Wer hat in seiner Kindheit gerne Pokémon gezeichnet oder tut dies noch immer gern? Ich persönlich war in der Grundschule leidenschaftlicher Voltoball-Zeichner. Während ich meine Fähigkeiten bei diesem Pokémon perfektioniert habe, hat mein Talent (so redete ich es mir zumindest ein, aber das war natürlich eine faule Ausrede) leider nicht für viel mehr gereicht. Nun gibt es die Lösung für solcherlei Probleme: Pokémon Art Academy, das Spiel, das einen beibringt, wie man Pokémon zeichnet. Entwickelt wurde das Spiel von Headstrong Games, die auch die Schöpfer der anderen Art-Academy-Spiele sind.
Diese Idee klingt charmant, nett und perfekt für den 3DS geeignet. Pokémon Art Academy ist kein Vollpreis-Titel, doch die Zeichenschule kann dem geneigten Spieler tatsächlich mehr beibringen als die Grundlagen. Wie gut man die Fähigkeiten, die man sich auf dem 3DS aneignet, dann auch auf dem Papier anwenden kann, ist natürlich eine andere Frage, aber Pokémon Art Academy bietet zumindest einen kleinen künstlerischen Rundumschlag an Lektionen, die einem verschiedene Grundlagen und fortgeschrittene Zeichentechniken vermitteln sollen. Diese Techniken kann man dann natürlich nicht nur auf Pokémon anwenden.
Schnell ins Geschehen
Die Geschichte des Spiels könnte simpler nicht sein: Der Spieler tritt einer Kunstakademie bei, um zu lernen, wie man Pokémon zeichnet. Begleitet wird er von einer hochmotivierten Mit-Studentin von zweifelhaftem Talent, die mit ihren Sprüchen und schlechten Zeichnungen stets für Unterhaltung sorgt. Unter der Führung des Professors der Pokémon-Kunstakademie müssen die beiden Lektion um Lektion absolvieren, um schließlich den Absolventen-Rang zu erhalten. Die Dialoge reduzieren sich auf Beschreibungen von Pokémon, Erklärungen von Zeichentechniken und dem erläutern der „acht goldenen Regeln“ des Pokémonzeichnens.
Es beginnt simpel und niedlich…
Der erste Eindruck: Es gibt ja nur niedliche Pokémon! So fängt es nämlich an, und es dauert eine Weile, bis man auch mal Pokémon zeichnen darf, die nicht klein und niedlich sind. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Diese Pokémon sind wenig komplex und daher sehr einfach zu zeichnen – perfekt geeignet für Anfänger-Lektionen also.
Das Spiel läuft folgendermaßen ab: Das gesamte Spiel ist menügesteuert. Man wählt eine Lektion aus, führt einige Arbeitsschritte durch und schaltet damit die nächste Lektion frei. In jeder Lektion geht es um eine bestimmte Zeichentechnik (Schattierung, Liniendicke,…) oder ein Werkzeug (Pinsel, Pastellkreide,…). Das Pokémon, das zu zeichnen ist, ist vorgegeben und vor jedem Arbeitsschritt gibt es genaue Instruktionen, was man tun soll und wie man es tun soll. Auf dem oberen Bildschirm sieht man stets die Vorlage für den aktuellen Arbeitsschritt.
In den anfänglichen Lektionen sind die kompletten Konturen der Pokémon vorgegeben und man muss sie lediglich nachzeichnen. Das klingt nicht schwierig, und auch eine Fläche mit Farbe auszufüllen ist keine große Herausforderung. Zu Anfang zeichnet man Gesichtsportraits, in der dritten Lektion wechselt man aber schon zu Ganzkörperzeichnungen. Das Spiel besteht aus drei Kursen (Anfänger, Student, Absolvent) mit jeweils drei Lektionen. Am Ende jedes Kurses folgt eine Abschlusslektion, in der man das Wissen aller vorhergehenden Lektionen anwenden soll – indem man ein Pikachu zeichnet, natürlich jedes mal in einer anderen Variation.
…und wird mit der Zeit anspruchsvoller
Man sollte sich von den einfachen Anfangslektionen aber nicht täuschen lassen, denn die späteren Lektionen werden zunehmend schwieriger. Geübte Künstler werden vielleicht nicht beeindruckt sein, aber der Laie wird schnell merken, dass man an einer Zeichnung auch schon mal eine Stunde oder länger sitzen kann.
