Dragon Quest, eine Serie, die sich heute nur sehr langsam entwickelt, konnte zur 8-Bit-Zeit auf ganze vier NES-Spiele anwachsen. Dragon Quest IV, das im Februar 1990 erschien, ist in einer Hinsicht besonders: Es erzählt die Geschichte aus vielen verschiedenen Perspektiven. Wie sich das auf das Spielerlebnis auswirkt, erfahrt ihr hier.
Dragon Quest III war in Japan ein voller Erfolg. Das Klassensystem stieß auf sehr positive Resonanz, aber trotzdem beschloss Yuji Horii, im vierten Teil nicht auf austauschbare und frei wählbare Charaktere zu setzen, sondern viel stärker als zuvor die Handlung von ihnen treiben zu lassen. Aus diesem Grund wurde aus Dragon Quest IV ein Spiel, dessen Handlung zur Hälfte Exposition ist.
Ebenfalls wollte Yuji Horii ein Sammelelement in das Spiel einbauen, aber anders als in den Vorgängern, wo man beispielsweise Kugeln sammeln musste, wollte er diese Elemente in Dragon Quest IV optional gestalten. So wurden die Mini-Medaillen erfunden.
Während Yuji Horii wieder die Rolle des Szenarioschreibers übernahm, war Koichi Nakamura wieder Director und Koichi Sugiyama sorgte für die Musik. Für die Artworks war Akira Toriyama zuständig.
Dragon Quest IV beginnt mit einer Einleitungssequenz, die den Helden des Spiels und die tragischen Umstände, die ihn umgeben, zeigt. Allerdings spielt man diesen Helden in der ersten Hälfte des Spiels gar nicht. Stattdessen bestreitet man vier Kapitel mit unterschiedlichen Protagonisten, die später alle Verbündete des Helden werden, und erst im fünften und finalen Kapitel, das die zweite Hälfte des Spiels ausmacht, kommen alle zusammen.
Im ersten Kapitel spielt man einen treuen Ritter, im zweiten eine wilde und wenig hoheitliche Prinzessin. Das dritte Kapitel erzählt vom Händler Torneko (Taloon in der ursprünglichen Übersetzung) und seinem Streben nach wirtschaftlichem Erfolg und im vierten Kapitel geht es um zwei Schwestern auf der Suche nach Rache für die Ermordung ihres Vaters.
Nicht nur inhaltlich, sondern auch spielerisch unterscheiden sich die einzelnen Kapitel. So muss man mit Torneko beispielsweise weniger kämpfen und sich mit anderen Wegen befassen, Geld zu verdienen. Man arbeitet in einem fremden Laden, führt einen eigenen und erhält von Monstern sehr viel wertvollere Gegenstände als die Protagonisten in den anderen Kapiteln. Denn Tornekos erstes Ziel ist es, einen eigenen Laden aufzumachen.
Im Verlauf der ersten vier Kapitel trifft man bisweilen sogar auf Charaktere aus den anderen Kapiteln und besucht gewisse Orte mehrmals. Allerdings kennen sich die Charaktere zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, weshalb man das Gefühl hat, mit normalen NPCs zu sprechen.
Im finalen Kapitel spielt man den Helden, dessen Heimatdorf zerstört wird und der als einziger flüchten konnte. Nach und nach trifft er auf die Charaktere aus den vorherigen Kapiteln und eine Gruppe bildet sich. Dann gilt es, den bösen Estark zu finden, der hinter all dem steckt.
Dragon Quest IV behält den typischen Charme der Serie, schreckt allerdings nicht davor zurück, auch mal ernst zu sein. So erlebt auch man die Tode wichtiger Charaktere, und es gibt generell mehr handlungsrelevante und ernste Szenen.
Dragon Quest IV ist das erste Spiel der Serie, in dem man seine Gruppe frei zusammenstellen kann – aus diesem Grund reist man in Kapitel 5 auch mit einer Kutsche durch die Welt. Es ist auch das erste Spiel der Serie, das ein Taktik-System beinhaltet, mit dem man eine recht grobe KI („Damage“, „Healing“, „Conserve MP“) für die Charaktere einstellen kann, die abgesehen vom Protagonisten im letzten Kapitel autonom agieren.
Dragon Quest IV hat auch Mini-Medaillen eingeführt, die man auf der ganzen Welt verteilt finden und bei einem einsamen König gegen nützliche Objekte eintauschen kann. Im Spiel gibt es sogar ein Casino, in dem man sich mit einer Slot Machine, mit Poker oder mit Monsterwetten beschäftigen kann – natürlich alles auf sehr minimalistische Weise.
Wie gehabt, gibt es wieder ein Tag- und Nachtsystem und verschiedene Fortbewegungsmittel, darunter einen Heißluftballon. Bisweilen gibt es auch kleinere Überraschungen zu sehen. Im Kampf gegen acht Schleime können sich diese zum Beispiel unerwartet zu einem Schleimkönig vereinen. Solcherlei Charme findet man im Spiel serientypisch sehr viel.
Dass Dragon Quest IV das Storytelling ganz anders angeht, kommt dem Spiel eindeutig zu Gute – in mehr als einer Hinsicht. Einerseits ist das Spiel dadurch nicht nur auf die Rolle des Helden in der Geschichte konzentriert, sondern erlaubt vielen Charakteren, ihren Teil vom Rampenlicht abzubekommen. Andererseits profitiert auch der Spielspaß davon. Zum Einen, weil die einzelnen Kapitel mit den unterschiedlichen Charakteren unterschiedlich gestaltet sind – im Händler-Kapitel geht es beispielsweise mehr ums Geldmachen als ums Kämpfen –, und zum Anderen, weil das Spiel dadurch in deutlich kleinere, konzentriertere Bausteine aufgeteilt wird, was längeren Durststrecken vorbeugt.
