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Kolumne #10: Ist der Fortschritt gut für uns?

Die Videospieleindustrie fasste in den 1980er-Jahren erstmals richtig Fuß. Seitdem sind mittlerweile dreißig Jahre vergangen und vergleicht man die Spiele von damals mit denen von heute, stellt man ohne Zweifel fest: Die Evolution ist gigantisch. Nicht nur grafische Verbesserungen hat der Fortschritt der Technik mit sich gebraucht, sondern auch viel mehr Freiheit für die Entwickler in spielerischer Hinsicht. Doch das alles fordert im wahrsten Sinne des Wortes einen hohen Preis: Geld, Geld Geld. Zumindest, wenn man als Entwickler einen Blockbuster-Titel produzieren will. Erschreckend die Erkenntnis, wie viele Probleme einige Entwickler mit dem Sprung in die HD-Welt hatten – Square Enix hatte vor Jahren mit diesen Problemen zu kämpfen, Nintendo kämpft jetzt damit. Und die Entwickler sind sich einig: Ein Spiel für die PlayStation 4 und Xbox One wird in der Entwicklung nochmals viel mehr kosten als es z.B. vor fünf Jahren der Fall war.

Kolumne #10_01Natürlich sind die Entwickler nicht gezwungen, mit der Zeit zu gehen. Auf den Handhelds haben viele ein Zuhause gefunden, die früher für Heimkonsolen entwickelten. Andere Serien wurden nach der PS2-Zeit ganz aufgegeben. Ein notwendiges Übel? Tragen der Fortschritt der Technik und somit die steigenden Anforderungen der Konsumenten an ein der Zeit entsprechendes Produkt die Schuld? Vielleicht. Vielleicht ist es aber auch eine natürliche Entwicklung. Wie wäre es weitergegangen, wenn wir noch immer in der SNES-, PS1- oder PS2-Zeit stagnieren würden? Diese Frage ist so hypothetisch, dass man sie unmöglich beantworten kann.

Fantasian HPU

Die Entwicklung von Videospielen in den Anfängen duftet stets nach einem Hauch von Romantik. Hironobu Sakaguchi, der aktuell in einem kleinen Team ein kleines Spiel namens Terra Battle entwickelt, sagte, er fühle sich an die Zeit zurückerinnert, in dem er mit einem Team von weniger als zehn aktiv involvierten Leuten Final Fantasy entwickelte. Auch Nobuo Uematsu sprach einmal davon, dass es sein Traum wäre, mit dem Ursprungsteam wieder ein Spiel zu entwickelt. Alles, was nach Final Fantasy VI entwickelt wurde, könne er nicht mehr als „sein“ Spiel ansehen; zu viele Leute wären an der Entwicklung beteiligt gewesen. Kein Wunder, denn wenn mehr als hundert Menschen ein Spiel entwickeln, ist es natürlich schwerer, eine starke persönliche Bindung dazu aufzubauen.

Kolumne #10_02Dies soll aber kein Artikel werden, der mit Wehmut der alten Zeit gedenkt. Viel Positives hat der Fortschritt auch gebracht. Noch immer ist es möglich, Spiele im charmanten und niedlichen Stil der 80er und 90er zu entwickeln, aber zugleich haben sich auch ganz andere Möglichkeiten aufgetan: Storytelling ist nun über mehr als Textboxen möglich, Darstellungen können realistisch wirken, Inszenierungen eindrucksvoller als jemals zuvor. Nicht nur aus cineastischer Sicht ist dies bedeutsam – viele Entwickler haben mit der neuen Technik auch neues Gameplay erschaffen und nutzen die Möglichkeiten der Zeit beeindruckend.

Und wir dürfen auch nicht vergessen: Die Technik ist nicht das einzige, was sich entwickelt. Auch die Menschen tun es, und die Wirtschaft tut es, und das Internet tut es. Mit dem Internet eröffnen sich auch früher ungekannte Selbstverwirklichungsmöglichkeiten: Die Abhängigkeit von einem Publisher verliert zunehmend an Bedeutungen, einzelne kreative Köpfe können ihre Visionen mit Talent und Leidenschaft allein umsetzen, und wenn das nicht reicht, hilft die Masse. Crowdfunding nennt sich das Phänomen: Die Masse – Leute wie du und ich – finanziert die Entwicklung von etwas, das sie für unterstützenswert hält. Bisweilen kommen sogar Beträge im Millionenbereich zustande. Indie-Spiele sind allgegenwärtig und sind seit der aktuellen Konsolengeneration auch auf Heimkonsolen und Handhelds in großer Zahl heimisch. Hier und da schießt sogar mal ein Spiel hervor, das so professionell und hochwertig entwickelt wird, dass es einem schwer fällt, es überhaupt in eine Schublade mit anderen unabhängigen Produktionen zu stecken.

Kolumne #10_03Auch die Entwickler haben diesen Trend nicht verschlafen. Einige kreative Köpfe haben sich von den großen Firmen losgesagt – manche schon vor langer Zeit –, und ein paar sind mutig genug gewesen, auch auf die Crowdfunding-Lösung zu setzen, darunter z.B. Keiji Inafune, der Entwickler der Mega-Man-Serie, der aktuell an dem spirituellen Nachfolger Mighty No. 9 arbeitet.

Während sehr viele Fans japanischer Rollenspiele vermutlich sagen, dass das goldene Zeitalter ihres Lieblingsgenres in der Vergangenheit liegt, kann man trotzdem nicht behaupten, das Genre wäre tot. Nicht einmal im Ansatz. Es hat sich nur verändert. Das lässt sich auch über alle anderen Genres sagen. Und falls man doch die Vergangenheit vermisst: Viele Indie-Spiele haben es erfolgreich geschafft, beispielsweise das Spielgefühl alter Jump’n’Runs nachzubilden und trotzdem nicht zu altbacken zu wirken. Trotzdem ist das natürlich etwas anderes.

Wir leben in einer Zeit mit vielen Möglichkeiten und vielen Einschränkungen. Während es sich nur die wenigsten Unternehmen leisten können, die technischen Möglichkeiten heutiger Zeit in vollem Umfang auszureizen – und selbst dann nur, wenn sie hunderttausende verkaufte Exemplare erwarten –, hat sich auf der anderen Seite ein starker Gegenpol entwickelt, der für Individualität und kreativer Freiheit steht. Und es geht immer weiter. Die Zeit steht nicht still, und auch die Konsumenten, der Markt und die Entwickler werden es nicht tun.

Wie steht ihr der Evolution der Technik, der Videospiele, und des Marktes gegenüber?