Vor fast 20 Jahren begann Yasuhiro Wada seine Karriere, die recht früh in Harvest Moon mündete. Während Serien, wie Metal Gear Solid oder Final Fantasy, unzertrennbar an Namen, wie Hideo Kojima oder Hironobu Sakaguchi, geknüpft sind, müssen viele Spieler bei Yasuhiro Wada zunächst nachlesen. Dabei sind seine Verdienste im Rahmen der langen Harvest-Moon-Serie sicherlich nicht geringer einzuschätzen.
Sakaguchi lebt nun auf Hawaii, surft viel, entwickelt mal ein Mobile-Game, vielleicht überwacht er aktuell sogar die Entwicklung eines neuen RPGs für Xbox One, wer weiß das schon. Jedenfalls hat er den Absprung geschafft. Eine Sache, die Kojima bislang verwehrt blieb. Immer wieder spürt man, dass der Mann eigentlich etwas anderes machen will, doch von Metal Gear kommt er einfach nicht los. Yasuhiro Wada hat jedoch das Glück, den Wegen von Sakaguchi zu folgen.
Mit seiner eigenen kleinen Firma Toybox Games und einem neuen Spiel hatte er nun die Möglichkeit, sich noch einmal selbst zu verwirklichen. Doch dem Genre kann er nicht den Rücken kehren. HomeTown Story bietet viele grundlegende Harvest-Moon-Ansätze. Ihr übernehmt den kleinen Laden der verstorbenen Oma des Protagonisten, den ihr vorab aber schon selbst erstellt, und zieht in das kleine Dörfchen, das anfangs nur aus wenigen Häusern besteht. Ein kleines Tutorial erläutert die Grundlagen des Ladens, den ihr fortan mit Waren bestücken und wieder zu alter Blüte führen wollt.
Eine geduldige Kundschaft
Wenn der Laden bestückt ist, geht es auf Erkundungstour durch das Dorf. Die Kundschaft wartet erfreulicherweise pflichtbewusst an der Kasse auf die Rückkehr des Ladeninhabers. Erst nach zwei bis drei In-Game-Stunden ziehen sie verärgert davon. Das hat allerdings keine spürbaren Auswirkungen. Die Kundschaft warten lassen, bringt ohnehin Vorteile. Wer nämlich eine Abkassier-Chain hinlegt, bekommt einen Geldbonus. Ein wünschenswertes Modell für Aldi, Lidl und Co.
Wenn wir davon sprechen, dass ihr das Dorf erkundet und die Leute in eurem Laden abkassiert, dann ist damit leider auch schon fast alles über HomeTown Story gesagt. Der europäischen Version wurde noch die Möglichkeit zum Angeln hinzugefügt, aber insgesamt bietet der Titel außer der Suche nach dem/der Ehepartner/in und der Möglichkeit, den Laden zu verschönern einfach zu wenige Aktivitäten, vor allem im Vergleich zu Harvest Moon. Zumindest eine weitere dauerhafte Aktivität wäre denkbar gewesen: Pochikal verfolgt den Protagonisten auf Schritt und Tritt, ist Herr Tutorial und Haustier in einem. Leider muss man sich nicht um das Tierchen kümmern. Eine kleine Tamagotchi-Funktion für das süße Tierchen und schon wäre der Tag ein wenig bunter gewesen.
Keine Langeweile, aber auch nichts tagfüllendes…
Dabei heißt das keineswegs, dass ihr euch durch die Tage langweilt. Zu tun gibt es in der Tat immer mehr als genug. Alleine das Kassieren und Platzieren der Waren kostet genug Zeit, um den halben Tag zu füllen. Für die Waren legt ihr zudem die Preise fest – einfach immer ein bisschen teurer als der Einkaufspreis, Betriebswirtschaftslehre muss man dafür nicht studieren. Danach geht es auf Entdeckertour und zwischendrin im Laufschritt zurück in den Laden zum Kassieren und Waren platzieren.
Jeden Tag besucht euch zudem ein Händler, von dem ihr eure Waren und Ressourcen für den Ladenausbau bezieht sowie andere Items, die glücklicherweise von anderen Dorfbewohnern gesucht werden. Die macht ihr froh, indem ihr ihnen die Gegenstände besorgt. Durch Unterhaltungen und Erledigung solcher Quests ziehen nach und nach mehr Menschen ins Dorf und werden Storysequenzen ausgelöst. Was genau die Zuzüge und Events triggert, bleibt jedoch undurchsichtig.
In diesem Zusammenhang muss auf ein anderes, sehr großes Ärgernis verwiesen werden. Welcher Dorfbewohner welchen Wunsch hat, wird leider nirgends festgehalten. Es fehlt hier ganz einfach ein Überblick. Ihr braucht ein gutes Gedächtnis oder Zettel und Stift – wenig komfortabel. Für noch weniger Übersicht sorgt eine Kameraführung, deren Programmierer offenbar Verfolgungswahn hat. Mit jedem Bildschirm schwenkt die Kamera grundlos in völlig unvorhersehbare Richtungen, weswegen oft die Laufrichtung neu ausgerichtet werden muss. Zumindest lassen sich auf einer Karte aber die Aufenthaltsorte der Bewohner einsehen.
Lobenswert erwähnt werden darf auch das Charakterdesign und der Soundtrack. Atsuko Nishida hat einige niedliche und liebenswerte Charaktere erstellt, wenngleich der ein oder andere Dorfbewohner auch irgendwie aussieht, als kenne man ihn schon – aber so ist das ja im Dorf: da kennt man jeden. Der Soundtrack stammt aus der Feder von König Uematsu. Er hat einige grundsolide, eingängige Stücke geschrieben, welche die Atmosphäre perfekt wiederspiegeln. Auch die deutschen Bildschirmtexte bekommen ein Sonderlob. Eine deutsche Übersetzung war zuletzt nicht einmal mehr für die beliebte Harvest-Moon-Serie selbstverständlich. So eignet sich HomeTown Story dann auch gut für die Zielgruppe Kinder, die am meisten damit Spaß haben wird, auch wenn mir solche Schubladen in der Regel gar nicht behagen.
Die Vogelscheuche behält Recht
HomeTown Story ist wahrscheinlich genau das geworden, was es werden sollte. Ein unaufgeregtes, sympathisches und gemütliches Spiel. Zwischenmenschliche Beziehungen und ehrliche Arbeit sollen im Vordergrund stehen. Mit fortlaufender Spieldauer sind es immer mehr die Menschen, weniger das Geld, was zählt. Aber eben auch nur, weil man es hat. Belohnt wird, wer sich die Sorgen der Mitmenschen anhört. Ein nachahmenswertes Kredo, aber eben leider zu wenig, um die Massen an den Handheld zu fesseln. Und so bleibt bei mir vor allem der Tipp einer sprechenden Vogelscheuche aus dem Dorf hängen. Wenn sie einen Laden hätte, würde sie Taler verkaufen. 30 Taler für 50 Taler. So läuft es nun mal.
Grafik: Allenfalls 3DS-Durchschnitt.
Sound: Ein durchaus gelungener OST von Nobuo Uematsu.
Gameplay: Wirre Kameraführung, zu wenig Aktivitäten, fehlende Features (Quest-Log). Ansonsten unaufgeregt.
Sonstiges: Deutsche Bildschirmtexte!