Besonders schön fand ich zu sehen, wie viel Liebe mal wieder in das Spieldesign gesteckt wurde. Die Geschichten der einzelnen Dörfer waren im Vorgänger meiner Meinung nach noch etwas besser und ideenreicher umgesetzt, aber Dragon Quest IV hat den großen Vorteil, keine austauschbaren Schablonencharaktere zu haben.
Auch mit seiner Vielfalt an Umgebungen kann Dragon Quest IV punkten: Neben den üblichen Dörfern, Schlössern und Dungeons, besucht man unter Anderem ein Schloss über den Wolken, ein Wüstendorf, antike Gemäuer, ein Casino und einen gigantischen Baum.
Eine deutliche Verbesserung in puncto Spielerfreundlichkeit ist die Tatsache, dass man nur noch wenig ziellos durch die Welt streift, sondern die Ziele meist klar definiert bekommt und daher nur selten eine Lösungshilfe konsultieren muss. Trotz allem ist Dragon Quest IV natürlich immer noch stark aufs Kämpfen ausgelegt und damit wird man als Spieler auch einen beträchtlichen Teil der Zeit verbringen. Die Kämpfe sind recht fair, aber Grinding wird noch immer vorausgesetzt und das Kampfsystem ist nach wie vor nicht sonderlich aufregend.
Musikalisch und grafisch hält sich Dragon Quest IV sehr an seine Vorgänger, das heißt, man merkt keine riesigen Unterschiede, aber schon kleine Verbesserungen. Besonders musikalisch versucht das Spiel durchaus Neues: Für jeden Charakter, das heißt jedes Kapitel, gibt es eine eigene Weltkarten- und Kampfmusik. Der Soundtrack besteht aus vielen gelungenen Stücken und ist – mal nebenbei erwähnt – besonders in der symphonischen Fassung empfehlenswert.
Fazit: Dragon Quest IV fühlt sich durch seinen neuen Ansatz in der Erzählung erstaunlich frisch an, und dadurch gewinnt auch das ganze Spiel inhaltlich an Qualität. Manche mögen dem primitiven Klassensystem des Vorgängers hinterhertrauern, aber meiner Ansicht nach ist Dragon Quest IV in fast jeder Hinsicht der beste NES-Teil der Serie: Inhaltlich, erzählerisch, spielerisch, grafisch, musikalisch. Letztlich ist es natürlich trotzdem ein NES-Spiel, bei dem man sich durch etliche Zufallskämpfe schlagen darf – aber ein sehr schönes.
Dragon Quest IV hat dem Genre der japanischen Rollenspiele auf jeden Fall bewiesen, dass es sich lohnen kann, beim Erzählen einer Geschichte neue Wege zu beschreiten. Ebenfalls brachte das Spiel viele Charaktere zusammen, aus denen sich der Spieler selbst seine eigene Gruppe zusammenstellen konnte.
Natürlich hat das Spiel aber auch für die Serie selbst eine große Bedeutung. In Dragon Quest IV spielen die niedlichen Schleim-Gegner, die in Japan mittlerweile jeder kennt, zum ersten Mal eine wirklich große Rolle. Sie treten, wie davor auch schon, in vielen Formen als Gegner auf und können sich sogar zu einem Schleimkönig vereinigen. Es gibt sie als auch NPCs, die an vielen Orten die Umgebung schmücken. Die Mini-Medaillen und die Kutsche sind weitere charakteristische Elemente der Serie, die in Dragon Quest IV begonnen haben.
Mit Torneko no Daibouken: Fushigi no Dungeon (Torneko’s Great Adventure: Mystery Dungeon) erhielt das Spiel 1993 sogar ein Spin-Off, in dem man mit dem Händler Torneko zufallsgenerierte Dungeons erkunden muss. Dieses Spielprinzip ist hierzulande wohl am ehesten durch die Mystery-Dungeon-Spiele der Pokémon-Serie bekannt. Dieses Spiel erhielt zwei Fortsetzungen, darunter 1999 Torneko: The Last Hope für PlayStation One, das sogar in Nordamerika erschien.
Auch Dragon Quest IV selbst erschien in verschiedenen Versionen, von denen die bekannteste Neuauflage für Nintendo DS ist, die den Untertitel Chapters of the Chosen, beziehungsweise Die Chroniken der Erkorenen, erhielt (die japanische NES-Version hatte allerdings bereits einen ähnlichen Untertitel). Diese Neuauflage poliert das Original nicht nur grafisch auf, sondern fügt sogar ein komplett neues Kapitel hinzu.
- In der japanischen Veröffentlichung der Nintendo-DS-Version entdeckten ROM-Hacker bereits einige weitere Übersetzungen, darunter Deutsch, Englisch und Spanisch. Zu diesem Zeitpunkt war das Spiel noch nicht für den Westen angekündigt worden.
- Das von Heartbeat entwickelte PlayStation-Remake sollte ursprünglich lokalisiert werden, aber durch die Schließung der Entwicklungsabteilung von Heartbeat kam es niemals dazu.
- Abhängig davon, welcher Charakter sich an erster Stelle in der Gruppe befindet, ändert sich die Weltkartenmusik in Kapitel 5 entsprechend.
Phantasy Star III ist der ungeliebte Teil der Reihe. Er fügt sich nicht in die Geschichte der Serie ein, die erst mit dem vierten Teil fortgesetzt wurde, und hat wohl den antiklimaktischsten letzten Bosskampf in der Geschichte der Videospiele. Trotzdem hat das Spiel mit seinem Generationensystem und den handlungsbeeinflussenden Entscheidungen Neuland betreten. Nächstes Mal schauen wir uns an, wie interessant diese Elemente in Phantasy Star III integriert sind.