spielstand zu sichern, dafür bietet die Edition für PlayStation Vita eine Möglichkeit für eine Schnellspeicherung.
Insgesamt dürft ihr euch auf 20 Stunden Spieldauer freuen, die sich erhöht, wenn ihr alle Enden entdecken möchtet. Natürlich klingt eine Geschichte über Amnesie in der heutigen Zeit der Videospiele nicht mehr spannend, zu oft wurde diese Thematik ausgelutscht.
„Ein sehr guter Vertreter des Genres“
Jedoch sollten auch Skeptiker einen Blick auf Amnesia: Memories werfen. Zuerst steht nicht nur allein die Romanze im Vordergrund, sondern man nutzt auch andere Stilelemente, wie eine Kriminalgeschichte, die viel Abwechslung in den Alltag des Otome-Spiels bringen. Natürlich ist nicht jede Episode qualitativ hochwertig und jeder von euch wird einen anderen Liebling auswählen.
Hat man dann jedoch alle guten Enden gesehen, wird man erst den Sinn hinter dem Zustand der Heldin und bestimmter Personen erfahren. Die Erkenntnis ist dann doch sehr ungewöhnlich für ein Spiel, dessen Genre sich im Hauptgrund mit verschiedenen Beziehungen beschäftigt. Auch wenn sich eine Route einmal etwas zieht, lohnt sich der komplette Blick auf das Bild.
Mit Amnesia: Memories hat Idea Factory International einen sehr guten Vertreter für den Westen ausgesucht, der neben Romantik nicht nur Spannung, sondern auch eine sehr ergreifende Geschichte bietet, die zum Schluss einen Leser sehr berühren kann. Sofern ihr keine Lesemuffel seid und auch mit der Tatsache zurechtkommt, euch als weibliche Heldin von mehreren gutaussehenden Männern umgarnen zu lassen, eignet sich der Titel sehr gut als Einstieg in die Welt der Otome.
Story: Die Handlung unterteilt sich in mehrere Episoden, die in ähnlichen Welten spielen. In jedem Kapitel steht ein männlicher Charaktere im Vordergrund, mit dem man eine romantische Beziehung eingehen kann. Euer Ziel liegt darin, die Erinnerungen der Heldin zu finden.
Gameplay: Ihr lest die Geschichte und trefft an bestimmten Punkten Entscheidungen, die das spätere Ende beeinflussen. Parameter verraten euch, ob ihr euch auf ein gutes Ende freuen könnt.
Grafik: Wunderschöne Gestaltung der Figuren, denen durch Bewegung Lebendigkeit gegeben wird. Die Hintergründe sind mehr skizzenhaft gezeichnet, bestehen dafür aus vielen Details. Die Computergrafiken sind sehr hochwertig produziert.
Soundtrack: Die meiste Zeit werden friedliche Stücke auf einem Klavier gespielt. Mit der Spannung verändert sich die Melodie. Im Ganzen gehen die Lieder durch ihre Einfachheit in der Handlung unter.
Sonstiges: Zu den Extras gehören zwei Minispiele, eine Galerie, eine Liste mit den verschiedenen Enden sowie freischaltbare Erinnerungen und Nebengeschichten der männlichen Charaktere. Das Spiel wird durch PlayStation TV unterstützt.
getestet von Pericci