Während man sich in den Anfängerlektionen mit Konturen, Radiergummis, gewinkelten Portraits und Ganzkörperzeichnungen beschäftigt, geht es in den Studentenlektionen um Schattierung, Schraffur, Skizziertechniken und einen malerischen Effekt. Die Konturen sind hier nun nicht mehr jedes Mal vorgegeben, stattdessen muss man sich eigene Konstruktionszeichnungen anfertigen und anhand dieser Konstruktionen seine Zeichnung Schritt für Schritt aufbauen. Man wird aber auch hier noch an die Hand genommen: Jeder Arbeitsschritt wird beschrieben und vorgeführt und wer Probleme mit den Konstruktionsformen hat, kann sich immer noch die Konturen anzeigen lassen.
Was man schnell merkt, ist, dass die komplexeren Übungen sehr viel mehr Zeit und Konzentration kosten. Das Spiel selbst rät dazu, den 3DS aus der Hand zu legen, falls man schon eine Weile spielt. Tatsächlich ist Pokémon Art Academy auch kein Spiel, das man fünf Stunden am Stück spielt. Nicht alle Lektionen sind gleich anspruchsvoll, aber wenn man eine der späteren Lektionen abgeschlossen hat, wird man oft erleichtert aufatmen.
Das Schöne daran ist aber, dass sich das Spiel wirklich „belohnend“ anfühlt. Die Anfangswerke sehen natürlich noch nicht sonderlich beeindruckend aus, aber wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, kann man nach ein paar Lektionen durchaus Pokémon zaubern, die sich sehen lassen können. Selbst wenn man mit seinem Werk zuerst etwas unzufrieden ist, weil es von der Vorlage abweicht, sieht es alleinstehend und auf einem schönen Hintergrund am Ende meist doch nicht schlecht aus. Man darf sich nur nicht dazu verleiten lassen, durch die Lektionen zu hasten.
Wer ein Trophäenjäger ist, den wird das Spiel in dieser Hinsicht vielleicht enttäuschen. Zwar wird man mit Trophäen für fertiggestellte Zeichnungen belohnt, doch das Spiel prüft nicht, ob die Zeichnungen in irgendeiner Form den Vorgaben entsprechen. Theoretisch könnte man sich also einfach durch die Lektionen klicken ohne viel zu tun. Das ist aber natürlich nicht der Sinn des Spiels. Also anders ausgedrückt: Man braucht etwas Eigenmotivation und Selbstverantwortung.
Nach dem Studentenkurs folgt der Absolventenkurs. Hier lernt man etwas über Pastellkreide, Verwischungen, einen comichaften Stil und fortgeschrittene Beleuchtungs- und Schattierungstechniken. Diese Lektionen sind natürlich am anspruchsvollsten und zeitintensivsten. Manchmal bietet es sich an, eine Lektion nicht in einem Durchgang zu beenden. Seinen Spielfortschritt kann man jederzeit zwischenspeichern, also ist es stets möglich, eine Lektion dort fortzusetzen, wo man aufgehört hat.
Im Verlauf der Lektionen lernt man neun verschiedene Werkzeuge kennen und verschiedene Wege, um diese einzusetzen – zum Beispiel durch die Variation der Transparenz oder Liniendicke.
Was gibt es sonst noch zu tun?
Nach jeder absolvierten Lektion (abgesehen von der Abschlusslektion) schaltet man ein oder zwei weitere Pokémon-Motive frei, mit denen man diese Lektion wiederholen kann, um seine Erkenntnisse zu vertiefen. Diese Pokémon sind meistens etwas anspruchsvoller als das erste der Lektion. Nach dem Abschluss der finalen Lektion werden drei Bonus-Lektionen freigeschaltet, in denen man die Mega-Entwicklungen von Mewtu, Glurak und Lucario zeichnen kann.
Im späteren Spielverlauf kann man seiner eigenen Kreativität immer stärker freien Lauf lassen. Wem das noch nicht genug ist, der kann im Modus „Freies Zeichnen“ komplett ohne Führung ein Pokémon nach einer von vielen Vorlagen zeichnen. Wer nicht viel Zeit hat, kann sich zudem an einer Schnellskizze probieren – die nehmen nur sehr wenige Minuten in Anspruch, sehen allerdings in der Regel auch nicht umwerfend aus.
Jedes Bild kann gespeichert und über das Netzwerk einfach mit anderen Spielern geteilt werden. Wem das nicht reicht, der kann die Bilder als JPG-Dateien auf die SD-Karte exportieren und sie damit z.B. auf den Computer übertragen. Alle gespeicherten Bilder können in einer Galerie angeschaut werden – entweder in ihrer Ursprungsform oder als Motiv auf einer Pokémonkarte.
Die 3DS-Kamera kann genutzt werden, um eigene Fotos auszunehmen und diese dann im Spiel zu bearbeiten, z.B. um Zeichnungen auf der Grundlage von Pokémon-Figuren oder -Plüschtieren anzufertigen.
Die Steuerung ist intuitiv, aber…
Der 3DS eignet sich durch den Touchscreen natürlich ausgezeichnet für ein Spiel wie Pokémon Art Academy. Das ganze Spielgeschehen wird auch logischerweise mit dem Stylus gesteuert. Lernen, wie die Steuerung funktioniert, muss man also nicht – alles ist sehr intuitiv.
Trotzdem sind dem 3DS natürlich Grenzen gesetzt. Auch wenn dem Spieler Funktionen wie Zoom (drei Stufen) oder das Rückgängigmachen von Aktionen zur Verfügung steht, kann der 3DS ein richtiges Blatt Papier leider nicht ersetzen. Es ist manchmal recht schwierig, für seinen Arm eine geeignete Unterlage zu finden, um eine gerade Linie zu zeichnen. Das Spiel empfiehlt zwar, den 3DS in gewissen Situationen zu drehen, doch dann kommt man beim Zeichnen mit der Hand manchmal schnell auf andere Tasten. Praktisch wäre es gewesen, das Bild im Spiel drehen zu können.
Auch nicht perfekt ist die Präzision. Bei normalen Zeichnungen mag das weniger auffallen, aber wenn es darum geht, einen Strich genau an eine bestimmte Stelle zu setzen, benötigt man häufig mehrere Versuche, bis dies zufriedenstellend gelingt, was frustrierend sein kann. Anders als im „echten Leben“ macht es auch keinen Unterschied, wie stark man beim Zeichnen aufdrückt, obwohl dies bei einigen Werkzeugen ausgesprochen hilfreich gewesen wäre.
Trotz diesen Schwächen bei der Steuerung – teils aus technischen Gründen unvermeidbar – funktioniert das meiste in Pokémon Art Academy wirklich gut, und selbst jemand ohne fundierte künstlerische Fähigkeiten kann ansehnliche Werke erschaffen.
Fazit
Pokémon Art Academy ist ein tolles Spiel für all diejenigen, die Spaß daran haben, Pokémon zu zeichnen und sich künstlerisch weiterzubilden. Bevor man blind zuschlägt, sollte man sich aber eines vor Augen führen: Ohne Geduld kommt man nicht weit. Auch wenn man vom Spiel geführt wird, ist man als Spieler natürlich letztlich selbst der Künstler, und als solcher muss man auch die notwendige Zeit und Konzentration aufwenden.
Erfreulicherweise beschäftigt sich Pokémon Art Academy wirklich nicht nur mit den einfachsten Grundlagen, sondern dringt auch in fortgeschrittene Techniken vor. Auf diese Weise ist es selbst dem unerfahrenen Spieler möglich, am Ende Bilder zu zeichnen, die er sich selbst gar nicht zugetraut hätte. Wer glaubt, Spaß am Zeichnen und vor allem am Zeichnen von Pokémon zu haben, der kann bei diesem Spiel wirklich nicht viel falsch machen. Pokémon Art Academy hat Schwächen, aber letzten Endes ist es trotzdem ein kleines, gut funktionierendes Spiel mit schönem Belohnungseffekt – wenn man sich Mühe gibt.
Story: Die gibt es quasi nicht, aber das ist auch nicht schlimm. Lustige Dialoge können bisweilen unterhalten.
Grafik: Menüs und Hintergründe sind ansehnlich und im bekannten Pokémon-Look. Für die wichtigste Grafik sorgt der Spieler aber selbst.
Sound: Hauptsächlich Kulissenmusik, die bei Laune hält und nicht stört, aber am Ende natürlich Kulissenmusik bleibt.
Gameplay: Man zeichnet Pokémon! Dazu verwendet man viele verschiedene Techniken und Werkzeuge. Neben den Lektionen kann man Pokémon auch „frei zeichnen“. Steuerung ist nicht ganz perfekt.
Sonstiges: Etwa 10-15 Stunden Spielzeit für das Hauptspiel, durch viele verschiedene Pokémon-Motive kann man sich aber noch viel länger mit dem Spiel beschäftigen. Teilen und Exportieren von Bildern möglich, mit der 3DS-Kamera können auch eigene Bilder aufgenommen werden.
Zum Abschluss gibt es ein paar Beispiele für Zeichnungen, die auch ein Spieler ohne künstlerisches Vorwissen oder eine besondere Begabung anfertigen kann – bei kunstaffinen Menschen sähen die Ergebnisse sicherlich noch wesentlich besser aus: